Reitschule: Mutmasslicher Bombenleger vor Gericht

Erstveröffentlicht: 
17.02.2016

Ein Konzert in der Berner Reitschule endete im August 2007 um ein Haar in einem Inferno. Seit Mittwoch steht der mutmassliche Bombenleger jener Nacht vor dem Bundesstrafgericht. Der Prozess verzögerte sich lange.

 

Mehr als 1000 Besucher feierten am 4. August 2007 in der Grossen Halle der Berner Reitschule, als einem Besucher der nach Benzin stinkende Rucksack beim Mischpult auffiel. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes trug diesen durch einen Seitenausgang nach draussen und deponierte ihn auf dem Trottoir. Als er den Rucksack öffnete, sah er Drähte und drei zusammengeklebte 1,5-Liter-PET-Flaschen. Er entfernte sich. Kurze Zeit später ging der Rucksack in Flammen auf – Zeugen sprechen von einem Feuerball mit mehreren Metern Durchmesser.

 

«Das versüsst einem den Morgen»


Ab heute steht der Mann vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona, der den Brandsatz gebaut und in der Grossen Halle deponiert haben soll. Der 26-jährige Seeländer hat unter dem Pseudonym «Eidgenosse88» im Forum der Neonazi-Organisation Blood and Honour diverse Beiträge geschrieben. Bilder zeigen ihn mit Waffen posierend oder bekleidet mit T-Shirts von Combat 18 (Kampftruppe Adolf Hitler), dem «bewaffneten Arm» von Blood an Honour. Laut der linken Informationsplattform Indymedia.ch hat er am Morgen nach dem Anschlag, noch bevor die Medien darüber berichtet hatten, seine Freude kundgetan: «Das versüsst einem den Sonntagmorgen», habe er ins Blood-and-Honour-Forum geschrieben.

 

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Mann unter anderem Gefährdung durch Sprengstoff in verbrecherischer Absicht vor. Das Bundesstrafgericht muss nun entscheiden, wie weit man dem Beschuldigten den Anschlag nachweisen kann. Weil an den Überresten des Brandsatzes seine DNA gefunden wurde, ist klar, dass er die Teile berührt hatte. Wann und weshalb, ist aber unklar. Auch gibt es keinen Zeugen, der ihn in der Tatnacht bei der Reitschule gesehen hat.

 

Ermittlungen zweimal eingestellt


Lange war nicht sicher, dass es überhaupt zu einer Anklage kommt. Im März 2008 stellt das Berner Untersuchungsrichteramt die Ermittlungen mangels Ergebnis ein. Im Dezember 2009 beantragt der Beschuldigte einen Waffenerwerbsschein – und bringt die Ermittlungen damit selbst wieder ins Rollen. Die Berner Kantonspolizei kontaktiert den Nachrichtendienst des Bundes und erfährt, dass der Beschuldigte in rechtsextremen Gruppierungen verkehrt. Sie durchsucht seine Wohnung und findet diverse Gewehre, Pistolen, weitere Waffen und Material, um Brandsätze zu bauen. Die Polizei nimmt eine DNA-Probe des Mannes und weist so die Verbindung zum Brandanschlag auf die Reitschule nach.

 

Im Februar 2012 übergeben die Berner Strafverfolger den Fall an die Bundesanwaltschaft. Im Januar 2013 stellt diese das Verfahren ein. Dem Mann könne keine Beteiligung am Anschlag nachgewiesen werden. Der Rechtsbeistand der Festivalveranstalter reicht gegen die Einstellung Beschwerde ein – und bekommt vom Bundesstrafgericht recht. Anders als die Bundesanwaltschaft erachtet das Gericht eine Verurteilung als wahrscheinlich genug, um Anklage zu erheben.

 

Es erinnert an den Grundsatz «in dubio pro duriore» (im Zweifel für das Härtere», der für Staatsanwälte gilt, und massregelt die Bundesanwaltschaft: Sie sei «nicht dazu berufen, über Recht oder Unrecht zu richten». Das Gericht verkündet sein Urteil voraussichtlich am Donnerstag. (Der Bund)