Über tausend Gegendemonstranten bei AfD-Kundgebung in Mainz

Erstveröffentlicht: 
21.11.2015

MAINZ - Über 1000 Menschen, so die Schätzung der Polizei, demonstrierten am Samstag rund um den abgesperrten Gutenbergplatz im Regen gegen die Kundgebung der Alternative für Deutschland (AfD) am Gutenbergdenkmal.

 

Der Dom läutete ab 18 Uhr und war nicht beleuchtet – als Zeichen dafür, der AfD keine Mainzer Kulisse zu schaffen. „Haut ab“ skandierten viele AfD-Gegner.

 

Bunte Luftballons schmückten das Theaterdach und den Balkon, ein großes Plakat „Stopp Rassismus“ war im Theater zu sehen. Rund 100 Mitarbeiter des Staatstheaters hatten sich zu einer „spontanen Probe“ des Europaliedes „Ode an die Freude“ im Theaterfoyer eingefunden. Mit ihrem Gesang, der neun Mal durch die geöffneten Fenster den Platz beschallte, boten sie der laufenden Kundgebung der Anti-Euro-Partei Paroli – auch akustisch.

 

„Wir wollen die richtigen Töne anstimmen, weil die AfD-Anhänger mit ihren daneben liegen“, sagte Intendant Markus Müller. Die Polizei forderte nach einer halben Stunde die Sänger dazu auf, die Fenster zu schließen, um die angemeldete Kundgebung des AfD-Landesverbandes nicht zu stören.
Das Gros der Gegendemonstranten trug Transparente mit Sprüchen wie „Nein zu Gewalt, Hetze und Rassismus“ oder „Mainz bleibt bunt“. Sie protestierten lautstark, aber friedlich. „Ich möchte ein Zeichen gegen Angst und Panikmache setzen“, sagte Philipp Petri (27). „Mainzer können sich mit rechtsoffenem Gedankengut nicht identifizieren.“ Auch Tanja Finke (46) wollte gegen Ausländerfeindlichkeit demonstrieren: „Dahinter steht einfach nur Dummheit.“

 

Provokationen einiger Gegendemonstranten

Einige Gegendemonstranten versuchten allerdings auch, zu provozieren. Frauke Petry, AfD-Bundesvorsitzende, wurde von privaten Sicherheitskräften untergehakt und mit Polizeischutz um kurz vor 18 Uhr am Seitenzugang vor dem Karstadt-Kaufhaus auf den Gutenbergplatz geleitet. Dabei kam es zu Rangeleien, bei denen auch Pfefferspray eingesetzt wurde, da die etwa 20 AfD-Gegner aus der autonomen Szene Petry nicht durchlassen wollten. Zudem nahm die Polizei zuvor einen jungen Mann in Gewahrsam, der eine Deutschlandfahne geraubt haben soll.

Auf dem Gutenbergplatz hatten sich nach Schätzungen von Polizeisprecherin Heidi Nägel etwa 300 Menschen versammelt, um die Reden von Petry, des AfD-Landesvorsitzenden Uwe Junge und des Bundesvorstandsmitglieds und ehemaligen ARD-Korrespondenten Armin-Paul Hampel zu hören. Gegendemonstranten hatten versucht, AfD-Sympathisanten daran zu hindern, auf den Platz zu kommen. Einige schienen sich nicht durch die Menge zu trauen oder verzichteten daher darauf, bei der Kundgebung dabei zu sein. An einer Absperrung drängte die Polizei AfD-Gegner zurück, um den Zugang zum Platz zu ermöglichen.

 

AfD-Demonstranten auch aus dem Umland

Die AfD-Demonstranten kamen aus Mainz, aber auch aus Bad Kreuznach, Koblenz oder dem Hunsrück. Viele hatten Deutschlandflaggen und AfD-Plakate in der Hand. Darauf standen Parolen wie „Merkel muss weg“ und „Mut zu Deutschland“. Ein 62-jähriger AfD-Anhänger kritisierte die Gegendemonstranten: „Dass sie uns Nazis nennen, ist Quatsch.“ Er sei links und Gewerkschaftsmitglied bei der IG Metall. Die Einschüchterung des politischen Gegners erinnere ihn an Weimarer Verhältnisse.

Uwe Junge, Landesvorsitzender der AfD Rheinland-Pfalz, bezeichnete die Gegendemonstranten als „Antidemokraten“ und dankte der Polizei für ihren Einsatz. Frauke Petry sagte über die Aktion der Theatermitarbeiter, dass sich Beethoven „im Grab umgedreht hätte, wenn er davon gewusst hätte“. Unter dem Pfeifkonzert der Gegendemonstranten unternahm Petry in ihrer Rede einen Frontalangriff gegen die Bundesregierung. Sie wurde immer wieder von „Merkel muss weg“ und „AfD, AfD“-Sprechöhren ihrer Anhänger unterbrochen. Ihre Rede schloss sie mit den Worten: „Solange wir aufrecht stehen, ist Deutschland nicht verloren.“ Danach sangen die AfD-Sympathisanten die Nationalhymne und verließen den Gutenbergplatz.

 

Polizei früh präsent

Da AfD-Gegner eine Blockade der Kundgebung angekündigt hatten, waren bereits gegen 14 Uhr Polizeiwagen auf dem Gutenbergplatz präsent. Außerdem wurden Absperrgitter rund um den Platz aufgestellt, um die AfD-Sympathisanten und Gegner der rechtskonservativen Partei auseinanderzuhalten. Später wurde die Polizeipräsenz massiv verstärkt. Der Busverkehr wurde umgeleitet.

Um 17 Uhr begann eine Gegenkundgebung auf dem Schillerplatz mit rund 500 Menschen. DGB Rheinhessen-Nahe, Katholisches Stadtdekanat, Katholische Arbeitnehmer Bewegung, Pax Christi, Rheinhessen gegen Rechts, Initiativausschuss für Migrationspolitik RLP sowie SPD, Grüne, Linke und ÖDP hatten dazu aufgerufen.

 

Gewerkschafter: AfD "geistige Brandschätzer"

Armin Groß von der IG Metall bezeichnete in seiner Rede die AfD als „geistige Brandstifter“, die mit ihren Aussagen mitverantwortlich dafür sei, wenn Flüchtlingsheime brennen würden. Die Partei habe kein politisches Gestaltungsprogramm, sondern falle auf einen „dumpfen Nationalismus zurück“, so Prof. Franz Hamburger vom Initiativausschuss für Migrationspolitik Rheinland-Pfalz. „Mainz ist nicht Dresden, sagte Samy El Hagrasy, Vorsitzender des Arbeitskreises Mainzer Muslime.

 

Bis auf die Rangeleien verlief die Veranstaltung weitgehend friedlich. Gegen 19.10 Uhr beendete die AfD ihre Kundgebung und gegen 19.30 Uhr war alles aufgelöst, da die Partei aufgrund der Gegendemonstrationen auf ihren geplanten Marsch durch die Innenstadt bis zum Neubrunnenplatz verzichtete.

Zu einem Zwischenfall kam es noch gegen 19.45 Uhr in der Neubrunnenstraße. Dort waren die Vorsitzenden der Neustadt- und der Altstadt-SPD, Erik Donner und Andreas Behringer, mit Parteifahnen unterwegs, als ein junger Mann sich umdrehte, den Hitlergruß zeigte und sie übel beschimpfte. Die SPD-Politiker erstatteten Anzeige.