Burbach: Sexuelle Angriffe und Vertuschung

Erstveröffentlicht: 
12.07.2016

In einem Burbacher Flüchtlingsheim soll es zu schweren und systematischen sexuellen Übergriffen und dem Einsatz von K.O.-Tropfen gegen Asylbewerberinnen gekommen sein. Nun werden augenscheinlich Zeugen diskreditiert, Mitarbeiter mauern gegenüber der Polizei und der „Task Force“ der Bezirksregierung.

 

Die Ende Juni an die Öffentlichkeit gelangten Vorwürfe, wonach Mitarbeiter des DRK und der BEWA-Security in einem Burbacher Flüchtlingsheim Frauen sexuell angegriffen haben sollen, sind von den beteiligten Organisationen zurückgewiesen worden. Bereits seit Anfang Juni ermitteln Polizei und eine von der zuständigen Bezirksregierung eingesetzte Task Force. Dabei habe sich der Verdacht bislang nicht bestätigen lassen, alle Befragten hätten ihn zurückgewiesen. Dass Security-Mitarbeiter und Angestellte des DRK alleinstehende Frauen mit Alkohol versorgt, mit ihnen verkehrt haben sollen und es in diesem Zusammenhang auch zu Geschlechtsverkehr gekommen sei, wollte niemand bestätigen. Dabei steht der Verdacht im Raum, dass die Frauen unter Anderem unter falschen Versprechungen hinsichtlich des Asylverfahrens zum Mitmachen bewegt wurden. In einem anderen Fall geht es um die Entführung einer Frau über zwei Tage mithilfe von K.O.-Tropfen.

 

Die Vorwürfe stützen sich maßgeblich auf zwei albanische Asylbewerber, die der Polizei gegenüber ihre Beobachtungen geschildert hatten und die, laut Eigenangabe, danach aus dem Heim gedrängt worden und schließlich in Bonn gestrandet sind. Unterstützt werden diese und andere Beobachtungen durch Aussagen eines Mitarbeiters der Bezirksregierung im Burbacher Heim sowie durch einen dort tätigen Dolmetscher. Alle beteiligten schilderten ihre Erlebnisse aus Burbach auch gegenüber den Ruhrbaronen. Einer der albanischen Asylbewerber ist zudem unmittelbarer Zeuge des Angriffs, der mutmaßlich mit K.O.-Tropfen ausgeführt worden ist.

 

Das DRK, das die Einrichtung seit der Übernahme des Skandalbetreibers European Homecare verwaltet, dementiert in einer schriftlichen Stellungnahme die Vorwürfe ausdrücklich, auch die Bezirksregierung und BEWA äußern sich in diese Richtung. Doch statt es dabei zu belassen, wurden vonseiten eingesetzter Mitarbeiter der Erstaufnahmeeinrichtung Vorwürfe an die Zeugen laut, die diese offenkundig diskreditieren sollten. So hieß es zwischenzeitlich, der von der Bezirksregierung Arnsberg ins Heim entsandte Bedienstete, der mit seiner Anzeige das Verfahren ins Rollen brachte, sei seit Längerem suspendiert, handele aus verletzter Eitelkeit – eine Unterstellung, die sich auf Nachfrage bei der Bezirksregierung als falsch herausstellte.

 

Ein freiwilliger Helfer im Heim führte vor der Kamera der WDR-Lokalzeit aus, die beiden albanischen Zeugen wollten nur ihre anstehende Abschiebung verzögern und hätten im Heim für Stress gesorgt, seien straffällig gewesen. Eine andere Behauptung von Mitarbeitern der Einrichtung besagt, gegen die Zeugen lägen etwa 30 Verfahren wegen Eigentumsdelikten vor – ein Gerücht, das sogar der WDR im Internet als Tatsache hinstellt.

 

Nach Informationen, die den Ruhrbaronen vorliegen, gab es nach Beginn der Ermittlungen mehrfach den Versuch durch eine leitende Angestellte der Bezirksregierung und der Heimsecurity, den Albanern Straftaten unterzujubeln. In einem Fall wurde ein betrunkener Asylbewerber ins Krankenhaus eingeliefert und einem Zeugen dann unterstellt, ihn beim gemeinsamen Zechen verprügelt zu haben. In einem anderen Fall sperrte man den Zeugen laut Eigenangabe von außen in das Büro der Angestellten, getrennt von seinem Koffer, rief dann die Polizei und ließ sie die Koffer durchsuchen. Diese fand dann prompt dutzende SIM-Karten. Doch in keinem der Fälle nahm die Polizei etwa Aussagen auf – der Mann im Krankenhaus war unverletzt, die SIM-Karten abgelaufen.

