Gesprächsbedarf auf beiden Seiten - Gespaltene Gesellschaft im Haidach

Erstveröffentlicht: 
16.02.2016

Nach der teils aggressiven Bürger-Information am Freitag im CongressCentrum Pforzheim will Oberbürgermeister Gert Hager reagieren. Er sieht die Gefahr einer Parallelgesellschaft. Rostislav Glushko, Mitorganisator der Demonstration vom Haidach, wirbt um Verständnis und Dialog und geht auf Abstand zu Rechtsradikalen.

 

Der Schrecken sitzt noch immer tief nach der Bürger-Information am Freitagabend im CongressCentrum zum Thema „Sicherheit und Kriminalität in Pforzheim und auf dem Haidach“ (die PZ berichtete). Das ganze Wochenende über war der aggressive Ton von Teilen der rund 300 Besucher, die Zwischenrufe, das Ausbuhen missliebiger Beiträge und das Bejubeln von Wortmeldungen aus den eigenen Reihen zur Flüchtlingspolitik Thema bei Kommunalpolitikern. Am Montagvormittag auch bei einigen Gesprächsrunden im Rathaus.

 

Risiko der Parallelgesellschaft

„Es war sehr enttäuschend, dass diejenigen, für die wir die Veranstaltung gemacht haben, andere nicht zu Wort kommen ließen“, sagte der Erste Bürgermeister Roger Heidt, der am Freitagabend für die Stadt als Gastgeber fungierte. „Ich sehe die Gefahr einer Parallelgesellschaft.“ Bekanntlich hatte die Stadt mit dieser Info-Veranstaltung auf eine hauptsächlich aus Kreisen von Pforzheimer Spätaussiedlern organisierte Kundgebung am 24. Januar auf dem Marktplatz reagiert. Diese hatte sich gegen angeblich verschwiegene Gewalttaten gerichtet, die im Wesentlichen muslimischen Zuwanderern zugeordnet werden. „Ich erwarte, dass alle, die hierher kommen und alle, die hier leben, die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung akzeptieren und leben“, sagte Heidt weiter.

 

„Müssen uns mehr anstrengen“

Das Thema hat auch OB Gert Hager erreicht. „Der Freitag hat deutlich gemacht, dass der Haidach ein sehr sicherer Stadtteil ist. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache.“ Gleichwohl gebe es offenbar bei Teilen der neu zugezogenen Bevölkerung im Haidach eine gefühlte Unsicherheit, wie Hager einräumte. „Dem müssen und werden wir Rechnung tragen. Dazu brauchen wir allerdings keine Bürgerwehren.“ Eine ganz andere Frage stelle sich ihm hinsichtlich des einen oder anderen Wortbeitrags am Freitag. Abgesehen davon, dass offenbar ein nicht geringer Anteil der Anwesenden nicht aus Pforzheim gekommen sei, gelte es darüber nachzudenken, ob die Stadt ihre Anstrengungen bei der Integration nicht deutlich ausweiten müsse. „Ich nehme auch an, dass wir uns stärker anstrengen müssen, die Menschen in ihren Milieus anzusprechen und sie stärker einzubinden“, sagte Hager.

 

„Zu früh in Rente geschickt“

Wie das vor sich gehen könnte, ist unterdessen offen. Auch deshalb, weil viele Besucher offenbar nicht die langjährig bekannten, verwurzelten und integrierten Russlanddeutschen vom Haidach vertraten, wie Waldemar Meser als Sprecher der in den 1990er-Jahren gegründeten Elterninitiative des Stadtteils der PZ sagte. Die Community sei gespalten, worauf er seit langem hinweise, ohne Gehör zu finden. Was ihn traurig stimme, sei, dass seine Elterninitiative als ein Bindeglied zu vielen Organisationen „zu früh in Rente geschickt wurde.

 

„Wir wollen den Dialog“

„Es hat mich sehr gestört, dass sich einige Menschen an dem Abend aus verschiedenen Gründen nicht beherrschen konnten“, sagte auch Rostislav Glushko, einer der Organisatoren der Kundgebung vom 24. Januar. Es seien viele Leute dagewesen, und offensichtlich habe jeder seine Gründe gehabt, unzufrieden zu sein. „Es war auch die rechtsradikale Gruppe da, aber weder meine Kollegen noch ich teilen ihre Ansichten oder Interessen. Deshalb können wir die Aufregung der Mitglieder dieser rechtsradikalen Gruppe nicht erklären“, erläuterte der Industriekaufmann weiter. „Andere Leute waren aggressiv auf uns, weil ihnen aus den Medien eine total falsche Meinung vermittelt wurde: dass wir rechtsradikal oder Agenten vom Putin seien und angeblich etwas gegen Flüchtlinge und Moslems haben.“ Dies sei Folge des falschen Interpretierens ihrer Interessen durch die Medien. „Die Unzufriedenheit unserer Leute beruht genau auf diesem falschen Ruf, der uns in den Schmutz zieht und solche Aggression von anderen Mitbürgern mit sich bringt.“ Das habe sich auch am vergangenen Freitag gezeigt.

 

Zu dem Abend seien viele Leute vom Haidach „mit Respekt zur Dialogbereitschaft der Stadtverwaltung“ gekommen. Über die Besucher aus anderen Städten sei ihm nichts bekannt. „Wir wollen den Dialog mit der Stadtverwaltung mit Respekt weiterführen und bitten die Stadtverwaltung, uns dafür eine Plattform zu geben. So, dass wir selbst und unsere Interessen von der Stadtverwaltung und der Presse korrekt identifiziert und dargestellt werden.“