CDU-Parteitag in Thüringen: Kokettieren mit der AfD ist vorbei

Erstveröffentlicht: 
07.12.2015
Mohring auf Abgrenzungskurs / Seehofer redet der Basis ins Gewissen
VON ANDREAS DEBSKI

 

Zeulenroda. Der Sündenfall ist längst noch nicht vergessen. Genau ein Jahr ist es her, als Mike Mohring der Versuchung zu erliegen drohte, vom Apfel namens AfD zu naschen. Dem Thüringer CDU-Chef mag es vordergründig darum gegangen sein, Bodo Ramelow als ersten Linken-Ministerpräsidenten Deutschlands zu verhindern. Tatsächlich war die Versuchung wohl sehr groß, mit Hilfe der Rechtsableger um Björn Höcke und gegen den Rat von Kanzlerin Angela Merkel selbst auf dem Regierungssessel Platz nehmen zu können. Vom Gestus der Macht ist 365 Tage später, auf dem CDU-Landesparteitag am Sonnabend in Zeulenroda-Triebes, kaum noch etwas zu spüren: Mike Mohring interpretiert die Rolle des Oppositionsführers auf seine eigene, bissige Weise – und distanziert sich, ganz auf Linie der Bundespartei, von der im rechtsextremen Milieu angekommenen Alternative für Deutschland (AfD).

 

In Anlehnung an ein Zitat des langjährigen CSU-Protagonisten Franz Josef Strauß sagt der Thüringer CDU-Partei- und Fraktionschef dieser Zeitung: „Rechts von uns darf kein Platz für eine demokratische Partei sein.“ Das Kokettieren mit der AfD soll der Vergangenheit angehören, er will sowohl die verunsicherten CDU-Stammwähler auf dem Land als auch die besorgten Bürger wieder einfangen. Es scheint zu gelingen: Noch nie gab es mehr Beifall und gar stehende Ovationen für Mohring als in Zeulenroda-Triebes. Dabei profitiert er zweifellos von der von ihm inspirierten Dramaturgie des Parteitages: Eine vertrauensbildende Maßnahme reiht sich an die nächste, ein Appell zur Geschlossenheit folgt auf den anderen.

 

Gleich zu Beginn wird eine Videobotschaft von Angela Merkel eingespielt, die dem noch unlängst verschmähten jungen Wilden verbal übers Haupt streicht. Die Thüringer CDU habe mit Mohring die besseren Konzepte als die linke Landesregierung, diese Botschaft müsse die Union in voller Geschlossenheit in den Freistaat hineintragen. Danach folgt der Auftritt des Parteichefs selbst: In einer fast einstündigen, frei gehaltenen Rede spricht der seit zwölf Monaten amtierende 43-Jährige alle Punkte an, die der Basis momentan das Leben schwer machen – von den Kommunalfinanzen über die Gemeindereform und das Flüchtlingsthema bis hin zu eben jener leidigen AfD und dem daraus resultierenden Unionsdilemma. „Wer sich so an den politischen Rand stellt, hat in unserer Demokratie nichts zu suchen“, ruft Mohring in den Saal und holt sich einen erleichtert wirkenden Applaus ab. Später wird er, gegenüber dieser Zeitung, noch hinzufügen: „Die AfD ist nicht parlamentstauglich, sie spaltet die Bevölkerung, mit ihr kann man keine Politik machen.“ Klare Ansagen, die von dem CDU-Landesvorsitzenden lange vermisst wurden. Trotz des ungewissen Kurses liegt die Thüringer Union in Umfragen aktuell bei 35 Prozent, was einem leichten Zuwachs zum Wahlergebnis von 2014 entspricht. Doch gleichzeitig wächst die Beliebtheit von Bodo Ramelow zusehends: Zwei von drei Thüringern sind mit der Arbeit des Linken-Ministerpräsidenten zufrieden, selbst jeder zweite CDU-Anhänger bewertet ihn positiv. Kein Wunder, dass auch in dieser Hinsicht bei der Union die Alarmsignale schrillen.

 

Zur politischen Wahrheit gehöre auch, dass sich die Union selbst um die abtrünnigen Geister kümmern muss, macht deshalb der prominenteste Gast des Parteitages klar – Horst Seehofer redet, wie zuvor schon Mohring, der Basis deutlich ins Gewissen. Der bayerische CSU-Chef und Ministerpräsident warnt in einem gefeierten, einstündigen Auftritt zum einen vor der Arroganz der Macht, die auch seine über Jahrzehnte allein regierende Partei ergriffen hatte, bevor es wieder aufwärts ging. Zum zweiten hadert Seehofer mit dem Anwachsen der AfD: „Rechts von uns ist eine Bewegung entstanden, die mir Sorgen bereitet und die für uns alle eine Herausforderung ist.“ Deren Wählerpotenzial liege bei bis zu 20 Prozent, schätzt Volkstribun Seehofer, und rät deshalb, das Ohr an der Masse zu haben und deren Probleme ernst zu nehmen. „Diesen Dingen wird man nicht Herr werden, wenn man sie verschweigt.“

 

Bei der Basis kommt all das bestens an. „Mike Mohring hat das richtige Signal zum richtigen Zeitpunkt gesetzt – kämpferisch, aussagekräftig, aber auch kritikfähig“, sagt Christiane Arndt vom CDU-Kreisvorstand aus dem Altenburger Land. Auch Ex-Regierungschef Dieter Althaus, der als Delegierter für das Eichsfeld anwesend ist, stellt Mohring ein gutes Zeugnis aus: „Er hat eine klare Richtungsaussage getroffen, ganz unmissverständlich. Das war für die Partei sehr wichtig. Und die Abgrenzung zur AfD ist jetzt ganz eindeutig.“ Das sieht auch Christoph Zippel, CDU-Landtagsabgeordneter aus Altenburg, so. „Mike Mohring hat die Stimmung in der Partei sehr gut aufgenommen und hat dabei auch schonungslos die Probleme angesprochen. Die Positionierung zur AfD war genauso wichtig, denen geht es nur um Hetze und Polemik.“

 

Wer Mohring „spätestens 2019“ – bei einem entsprechenden Wahlergebnis – an die Spitze des Freistaates heben soll, wird auf dem Parteitag in Zeulenroda ebenfalls klar: Der CDU-Chef ruft, wie auch der Junge-Union-Vorsitzende Stefan Gruner, sowohl SPD als auch Grüne unverhohlen zum Koalitionsbruch auf. „Wir sind die Regierung im Wartestand“, macht Mohring klar. Und Seehofer tut es Angela Merkel gleich: „Ihr habt einen Leader. Ich habe den Eltern von Mike Mohring heute zu ihrem Sohn gratuliert“, lobt der CSU-Chef vom Rednerpult in den Saal. Und abermals wirken die Delegierten sichtlich erleichtert, wenn nicht sogar beseelt. Die Thüringer CDU-Seele hat derartigen Balsam momentan bitter nötig.