Streit und Hausverbot - Sachsens Tafeln kämpfen mit Flüchtlings-Andrang

Erstveröffentlicht: 
29.03.2016

Die Lebensmittel-Nachfrage bei den sächsischen Tafeln steigt, die Hilfe wird jetzt auch verstärkt von Flüchtlingen in Anspruch genommen. „Zehn bis 20 Prozent der Abholer sind inzwischen Ausländer“, sagt Dietmar Haase, der im Verband sächsischer Tafeln im Vorstand sitzt.

 

Leipzig/Döbeln/Oschatz. Die Lebensmittel-Nachfrage bei den sächsischen Tafeln steigt, die Hilfe wird jetzt auch verstärkt von Flüchtlingen in Anspruch genommen. „Zehn bis 20 Prozent der Abholer sind inzwischen Ausländer“, sagt Dietmar Haase, der im Verband sächsischer Tafeln im Vorstand sitzt. Engpässe verzeichne man bei den Waren bislang nicht, betont der 74-Jährige. „Es gibt allerdings regionale Unterschiede.“

 

So versorgte die Delitzscher Tafel bislang in der Region 2000 Personen im Monat, hinzu kommen nun etwa 100 Flüchtlinge. „Das Grundproblem ist schon lange da, nicht erst jetzt“, so Tafel-Vorsitzende Jutta Faak. Die Spendenbereitschaft sei nicht mehr so groß wie noch vor zehn Jahren. Ihre Helfer fahren bis nach Bayern, um Lebensmittel zu holen. Sie könne verstehen, dass andere Tafeln aufgeben oder Aufnahmestopps verhängen. „Wir können den Bedarf momentan noch abdecken“, sagt Faak. „Wie lange es noch so bleibt, kann ich nicht sagen.“

 

Ungewohntes Anstellen


Ähnlich angespannt ist die Lage in Döbeln. Etwa 650 Familien versorgt die Tafel dort pro Woche. Der Bedarf ist hier um ein Viertel gestiegen. Wie lange die Spenden noch ausreichen, um alle zu versorgen, ist ungewiss. Tafel-Chefin Elvira Illgen will keine Panik verbreiten, aber sie sagt klipp und klar: „Es kann passieren, dass es bald weniger für alle gibt.“

 

Auch in Thüringen bemerken die Tafeln die verstärkte Nachfrage nach Lebensmitteln. Knapp 18 Prozent mehr Bedürftige gebe es derzeit. „Ein enormer Anstieg“, sagt Nico Schäfer, Vorsitzender des Tafel-Landesverbands. Mit einem solch starken Zuwachs habe man nicht gerechnet, so der 35-Jährige. Momentan denken die Mitarbeiter darüber nach, entweder die Pakete zu verkleinern oder die Zahl der Ausgaben zu reduzieren.

 

Was so manchen Ehrenamtlichen noch mehr beunruhigt als die Knappheit der Nahrungsmittel: Immer wieder kommt es zu Streit zwischen deutschen Hilfsbedürftigen und Asylbewerbern. „Manchmal eskaliert es“, bestätigt Elvira Illgen aus Döbeln. Einige Flüchtlinge hielten sich nicht an die Ordnung, sie verstünden nicht, dass man sich in eine Schlange stellen muss, so die 59-Jährige. Und: „So mancher vergreift sich im Ton.“ Dann reagieren die Tafel-Mitarbeiter: Wer pöbelt, muss gehen.

 

In Oschatz griffen die Tafel-Helfer zu einer drastischen Lösung: In der Ausgabestelle sorgt nun ein Türsteher für Ordnung. Sie seien der Lage nicht mehr Herr geworden, sagt Rita Brückner, die die örtliche Tafel seit zehn Jahren leitet und dort wöchentlich 350 bis 400 Familien mit Lebensmitteln versorgt.

 

150 Flüchtlingsfamilien sind nun dazugekommen – die meisten seien dankbar und friedlich. Aber einige Asylbewerber schickten ihre Kinder vor, die unter die Tische kriechen und die Lebensmittel einfach selbst einpacken würden. Andere hätten die Ehrenamtlichen beschimpft. Seit sie den Türsteher engagiert hat, läuft es besser. „Wenn er da ist, haben alle Respekt.“

 

Wunsch nach Dolmetschern


In Leipzig sind solche Maßnahmen bisher nicht nötig. „Natürlich gibt es mehr Andrang“, bestätigt Angelika Wehmer, Projektleiterin der Leipziger Tafel, den Trend. Seit November vergangenen Jahres verzeichnen die Mitarbeiter einen Anstieg um 15 bis 20 Prozent. Etwa 12 000 Menschen kommen pro Monat in die Ausgabestellen, hinzu kommen nun 1500 Flüchtlinge. Konflikte unter den Bedürftigen beobachtet auch Wehmer. „Die Deutschen haben Angst, dass sie wegen der Flüchtlinge weniger abbekommen“, so die 63-Jährige. Grund für Futterneid gebe es allerdings keinen. Die Spendenbereitschaft sei in der Stadt gut. „Es ist genug für alle da“, so die Tafel-Chefin.

 

Kommt es zum Streit, versuchen die Ehrenamtlichen zu schlichten. Dolmetscher wünscht sich Dietmar Haase vom Landesverband. Auch Elvira Illgen aus Döbeln glaubt, dass Sprachvermittler die Arbeit der Tafeln erleichtern würden. Leipzigs Tafel-Chefin Angelika Wehmer sieht dagegen zuerst die Stadt in der Pflicht: „Ein bis zwei feste Stellen wären ein Segen.“