70 Jahre nach seiner Ermordung: Schau würdigt Carl Friedrich Goerdeler

Erstveröffentlicht: 
19.11.2015
Stiftung und Stadt beleuchten Leben und Widerstand des früheren Oberbürgermeisters gegen das Naziregime VON ANGELIKA RAULIEN

 

Der Alte Senatssaal der Universität Leipzig in der Ritterstraße bot am Dienstag den würdigen Rahmen für die feierliche Eröffnung einer Ausstellung, die dem vor 70 Jahren aufgrund seines Engagements im Widerstand von den Nazis ermordeten Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler (1884–1945) in den Mittelpunkt rückt. Sie wurde auf Initiative der „Carl und Anneliese Goerdeler“-Stiftung und der Stadt konzipiert. Passend zum Jubiläum „1000 Jahre Leipzig, in dem es angemessen ist, dass die Stadt einen ihrer verdienstvollen Söhne würdigt“, wie Uni-Rektorin Beate Schücking betonte. Mit Blick auf die Wahl des Vernissage-Ortes verwies sie zugleich auf die enge Freundschaft, die Goerdeler mit einem ihrer Amtsvorgänger, mit Theodor Litt, verband: 1931/32 hatte auch er sich als Uni-Rektor den nationalsozialistischen Umtrieben in der Stadt entgegengestellt und – nach häufigen Zusammenstößen mit der hiesigen NSDAP – 1936 vorzeitig seine Emeritierung eingereicht. Ebenso wie Goerdeler. OBM seit 1930, hatte er insbesondere Hitlers wahnwitzige Judenpolitik nicht mehr mittragen wollen und Ende 1936 seinen Rücktritt erklärt.

 

Einer der Enkel des früheren Stadtoberhauptes und Vorsitzender des Stiftungs-Kuratoriums, Berthold Goerdeler, verwies dann auf die Schau. Unter anderem verdeutlicht sie, wie der Großvater nach Hitlers Machtergreifung 1933 als einer der wenigen OBM nicht in die NSDAP eintritt; den „legalen Machtwechsel“ zunächst aber hinnimmt, im Glauben, trotz grundsätzlicher weltanschaulicher Gegensätze das Ganze beeinflussen zu können; wie er sich letztlich aber zum Kritiker bis hin zum führenden Kopf im Widerstand gegen das Regime entwickelt. Festredner Historiker Peter Hoffmann von der McGill University Montreal (schrieb auch die Stauffenberg-Biografie), stellte Goerdelers Leben in den Kontext seiner Zeit; beleuchtete dessen Kampf für die Rechte der Juden. „Wie kaum eine andere Epoche prägt die des Nationalsozialismus unser Land bis in die Gegenwart“, gab Bundesinnenminister Thomas de Maizière in einem vom Goerdeler-Enkel Rainer Goerdeler verlesenen Grußwort zu bedenken.

 

„Gemessen an der damaligen Gesamtbevölkerung waren es nur wenige, die sich dem Nazi-Regime entgegenstellten. Und wenn sie seinerzeit auch ihr Ziel nicht erreichten, sind sie uns Vorbild, wie konsequent man den eigenen sittlichen Werten treu bleiben kann“, so Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow. Er zitierte aus Goerdelers „Aufruf an alle Menschen“, den er noch vor seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945 im Gefängnis verfasst hatte. „Ein langer Zug von Märtyrern wird an Euch still vorbeiwandern. Aber jeder wird Euch zurufen: Liebet Euch untereinander, bekämpft das Leid mit der Liebe, den Hass mit Verständnis, die Ungerechtigkeit mit dem Recht, das Verbrechen mit der eigenen Reue.“ Damit, so Gemkow, bewies Goerdeler eine große, moralische Überlegenheit über seine Henker.

 

„Carl Friedrich Goerdeler. Sein Leben, seine Welt und sein Widerstand“: Zu sehen ist die Schau nun vom 23. November bis 5. Dezember „genau da, wo sie hingehört, damit sich viele junge Menschen damit beschäftigen“, wie es OBM Burkhard Jung kommentierte: nämlich im Foyer des Uni-Hörsaalgebäudes, Universitätsstraße 3.