 

Am Morgen nach der unterstellen Körperverletzung, einem Sonntag, wurde kurzfristig ein Transfer des Zeugen angeordnet. Da dieser sich weigerte, wurde erneut die Polizei herbei gerufen. Diese stellte jedoch vor Ort fest, dass gar keine Rechtsgrundlage für einen solchen Transfer vorliege. Diese drei von den beiden albanischen Zeugen angegebenen und von einem weiteren Zeugen gestützten Polizeieinsätze wollten jedoch Polizei und Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. Diese schoben sich zunächst gegenseitig die Auskunftskompetenz zu. Auf Nachfrage bei der Kriminalpolizei wurde einer nun eingeschalteten Anwältin mitgeteilt, dass an den angeblichen 30 Verfahren nichts dran sei, das Ausrücken der Kollegen wegen der vorgeworfenen Körperverletzung bestätigt. Wegen Diebstahls aber, etwa in Bezug auf die entdeckten SIM-Karten, werde gar nicht ermittelt. Die Anwältin sagt, gerade Albaner würden mitunter schon bei Vorlage eines einzelnen Verfahrens in Haft genommen. Asylsuchende aus dem Balkanraum gelten oft als „schlechte“ Ausländer und werden gern etwa gegen die „guten Syrer“ ausgespielt, Albanien gilt zudem als „sicherer Herkunftsstaat“.

 

Dass BEWA und DRK nun mauern, dürfte nicht nur daran liegen, dass sich die Vorwürfe der systematischen sexuellen Ausbeutung gegen ihre jeweiligen Mitarbeiter richten. Nach vorliegenden Informationen sind beide Organisationen auch personell vor Ort eng verbandelt. So ist der gegenwärtige Leiter des DRK in der Einrichtung bis April noch stellvertretender BEWA-Leiter in einem Heim in Olpe gewesen. Der gegenwärtig stellvertretende Leiter des DRK in Burbach soll früher Objektleiter der BEWA ebenfalls in Olpe gewesen sein. Nach Aussage des Albaners, der den Angriff mit K.O.-Tropfen bezeugt, wurde er nach seinem Termin bei der Kriminalpolizei Anfang Juni zurück im Heim ins Büro bestellt – und dort von der leitenden Angestellten der Bezirksregierung und eben diesem DRK-Leiter unter Druck gesetzt, ihnen zu offenbaren, was er der Polizei erzählt hatte. Nachdem er sich, wie auf der Wache geraten, weigerte, fingen die genannten Schikanen an.

 

Zwar richten sich die Vorwürfe, wonach es zu sexuellen Kontakten zwischen Frauen und Mitarbeitern gekommen wäre, in der Hauptsache gegen BEWA-Angestellte, doch war bereits Ende 2015 auch der stellvertretende DRK-Leiter offensichtlich in solche Vorgänge verwickelt: nach Bekanntwerden eines Verhältnisses zu einer Asylbewerberin musste er seinen Posten räumen. Ein Ehrenämtler gibt an, seine schriftlichen Beschwerden bei der Bezirksregierung über die eingesetzte Security seien unbeantwortet geblieben, wofür er einen entsprechenden Screenshot mitlieferte. Ein DRK-Mitarbeiter sei beim Versuch, seine Eindrücke der DRK-Zentrale zu schildern, abgewiesen worden. Außerdem berichten insgesamt vier Zeugen übereinstimmend, die beiden Albaner seien nach Verlassen des Burbacher Heims von Sicherheitskräften in privaten PKWs über Kilometer verfolgt und beschattet worden.

 

Bereits im Herbst 2014 hatte die Anlage in Burbach für Schlagzeilen gesorgt, unter Anderem durch das Foto eines Securitys, der einem gefesselten, auf dem Boden liegenden Mann den Stiefel in den Nacken stellte. In diesem Zusammenhang stellte die Staatsanwaltschaft Siegen Ermittlungen gegen insgesamt 52 Personen an, darunter nicht nur Mitarbeiter von Heimleitung und Security, sondern auch Polizeibeamte. Die Ermittlungen sind noch immer nicht zu Ergebnissen gelangt, 270 Sachverhalte würden derzeit überprüft. Auf ein sogenanntes „Problemzimmer“ in der Anlage, in das Flüchtlinge eingesperrt worden waren, entfallen 128 der 270 Sachverhalte.

 

Bei den nun aufgetauchten Vorwürfen spielt wieder eine besondere Räumlichkeit eine zentrale Rolle – für den Kontakt zwischen Mitarbeitern und asylsuchenden Frauen soll eine privat angemietete Wohnung auf dem selben Gelände der ehemaligen Kaserne verwendet worden sein. Der oben genannte Ehrenämtler vor der WDR-Kamera, der die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Frage stellte, wurde im Mai 2015 für sein Engagement im Heim geehrt. In einem Artikel über die Auszeichnung heißt es, er habe es in der Einrichtung zum Koordinator der Arbeit der Ehrenämtler gebracht und arbeite hierzu mit der Heimleitung des DRK zusammen. Der Mann, dessen Wirkensgrundlage sein „christlicher Glaube“ sei, ist ehemaliger Polizeibeamter.

 

Benjamin Kowitzke von Refugees Welcome Bonn e.V., der mit den Zeugen in Kontakt steht und diese betreut, hält die Vorwürfe für glaubwürdig, bisher hätten sich keine Widersprüche ergeben. Zum strukturellen Problem sagt er: „Solange Menschen in großer Not in abgelegenen Lagern eingepfercht werden, wird es immer wieder andere geben, die diese Notlage ausnutzen“. Ihm gegenüber haben sich Insider via Mail, wie die Ruhrbarone einsehen konnten, und via Telefon nach einer Stellungnahme seines Vereins gemeldet und die Eindrücke, die sich von der Anlage in Burbach bisher ergeben hatten, bestätigt. Viele konnten sich gut vorstellen, dass an den Vorwürfen etwas dran sei.