HH: Breite Straße 9. Prozesstag, Vorenthaltene Infos, 3 Polizei-Zeugen und mehr

Solidarität mit den Betroffenen der Breite Straße

Zu Beginn der Verhandlung verkündet Richter Halbach, dass die Aussagegenehmigung des Polizeizeugen „Fallführer“ Richters erweitert wurde. Richters hatte sich in den vergangenen Tagen bei unangenehmen Fragen stets auf diese beschränkte Aussagegenehmigung berufen und muss nun noch einmal zu bisher unbeantworteten Fragen vernommen werden.

Die Verteidigung beantragt die Aussetzung des Verfahrens wegen der Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Breite Straße Verfahren am 26.1.2016. Diese fand gegen eine nicht im aktuellen Verfahren angeklagte Person statt, die tateinheitlich mit den Angeklagten agiert haben soll. Die entsprechende Akte muss der Verteidigung zur Verfügung gestellt werden bevor das Verfahren weiter geführt wird.
Es ist bekannt, dass die von der Hausdurchsuchung betroffene Person schon DNA abgeben musste, es wurde dann aber nicht weiter gegen diese ermittelt. Der „Fallführer“ Richters war bei der Hausdurchsuchung anwesend, die Relevanz für das Verfahren ergibt sich allein schon daraus, dass das Gericht Richters zu diesen Fragen hören will.
Halbach will zu gegebener Zeit darüber entscheiden, aber nicht sofort. Er berichtet die entsprechende Akte bereits am 19.Januar angefragt zu haben, aber am 27.Januar die Antwort erhalten habe, die Akte sei derzeit nicht entbehrlich.
Der Staatsanwalt gibt an, dass die Hausdurchsuchung nicht ausgewertet sei und darum für die Befragung aus seiner Sicht auch nicht relevant.
Die Verteidigung stellt klar, dass an dieser Stelle wieder einmal Informationen vorenthalten wurden und werden. Es wird durch Richters und durch die Staatsanwaltschaft Information vorenthalten, die Staatsanwaltschaft kennt als einzige die vollständigen Akten. Sie ist in der Lage Fragen zu stellen oder nicht zu stellen, es gibt keine Waffengleichheit.
Der Staatsanwalt ist aufgebracht, die Verteidigung würde behaupten, dass der Zeuge Richters lügen würde. Zudem ginge es nicht im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung von diktatorischer Manier zu sprechen. Dies möchte er protokollieren lassen. Außerdem werde natürlich weiterhin verdeckt und intern ermittelt.
Halbach verweigert ihm die Protokollierung und will sein heutiges Programm durchziehen. Falls sich nachträglich Hinweise ergeben müssten eben Zeugenvernehmungen wiederholt werden.
Die Verteidigung beanstandet dieses Vorgehen und beantragt einen Gerichtsbeschluss. Sie stellt noch einmal klar, dass Halbach aufgrund von Vermutungen agiert und es vor der Weiterführung des Prozesses die Akte braucht!

 

Nach einer kurzen Pause verkündet Richter Halbach den Beschluss, dass es zulässig sei die Zeugen zu hören.

Es wird Zeuge Marco Nikolaus, 58 Jahre alt, geboren 1.10.57 aufgerufen. Richter Halbach beginnt die Befragung wie sich der Zeuge vorbereitet hat und es stellt sich heraus, dass er sich seine damalige Aussage angesehen hat und aus seiner Erinnerung erzählen kann.
Er gehörte zur technischen Hundertschaft und war Gruppenführer der technischen Gruppe. Seine Funktion war die Lösung von technischen Problemen. Die 4. Hundertschaft ist mit dem Auftrag „Raumschutz“ vor dem Haus Breite Straße 116 gehalten und hat versucht sich ein Lagebild, eine Gefahrenanalyse, zu machen. Die Frage war ob die Tür geöffnet werden könne. Er kam zu dem Schluss, dass können sie und informierte den Zugführer. Wegen Bewurf haben sie auf die Schildleute gewartet und sind dann mit den Schildleuten zu viert zur Tür. Nach einer Viertelstunde war sichtbar, dass noch Türen im Treppenhaus sind und sie haben dann die andere Tür aufgemacht, wofür sie eine Stunde gebraucht haben.

