Die Anhänger der Pegida-Frontleute Tatjana Festerling und Lutz Bachmann fallen im Internet übereinander her.
Von Ulrich Wolf
Der Film dauert schon drei Tage, und er ist großes Kino. Es ist kurz vor Mitternacht in der Nacht zum Dienstag, als das Pegida-Urgestein Edwin Wagensveld eine Erklärung auf Facebook postet. In ihr geht es um die Dresdner Oberbürger- meisterkandidatin Tatjana Festerling, die bei der Bürgerbewegung zur Frontfrau aufgestiegen ist. Schon seit Monaten aber redet sie dort nicht mehr. Einige Demonstranten recken deshalb montags Plakate in den Dresdner Abendhimmel mit Aufschriften wie „Tatjana, wo bist du?“ oder „Tatjana, wir vermissen dich!“
Gerüchte über einen Streit zwischen Pegida-Gründer Lutz Bachmann und Festerling machen schon seit Februar die Runde. Damals versammelte die gebürtige Wuppertalerin rund 10 000 Menschen an der Elbe, um für ihre „Festung Europa“ zu werben. Bachmann war nicht zu sehen. Er begründete seine Abwesenheit wenig später damit, sich auf einer Reha vom Stress erholen zu müssen. Tatjana kämpfe für die Sache weiter, nur an anderer Stelle, hieß es. Gemeinsam traten sie kaum mehr auf.
Wagensveld zufolge ist es zwischen den beiden im April zum endgültigen Bruch gekommen. Festerling habe sich seinerzeit geweigert, ihre Rede Bachmann zum Gegenlesen zu geben. Es sei zum Streit gekommen, das Organisationsteam habe daraufhin beschlossen, Festerling „wegen Pegida-Schädigung“ aus dem Verein auszuschließen. Von einer „Tirade aus Lügen, Unterstellungen und Verleumdungen“ ist die Rede. Ohne Bachmann zu nennen, setzt Wagensveld fort: „Es ist sehr traurig, wenn jemand, der viel verspricht und nichts hält, andere ins Lächerliche zieht, die sich den Arsch aufreißen ohne Eigennutz.“
Wenn’s ums Geld geht ...
Seit dem Post des Niederländers fallen Bachmann- und Festerling-Anhänger, Patrioten aus ganz Deutschland auf Facebook übereinander her. Als habe Wagensveld ein Ventil geöffnet, bricht sich vor allem der Unmut über Bachmann Bahn. Der 43-Jährige dulde niemand anderen neben sich, heißt es. Ein ehemaliger Bühnenredner teilt mit: „Bachmann beißt doch schon lange alle weg, die neben ihm Platz finden.“ Übrig bliebe „nur der Kreis, der immer ganz nett zu ihm ist“. Bachmann fasele ständig von direkter Demokratie, „ist aber selbst nicht dazu bereit, diese auch nur im Ansatz umzusetzen“. Er sei ein „Typ mit fettem Selbstbewusstsein“, ein „aufgeblasener Fesselballon“.
Es ist bekannt, dass Bachmann mit Gegnern nicht zimperlich umgeht. Einstige Mitgründer bezeichnete er nach der Spaltung Anfang 2015 als „Ratte“, „dreckiges Verräterschwein“, „Arsch“ oder „Rindvieh ohnegleichen“, ihre Meinungen als „gequirlte Scheiße“. Er zerstritt sich mit der Legida-Bewegung sowie nahezu allen Ablegern im Westen. Auch der Schweizer Pegida-Anführer Ignaz Bearth, der mehrfach in Dresden redete, musste dran glauben.
Dass Pegida nichts Konkretes mehr auf die Beine stellt, löst Verdruss aus. Eine Dresdnerin schreibt, sie und ihr Mann seien von Anfang an montags dabei. „Aber uns ist die Lust vergangen. Es werden immer wieder dieselben leeren Parolen gebrüllt. Es werden große Aktionen angekündigt (Parteigründung, Bilderbergerprotest), aber nichts passiert.“ Auffällig viele Sympathisanten behaupten, sie seien auf der Pegida-Facebookseite nach kritischen Statements geblockt worden. „Das ist wie zu DDR-Zeiten: Wer nicht ins System passte, musste weg“, schreibt ein Bautzener.
Bachmann verweigert eine Antwort auf die Frage nach seinem Lebensunterhalt. Sogar in seinem Volksverhetzungsprozess im Mai. Das Amtsgericht Dresden verurteilte ihn zu einer Strafe von 9 600 Euro; der Richter schätzte damit das Monatseinkommen des gelernten Kochs auf 3 000 Euro.
