Geheimdienst-Mitarbeiter haben häufig zwei Identitäten. Doch welche Landesbehörden echte Pässe auf falsche Namen ausstellen und wie viele Tarn-Pässe im Umlauf sind, das weiß nicht einmal die Bundesregierung.
Von Frederik Obermaier
Die Tarnung der Polizistin war gut. Im Schlepptau eines jungen Mannes - Dreadlocks auf dem Kopf, ein frecher Spruch auf dem T-Shirt - tauchte sie in Hamburg auf. Sie machte sich im Szenetreff Rote Flora nützlich, reiste zu einem antirassistischen "No Border Camp", teilte mit Aktivisten Bier - und auch ihr Bett. Die Polizistin hatte offenbar sogar einen echten Pass auf ihren falschen Namen. Sie hatte also zwei Identitäten: die der Polizistin und die der Linksaktivistin, beide ausgestattet mit den nötigen Papieren. Als Aktivistin hieß sie Maria Block. Der Vorname stimmt sogar mit ihrem Geburtsnamen überein, nur ihr Nachname ist in "echt" ein anderer. Aber was ist in dem Metier schon echt und unecht?
In Deutschland haben qua Gesetz mehrere Bundesbehörden die Erlaubnis, solch gespaltene Persönlichkeiten zu erschaffen: das Bundeskriminalamt, der Militärische Abschirmdienst, die Bundespolizei, der Bundesnachrichtendienst, Zollkriminalamt, Verfassungsschutz, hinzu kommen allerlei Landesbehörden. Allerdings: Wer in den Bundesländern echte Pässe auf falsche Namen ausstellen kann, weiß nicht einmal die Bundesregierung. Für eine zentrale Statistik bestehe jedenfalls "kein fachlicher Bedarf", erklärt das Innenministerium auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.
Die Bundesregierung ist nicht nur unwissend, was das Treiben der Länder angeht, sie weiß auch nicht, wie viele Deutsche von Bundesbehörden mit Tarnpapieren ausgestattet sind, geschweige denn wie viele Ausländer. Dies geht aus der Antwort auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko hervor, die der SZ vorliegt.
Theoretisch könnten die Inhaber von Tarnpapieren sogar zweimal wählen gehen
"Es ist eine Bankrotterklärung des Rechtsstaats, wenn dieser nicht weiß, wie viele unechte Bürger ihm angehören", sagt der Linkspartei-Abgeordnete Hunko. Theoretisch könnten die Doppel-Identitätler sogar zweimal wählen gehen: einmal auf ihren echten Namen, ein zweites Mal mit ihren Tarnpapieren. Der Ausweis ist ja echt, er trägt nur den falschen Namen. Dem Missbrauch jedenfalls sind Tür und Tor geöffnet, nicht nur bei Wahlen. Erst 2000 wurde beispielsweise ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes wegen Betrugs und Urkundenfälschung verurteilt - er hatte die Tat unter seiner Tarnidentität begangen. Ein ähnliches Verfahren gegen einen weiteren Geheimdienstler wurde 2008 gegen Auflage eingestellt.
Auch bei der Hamburger Polizistin wurden Vorwürfe laut, sie habe sich unter ihrem falschen Namen an Straftaten beteiligt, habe bei Demonstrationen Polizeiketten durchbrochen, sei in ein Haus eingestiegen. Aufgeflogen ist die Polizistin mit den zwei Identitäten übrigens, weil Aktivisten ihr Foto auf dem Titelblatt einer Polizeizeitschrift entdeckten. Darauf war zu sehen, wie sie - in Uniform - lächelnd in der Tür eines Polizeiautos steht. Die Sache war eindeutig. In so einem Fall hilft auch ein zweiter Pass nichts mehr.