 

Halbach fragt wo die Polizist_innen mit der Kettensäge stand. Nikolaus gibt an er habe beaufsichtigt und sei mal ganz vorn, mal 4-5 Meter zurück gewesen, 4 Schildleute seien zur Sicherung da gewesen, 3 Polizist_innen hätten gesägt. Diese seien direkt an der Tür gewesen.

Halbach beginnt wieder nach einzelnen Gegenständen zu fragen, nach der Gefährlichkeit des Bewurfs, was flog wann wohin usw.
Nikolaus sagt aus, dass dauernd Flaschen und Böller geflogen seien, bevor der Sägetrupp zur Tür sei, sei auch ein Waschbecken von oben auf den Bürgersteig ca. 1 Meter links von der Tür geflogen. Da stand jedoch niemand. Es habe eine Gefahrenanalyse gegeben. Eine Tür flog von Oben als der Sägetrupp zur Tür ging. Diese landete etwa 3-4 Meter vom Trupp entfernt.
Halbach fragt nach der Flugbahn der Tür.
Nikolaus sagt, diese sei wedelnd geflogen und mit der schmalen Seite aufgekommen.
Halbach fragt ob es die Gefahr gab, dass der Trupp getroffen werde oder ob er geschützt gewesen sei.
Nikolaus sagt aus, der Bewurf kam von der Seite, er weiß nicht aus welchem Fenster. Die schweren Gegenstände hätten sie nicht erreichen können, da sie gerade nach unten fielen. Alles sei 3-5 Meter links von ihnen aufgeschlagen. Es habe keine Gefährdung gegeben.

Halbach sagt, er nimmt an, Nikolaus sei verantwortlich für seine Leute.
Nikolaus gibt an, dass seine Annahme war, dass sie Farbe und Böller abbekommen wovor die Schilde schützen. Für Gefahr durch schwere Gegenstände seien sie zu weit weg gewesen, sie seien also relativ wenig gefährdet gewesen.
Halbach fragt, auch die Tür und das Waschbecken haben keine Gefährdung dargestellt?
Nikolaus verneint. Durch die Großen Teile gab es keine Gefährdung.
Halbach fragt nach sonstigen Gegenständen.
Nikolaus gibt an, dass ein Feuerlöscher entleert wurde, sie haben weitergemacht als die Luft wieder atembar war.
Halbach fragt das höre sich ja an als ob es gar nicht die Absicht gegeben habe die Beamten zu treffen?
Nikolaus sagt er habe die jungen Beamten beruhigt, die Einschätzung war, dass sie nicht getroffen werden.
Halbach fragt nach Verletzungen. Nikolaus gibt an, dass es Ohrenschäden durch sog. „Polenböller“ gegeben habe.
Halbach liest aus dem Protokoll vor, dass durch die schweren Gegenstände eine Gefährdung ausgeschlossen sei und die Gefahr durch Böller und Farbe minimal sei. Nikolaus bestätigt dies. Weiter liest Halbach vor, dass das Waschbecken im Protokoll ca 1. Meter entfernt aufgekommen sei, heute sage Nikolaus es sei weit entfernt gewesen.
Zum Ende gibt es noch ein paar Fragen des Beisitzers, ob es extra Beamte zum warnen der Kollegen gab, worauf Nikolaus erwidert, das dies kein extra Bereich ist und Teil seiner Aufgabe war.

 

Der Staatsanwalt fragt nach weiteren Personen auf dem Bürgersteig, sowie nach Verletzungen und Sachschäden. Nikolaus antwortet, der Bürgersteig sei von anderen Beamten abgesperrt gewesen. Direkte Kollegen von ihm seien nicht durch Verletzung ausgefallen, ihre Uniformen seien voll mit Farbe gewesen und daher entsorgt worden.
Nach kurzer Unterbrechung zur Beratung der Rechtsanwält_innen, sagen diese, dass sei keine Fragen stellen möchte.

