Zwei Beamte sollen Verbindungen zu Neonazis und rechten Rockern gepflegt haben. Doch ihre Vernehmung im NSU-Untersuchungsausschuss könnte noch mehr Zündstoff bergen.
Wenn sich der NSU-Untersuchungsausschuss des Hessischen Landtags am Freitag zu seiner 38. Sitzung trifft, stehen zwei Zeugen auf dem Programm, die auf den ersten Blick unspektakulär scheinen mögen: Geladen sind ein ehemaliger und ein noch aktiver Beamter der nordhessischen Polizei. Weitere Ermittler, die an der Aufklärung des Mordes an Halit Yozgat in Kassel gescheitert sind? Keineswegs. Es handelt sich um die beiden Polizisten, die, wie der Wiesbadener Kurier im vergangenen Jahr berichtet hatte, Kontakte zum militanten Neonazinetzwerk „Blood and Honour“ gehabt haben sollen.
Die weltweit tätige Organisation, über die sich unter anderem rechtsextreme Bands vernetzen, wurde in Deutschland im Jahr 2000 verboten. Auch die Rechtsterroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) standen ihr nahe – und setzten mit ihren Anschlägen um, was „Blood and Honour“ propagierte: rechten Terror durch Kleinstgruppen nach dem Konzept des „führerlosen Partisanenkampfs“. Mit „Combat 18“ genannten Zellen verfügte „Blood and Honour“ auch selbst über einen bewaffneten Arm.
Was den Fall der beiden Polizisten noch pikanter macht: Beim hessischen Verfassungsschutz soll sich ausgerechnet Andreas Temme damit befasst haben – jener Verfassungsschützer, der am Tatort gewesen war, als Halit Yozgat am 6. April 2006 in seinem Kasseler Internetcafé erschossen wurde. Die Tat gilt als neunter Mord des NSU.
Vernehmung birgt Zündstoff
Doch die Vernehmung der beiden Männer könnte noch mehr Zündstoff bergen. Nach Recherchen der Frankfurter Rundschau gehörte der mittlerweile pensionierte Polizeibeamte – ein 43-Jähriger aus Rotenburg an der Fulda – dem 2012 gegründeten Kasseler Chapter des Rockerclubs Chicanos an, einem Unterstützerclub der berüchtigten Bandidos. Das ist nicht nur brisant, weil Chapter der Bandidos wie der konkurrierenden Hells Angels von den Sicherheitsbehörden mit organisierter Kriminalität und dem Rotlichtmilieu in Verbindung gebracht werden. Bei den Kasseler Bandidos gab es auch immer wieder Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene.
So wurden 2006 und 2007 in ihrem Clubhaus zwei geplante Rechtsrockkonzerte von der Polizei verhindert. Mindestens einmal hatte dabei die Dortmunder Blood-and-Honour-Band „Oidoxie“ auftreten sollen. Der langjährige Kasseler Neonaziaktivist Michel F. (30) war Mitglied der Bandidos, als sich der Rotenburger Polizeikommissar a. D. den Chicanos anschloss. Michel F. wird von den Behörden zum weiteren NSU-Umfeld gerechnet. Mittlerweile beteuert er zwar seinen Ausstieg aus der rechten Szene, pflegt aber nach wie vor Kontakte zu Neonazis. Wegen eines Waffendeals, den er im vergangenen Jahr angebahnt haben soll, wird derzeit gegen ihn ermittelt: Einem ehemaligen Bandmitglied von „Oidoxie“ soll er zwei halbautomatische Pistolen angeboten haben. Bei Facebook waren Michel F. und der frühere Polizeibeamte aus Nordhessen befreundet.
Und noch ein weiterer Mann, der sich seit Jahren im braunen Sumpf der Region bewegt, hatte mit den Bandidos zu tun. Als Ende 2011 eine Gruppe von Bandidos aus Kassel und Leverkusen am Flughafen Hahn von der Polizei kontrolliert wurde, war auch Stephan L. aus Hannoversch Münden dabei. Der 41-Jährige ist seit den 90er Jahren immer wieder aufgefallen. Damals stand er in enger Verbindung zum Führungskreis der 1995 verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP). Zu einem FAP-Treffen reiste er zusammen mit dem braunen Kameradschaftsführer und heutigen NPD-Funktionär Thorsten Heise – ein Mann, der wie Michel F. auf der Liste der möglichen NSU-Unterstützer steht.
Große Nähe zur FAP
Den Kontakt zu Kameraden von damals hielt Stephan L. aber auch später noch. So etwa zu einem ehemaligen FAPler aus Göttingen, bei dem 2006 eine scharfe Maschinenpistole gefunden und gegen den, allerdings ergebnislos, wegen Terrorismusverdachts ermittelt wurde. 2008 feierte Stephan L. in einem Göttinger Stripclub mit Freunden aus seinem einstigen FAP-Umfeld, als ein anderer Rechtsextremer auf die Kameraden schoss.
Was der pensionierte Polizeibeamte aus Rotenburg mit Stephan L. zu tun hatte, welche Rolle er spielte – das werden die Abgeordneten im NSU-Ausschuss klären müssen. Auf eine Anfrage der Frankfurter Rundschau reagierte der Mann nicht. Das Bild, das er von sich in der Öffentlichkeit zeichnet, ist zumindest widersprüchlich. So kochte er im März zusammen mit Flüchtlingen und ließ sich von der Lokalzeitung wohlwollend zitieren. Auf seinem Facebookprofil teilte er dagegen flüchtlingsfeindliche Beiträge – unter anderem von der „Bürgerbewegung Pro NRW“, die als rechtsextrem vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Unterdessen betreibt die Staatsanwaltschaft Wiesbaden weiter das Ermittlungsverfahren, das sie aufgrund der Berichterstattung des Wiesbadener Kuriers eingeleitet hatte. Nicht gegen die beiden Polizeibeamten richtet es sich, sondern gegen unbekannt. Wegen Geheimnisverrats.