Wie sich Bachmann und Pegida finanzieren, diese Frage wird offen diskutiert. „Ich habe in gutem Glauben ziemlich viel Geld in die Sammeltonnen getan, doch Pegida weigert sich, Rechenschaft uns gegenüber abzulegen“, schreibt eine Sympathisantin. Nach SZ-Informationen lag auf dem Spendenkonto des Vereins bei der Ostsächsischen Sparkasse Ende 2015 lediglich ein niedriger fünfstelliger Betrag.
Zudem berichten Insider auch erstmals schriftlich auf Facebook, Bachmann wohne nicht mehr in Kesselsdorf bei Dresden. Ein (realer) Nachbar sagt dazu auf Nachfrage: „Ich habe ihn länger nicht mehr gesehen.“ Nach SZ-Informationen hält sich Bachmann mittlerweile bei seinem Vater in Dresden auf und trägt sich mit Abwanderungsgedanken. Auch das greifen Pegida-Anhänger auf. Sie bringen auf Facebook ein bevorzugtes Urlaubsziel des Ehepaars Bachmann ins Spiel: Teneriffa.
Der Gescholtene reagiert erst nach mehr als 20 Stunden auf den Wagensveld-Post. „Ich halte es wie beim letzten Mal“, schreibt Bachmann, „als das gleiche Symptom bei der ersten Frau bei Pegida auftrat.“ Er spielt auf Kathrin Oertel an, die Pegida mit fünf weiteren Personen verließ. Bachmann weiter: „Ich werde mich abermals im Dienste der Sache beschimpfen lassen!“ Wer öffentlich Schmutzwäsche wasche, „der tut das im Auftrag oder fürs Ego. Wir tun es nicht.“
Erst am Mittwochabend meldete sich Pegida offiziell mit einer langen Erklärung zum Fall Festerling auf Facebook zu Wort. In auffallend sachlichem Ton sind darin die Ereignisse der vergangenen Wochen aus Pegida-Sicht zusammengefasst. Deren Darstellung zufolge habe Festerling freiwillig das „Orga-Team“ verlassen und sei niemals „von der Bühne gejagt“ worden. Nachdem sie sich wiederholt nicht an Absprachen gehalten habe, solle ihr Ausschluss aus dem Pegida Förderverein erst bei der nächsten Vereinssitzung beschlossen werden. Von „vereinsschädigendem Verhalten“ ist die Rede. Die Erklärung endet dennoch scheinbar versöhnlich mit guten Wünschen an Tatjana Festerling. „Wir gehen getrennte Wege, jedoch eint uns alle das gleiche Ziel“, heißt es da.
... oder um die Schlapphüte
Unterstützung erfährt Bachmann unterdessen vom zweiten Mann bei Pegida, dem Meißener Siegfried Däbritz. „Über das Thema Tatjana werde ich nichts äußern, außer dass es mir reicht.“ Er, Däbritz, sei „schwer enttäuscht“, den Kindergarten spiele er nicht mit. Andere Bachmann-Freunde betonen, die Sticheleien seien von Festerling gekommen, „nur damit die ihre Ego-Nummer durchziehen kann“. Dem widerspricht etwa der Chef des AfD-Kreisverbands Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Jan Zwerg: „Weitermachen, Tatjana. Festung Europa hört sich gut an, könnte als Begriff die Europäische Union ablösen.“ Beide Seiten schieben sich den Schwarzen Peter zu. Ein Automechaniker, der nach eigenen Angaben über ein Jahr bei Pegida mitgelaufen ist, erinnert an Bachmann-Behauptungen, in seinem alten Orgateam sei der Verfassungsschutz aktiv gewesen. „Hat Bachmann etwa selbst den Auftrag, die Bewegung zu beenden?“ Prompt kommt eine Antwort: „Ich denke, du liegst richtig! Hier sind Kräfte am Werk, wogegen die Stasi ein Kindergarten war.“
Die unentschiedenen Pegida-Anhänger reagieren entsetzt. „Was macht ihr da? Ich bin erschrocken, ja wütend und sprachlos zugleich“, heißt es da. Oder: „Die Revolution frisst ihre Kinder – an dieses Zitat der Französischen Revolution fühle ich mich angesichts der nun öffentlich ausgetragenen Differenzen ehemaliger Weggefährten erinnert.“ Pegida zerpflücke sich selbst, die Luft sei raus, der Aufwand verpufft, der Abschied nahe, eine gute Bewegung durch Neid kaputtgemacht worden. Konsterniert stellt ein Großenhainer fest: „Schade, mal wieder eine Bewegung, die als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet ist.“
Das wäre dann allerdings ein recht vorhersehbares Filmende.