Der nächste Zeuge ist erst zu einem späteren Zeitpunkt geladen, daher gibt es eine längere Pause. Zum Ende der Pause sagt Halbach, dass er gerade erst festgestellt habe, dass der Zeuge doch erst eine weitere halbe Stunde später geladen ist.

 

Als es wieder los geht, möchte die Verteidigung wissen, ob ein bestimmter Zuschauer – der immer Anwesend ist und mitschreibt und heute als einziger gewusst zu haben schien, wann der Zeuge geladen ist, da er nach der Pause erst jetzt erschien – beruflich, im Auftrag der Polizei oder zur Begleitung der Zeugen tätig sei.
Der Zuschauer gibt an ein interessierter Rentner zu sein.

 

Halbach ruft darauf den Polizeizeuge Patrik Schwarz, 26 Jahre auf.
Er war als Fahrer in der 5. Hundertschaft an dem Einsatz beteiligt. Er saß in seinem Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand auf der vom Haus am weitesten entfernten Straßenseite, Höhe Breitestr.116. In der Mitte der Straße befindet sich eine grüne Verkehrsinsel, die die Fahrbahnrichtungen trennt. Vor dem Einsatz seien sie im PK 21 (Mörkenstr.)bereitgestellt gewesen. Er habe eine gute Sicht gehabt und Würfe auf Polizeikräfte und Fahrzeuge gesehen, was wann flog erinnert er nicht, aber es sei 1 Türblatt, 1 Keramikbecken, 2 erst auf Polizei entleerte Farbeimer, 2 Feuerlöscher, Böller und Glasbehälter mit Farbe. Halbach hat konkrete Nachfragen bezüglich der Tür, dem Waschbecken und ob der Feuerlöscher gezielt auf Beamte geworfen wurde. Schwarz erinnert sich nicht an die Farbe der gefolgenen Tür, weiß nicht aus welchem Fenster sie fiel, glaubt sie kam aus dem 3.Stock, er habe nur gesehen dass sie fiel. Sie sei flach gefallen. Wo sie aufkam konnte er nicht sehen, da ein Einsatzfahrzeug der 4. Hundertschaft davor stand. Das Waschbecken sei auf dem Sims auf einer Figur zertrümmert worden. Andere Gegenstände habe er nicht wahrgenommen. Der Wurf des Feuerlöschers habe den Anschein gehabt gezielt geworfen zu sein, aber sehen konnte nicht, ob getroffen wurde. Die Beamten an der Tür glaubt er, seien auch durch das Fahrzeug verdeckt gewesen. Er habe seinen Bericht noch mal gelesen und würde sich auch erinnern.

 

Auf Fragen der Verteidigung gibt er an bei losfahrt, nur gewusst zu haben, dass sie sich bewegen, nicht weswegen. Seinen Bericht habe er vor 1 Woche gelesen, zur Auffrischung sei er auch noch mal vor Ort gewesen – aus eigenem Impuls und auf Anraten von Strohmann, dieser habe ihm auch gesagt, dass er die Wahrheit sagen müsse und keine Interna sagen dürfe. Zur moralischen Unterstützung habe ihn auch ein Kollege begleitet, der im Zuschauerraum sitzt.

 

Nach der Mittagspause wird der Polizist Hartmut Oldenbusch, 53 Jahre vernommen.
Er ist wie Nikolaus in der 4. Hundertschaft bei der Technik. An dem Abend der Besetzung war er Führungsgehilfe. Sie seien kurz vor Mitternacht vorgefahren weil es hieß das Haus sei besetzt. Sie haben sich alles angesehen und geschaut wie sie die Tür auf bekommen. Herr Nikolaus entschied dass die linke Tür aufgemacht werden würde. In der Besprechung davor kam auch die Möglichkeit über das Dach zu gehen zur Sprache, aber sie haben beschlossen die Tür aufzumachen. Von einem Austausch zwischen den Chefs der Hundertschaft 4 & 5 weiß er nichts.

