Im Prozess gegen rechte Schläger fehlte der Terrorverdächtige Timo S. – doch er belastete die Angeklagten schwer.
Von Alexander Schneider
Der zweite Prozesstag gegen vier mutmaßliche Mitglieder der „Freien Kameradschaft Dresden“ begann mit mehreren Überraschungen. So marschierten am Donnerstagmorgen etwa ein Dutzend junge Männer in den Gerichtssaal. Sie trugen dunkle Hosen mit Seitentaschen, so wie mancher der Angeklagten. Man könnte ihr Auftreten in dieser Masse martialisch nennen, es war wohl eine abgesprochene Aktion. Eine Solidaritätserklärung an die Angeklagten? Sie hatten schon zu Prozessbeginn erklärt, sie gehörten zur „Freien Kameradschaft Dresden“, einer rechtsextremen Gruppe, die vom sächsischen Verfassungsschutz beobachtet wird.
Die zweite Überraschung war, dass der unter Terrorismusverdacht stehende 27-jährige Timo S. aus Freital nicht als Zeuge vor dem Amtsgericht Dresden aussagen musste. Das hat der Justiz einigen Aufwand erspart. Die Sicherheitsauflagen für mutmaßliche Terroristen sind weitreichend. So erschienen keine Beamten von der GSG 9, um Timo S. zu bewachen, es gab auch keine Sicherheitsvorkehrungen im Gebäude.
Den vier Angeklagten im Alter von 18, 18, 19 und 22 Jahren wird vorgeworfen, im Juni 2015 mit bis zu 20 Leuten im Alaunpark sechs bis sieben Jugendliche angegriffen und zusammengeschlagen zu haben. Die beiden 18-Jährigen haben darüber hinaus an einem späten Sonntagabend im August gemeinsam mit weiteren Tätern das Asylbewerberheim in der Podemusstraße angegriffen. Sie warfen mehrere Pflastersteine und mindestens einen Böller auf das ehemalige Hotel Lindenhof.
Die beiden 18-Jährigen sitzen seit Dezember in Untersuchungshaft. Schon am ersten Prozesstag hatten sie den Überfall auf die Flüchtlingsunterkunft gestanden. Außerdem gaben sie zu, am Angriff im Alaunpark mitgewirkt zu haben, wie auch der 19-Jährige. Angeblich hätten sie nicht gewusst, was geplant gewesen sei. Als jemand ein Kommando gab, seien sie einfach hinterhergerannt und hätten mitgemacht. Alle drei entlasteten den vierten Mitangeklagten. Der habe sich nicht an dem Gewaltexzess beteiligt und hinterher von einer „Scheiß-Aktion“ gesprochen. Das Gericht muss nun prüfen, ob das stimmt.
Bei den Geschädigten handelt es sich um gleichaltrige Auszubildende und Schüler, die einen netten Abend miteinander im Alaunpark verbracht hätten. Wie aus dem Nichts seien sie nach 1 Uhr plötzlich angegriffen worden, die Täter seien in Reih’ und Glied, „wie eine Wand“, auf sie zumarschiert. Sie dachten an Hooligans. „Die Antifa war es jedenfalls nicht“, sagte einer.
Zu guter Letzt gab es eine dritte Überraschung. Auch Timo S. soll am Überfall auf den Lindenhof beteiligt gewesen sein. Das sagte ein Hauptkommissar, der den Terrorverdächtigen vernommen hatte. S. nannte als Beteiligte neben den 18-Jährigen eine Frau der „Freien Kameradschaft Dresden“ und zwei Männer aus Leipzig. Ursprünglich sei eine „konzertierte Aktion mit 40 bis 50 Personen aus Dresden, Leipzig und Halle“ geplant gewesen, habe Timo S. berichtet. Neben dem Lindenhof sollten auch die Zeltstadt in der Bremer Straße und eine weitere dezentrale Asylunterkunft neben einer Tankstelle angegriffen werden. Jener 23. August war der Sonntag nach den zweitägigen Krawallen von Asylgegnern vor einer Unterkunft in Heidenau.
Timo S. hat der Polizei offenbar umfasssend berichtet. Seine Aussage ist 89 Seiten lang. Einer der 18-jährigen Angeklagten soll demnach wie S. auch bei dem Überfall auf ein alternatives Wohnprojekt in der Overbeckstraße beteiligt gewesen sein. Der Busfahrer aus Freital, der seit Anfang November in Haft sitzt, ist wohl noch für manche andere Überraschung gut. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.