Mit Äußerungen wie der des NRW-Landeschefs Pretzell, man müsse zur Not auf Flüchtlinge schießen, bewegt sich die AfD weiter an den rechten Rand. Das lockt neue Klientel, schockiert aber auch bisherige Mitstreiter. Wie weit rechts steht die AfD bereits? WESTPOL begab sich auf Spurensuche.
Er polarisiert und provoziert. Für nationalkonservative Sprüche und Ansichten ist der NRW-Landesvorsitzende Marcus Pretzell längst schon bekannt. Mit seiner jüngsten Äußerung, im Notfall müssten Grenzpolizisten auf Flüchtlinge schießen, hat sich Pretzell allerdings noch einen deutlichen Schritt weiter Richtung rechtsaußen positioniert. Auch bei anderen Parteikollegen, wie Björn Höcke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, sehen Experten zunehmend rechtsextremes Potential.
Flüchtlingskrise: Verweis auf Judenvernichtung
Bei einer AfD-Veranstaltung in Euskirchen in der zurückliegenden Woche, erlebten Reporter von WESTPOL und vom WDR Youtube-Kanal #3sechzich Erschreckendes. Auf der Veranstaltung wurde über die Flüchtlingskrise diskutiert. Nicht schutzbedürftige Flüchtlinge müssten zurückgeschickt werden, sagt ein Teilnehmer. "Wenn sich die Flüchtlinge nicht zurückschicken lassen?", fragt ein anderer. Die Antwort: Man müsse sich nur an den zweiten Weltkrieg erinnern - was "wir" da mit den Juden gemacht hätten. Da habe es ja auch Möglichkeiten gegeben. Etwas anderes werde bald gar nicht mehr möglich sein." WESTPOL und dem WDR Youtube-Kanal #3sechzich sind Videoaufnahmen von dem AfD-Abend zugespielt worden. Auf die Aussage angesprochen sagt Pretzell gegenüber WESTPOL, "das ist indiskutabel und hat mit der AfD nichts zu tun". Der NRW-Landeschef bringt auch einen Parteiausschluss ins Gespräch.
Gruselgestalt Björn Höcke
Ausländerfeindliche und antisemitische Äußerungen sind bei AfD-Veranstaltungen immer häufiger zu hören. Ein Grund, weshalb Holger Schiele, einstmals Leiter der AfD-Programmkommission, aus der Partei ausgetreten ist. Wenn er heute seinen ehemaligen Parteikollegen Björn Höcke im Fernsehen sieht, grusele es ihn regelrecht, beschreibt er im WESTPOL-Interview: Bei dessen agitatorischen Bühnenauftritten in fahlem Scheinwerferlicht, "da kommen ganz böse Assoziationen auf", sagt Schiele, "da läuft es einem eiskalt den Rücken runter".
"Eine Art 'NPD-light'"
Noch deutlicher äußert sich der ehemalige Unternehmer und Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Einst hochengagiertes Promi-Mitglied der AfD, der die damals junge Partei nach eigenen Aussagen auch finanziell unterstützt hat, sieht Henkel die AfD heute "ganz klar auf einem Rechtsrutsch": Als eine Art "NPD-light, vielleicht sogar identisch mit der NPD", beschreibt er seine ehemalige Partei. "Wir haben ein richtiges Monster erschaffen", stellt Henkel fest.
"Pretzell schaut nach Mehrheiten"
Auch Friedrich Rosendahl gehört zu jenen, denen die AfD zu rechtslastig wurde. Noch vor wenigen Wochen Mitglied des Landesvorstands der AfD und Ratsherr für die Partei im Bonner Stadtrat, ist auch er mittlerweile ausgetreten. Er habe mit seiner Partei nicht zu einer deutschen "Front National" werden wollen, sagt Rosendahl.
Den NRW Landesvorsitzenden Marcus Pretzell kennt Rosendahl seit langem persönlich. Als Parteivorsitzender lasse er Seriosität vermissen, findet Rosendahl im WESTPOL-Interview: "Herr Pretzell schaut, wo die Mehrheiten sind." Die Äußerung Pretzells zum Gebrauch von Schusswaffen gegen Flüchtlingen sei allerdings "ein Novum, eine Steigerung ", sagt Rosendahl.
"Rechtspopulistisches Image weiter geschärft"
"Die AfD ist von Anfang als rechts und reaktionär einzuschätzen gewesen",
urteilt Johannes Kiess, Extremismusforscher an der Universität Siegen.
Seit dem Abtritt Bernd Luckes und der Übernahme des Parteivorsitzes
durch Frauke Petry aber sei das rechte rechtspopulistische und
ausländerfeindliche Image der Partei "weiter geschärft worden", sagt Kiess im WESTPOL-Interview, "und dieser Prozess schreitet voran".
Gefährliche Strahlkraft auf die etablierten Parteien
Nach Erkenntnissen des Wissenschaftlers beschränkt sich der Rechtspopulismus der AfD nicht nur auf markige Worte ihrer Protagonisten bei Bühnenauftritten. "Es gibt durchaus Verbindungen in die rechtsextreme Szene", sagt Kiess, so habe der Thüringer Landtagsabgeordnete Höcke "ganz klare Verbindungen" zu konservativ-intellektuellen Zirkeln wie der "Neuen Rechten", die "an der Herbeiführung einer konservativen Revolution arbeiten und sich in der Tradition von Rechten Vordenkern aus der Weimarer Republik sehen".
Aufs Ganze gesehen hält der Forscher es zunächst für "eigentlich nicht gefährlich", wenn sich in der Parteienlandschaft Deutschlands auch eine extrem rechte Partei am Rand positioniert. Die Gefahr bestehe vielmehr darin, dass solche Positionen "in den politischen Mainstream abstrahlen". Gefährlich werde es dann, wenn "CDU und SPD ähnliche Positionen versuchen zu bedienen und der gesamte Diskurs weiter nach rechts rückt" - auf Kosten von Minderheiten, von Flüchtlingen, von Homosexuellen.