 

Er selbst habe den Zeitplan, das Zeitprotokoll geführt. Das könne man sich so vorstellen, dass er die meiste Zeit auf der Mittelinsel gestanden habe und wechselnd auf seine Armbanduhr, das Haus und sein Merkbuch in das er notierte gesehen habe. Zwischendrin sei er mehrmals zu Besprechungen gegangen.
Ein Trupp sei dann mit Schildern zur Tür, ein anderer mit technischem Gerät. Nachdem der Feuerlöscher ausgelöst worden sei haben sie sich kurz zurückgezogen bis die Luft wieder gut war. Nachdem die linke Tür auf war und sie dahinter Barrikaden entdeckt haben, haben sie die rechte Tür aufgemacht.

Halbach beginnt wieder nach dem Bewurf zu fragen. Was geworfen wurde.
Der Zeuge sagt aus zu Beginn sei ein Eimer mit roter Farbe ausgekippt worden, dann ein Waschbecken oder Teile davon, dann mehrere Feuerlöscher, einer davon ausgelöst, später ein Eimer mit grüner bzw. türkiser Farbe. Vom Waschbecken habe er nur ein Porzellanteil gesehen, später habe sein Kollege Lehmann erzählt er habe was davon ab bekommen. Er hat das aber nicht gesehen, auch nicht wo es gelandet ist.
Bei einer Nachtspeicherheizung habe er gesehen wie sie aus dem Fenster geworfen wurde. Diese landete 7 Meter von dem Räumtrupp entfernt. Es stand dort niemand in der Nähe. Ob vorher wer geguckt hat und wie viele Personen diese raus geschoben haben hat er nicht gesehen.
Von einer Tür hat er gehört, aber keine gesehen.
Ihm ist nichts passiert.

 

Er hat sich auf die Aussage mit dem Protokoll vorbereitet und aus seiner Erinnerung. Er war schon zuvor bei Hausbesetzungen eingesetzt, aber die Intensität diesmal war stärker. Das Protokoll hat er von Richters, nachdem er die Ladung bekam, per E-Mail zugeschickt bekommen.
Zudem hat er mit Herrn Buzinzki gesprochen, aber nur kurz über den Aufbau des Gerichtssaals. Das mache er normalerweise nicht, aber dies sei ein besonderes Verfahren. Auch sei auf der Wache beschlossen worden, dass niemand alleine kommen solle sondern immer ein anderer Polizist zur „moralischen Unterstützung“ dabei sei. Zum Beispiel wenn er danach wegen unangenehmen Fragen nicht mehr sicher Auto fahren könne.

In Folge legt die Verteidigung ein Foto mit den Eingängen vor, anhand dessen der Zeuge beschreibt welcher Eingang zuerst aufgemacht wurde.

Der Zeuge sagt die Böller seien lauter gewesen als er es von Silvester kennt. Befragt was das bedeute sagt er, das sei aus seiner privaten Erfahrung, er selbst böllere nicht, aber in der Nachbarschaft werde geböllert. Er könne aber nicht sagen was die Nachbar_innen für Böller verwenden.

Sie seien vor dem Einsatz an der Breite Straße als Raumschutzkräfte in der Innenstadt unterwegs gewesen im Bezug auf die Squatting Days. Gesammelt und 5-10 Minuten besprochen hätten sie sich dann auf dem Fischmarkt. Auf der Anfahrt zum Fischmarkt habe er von der Hausbesetzung erfahren.

 

Zum Ende des Prozesstages verteilt Halbach die Kopie der Gegenvorstellung des LKA zur Aussagegenehmigung von Richters und weist die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass es nicht geht zu sagen die Akte der von der neusten Hausdurchsuchung betroffenen Person sei unabkömmlich.

 

Für den nächsten Termin hat er sechs Zeug_innen von der Polizei geladen. Der Tag startet um 9 Uhr mit Polizistin Kilz, 10 Uhr Polizist Lehmann, 11 Uhr Polizist Koch, 13 Uhr Polizist Posselt, 14 Uhr Polizist Ritter, 15 Uhr Polizist Staack.

 

Es wird bekannt gegeben, dass die Sommerferien vom 8.-19. August und vom 5. bis 16. September sein werden.

 

Kommt zu dem Prozess und haltet euch auf dem Laufenden, z.B. hier: https://breitesoli.noblogs.org