25 Jahre Einsatz für von Gewalt betroffene Frauen

Erstveröffentlicht: 
04.11.2015
Leipziger Verein plant zusätzliche Zufluchtsstätten für bedrohte weibliche Flüchtlinge
VON ANGELIKA RAULIEN

 

Leipzig. „Wir haben derzeit ganz viele Hilfeersuchen aus hiesigen Erstaufnahmeeinrichtungen, wo es durchaus Fälle gibt, bei denen Frauen und Kinder nach all dem Elend, was sie daheim und auf der Flucht erlebten, nun dort auch noch von Gewalt betroffen sind. Deshalb wollen wir zusätzlich auch für diese Frauen Schutz-Domizile vorhalten“, kündigte Marlies Sonntag vom Verein Frauen für Frauen jetzt auf einem Fachtag zum 25-jährigen Bestehen des Vereins an, der in Leipzig das 1. Autonome Frauenhaus betreibt.

 

Das Projekt ist bereits relativ konkret. Die Vorbereitungen laufen, um bis Februar nächsten Jahres beim Land Sachsen Mittel für zusätzliche Planstellen und zwei Schutzwohnungen zu schaffen. Geburtstagsgratulant Thomas Fabian unterstrich: „Flüchtlinge sind Menschen wie wir, auch dort gibt es leider solche Vorfälle. Wir müssen also künftig auch diesen Kreis bedrohter Frauen mit einbeziehen.“ Wobei Leipzigs Sozialbürgermeister am Rande auch aus Zeiten berichtete, als er noch als Psychologe forensische Gutachten beim Familiengericht erstellte. „Da bekam ich oft Einblick in andere Kulturen, die ich als sehr bereichernd empfand, wo es gleichzeitig für mich aber auch Grenzen gab. Etwa, wenn türkische Eltern ihre minderjährige Tochter zwangsverheiraten wollten. Ich will sagen: Ja, wir müssen Verständnis für geflüchtete Menschen entwickeln – und zudem klarstellen, was wir unter einem menschlichen, gleichberechtigten Miteinander verstehen.“

 

Sonntag zeigte sich optimistisch, sowohl das Geld als auch irgendwo in der Stadt demnächst geeignete Schutzdomizile mit acht bis zehn Plätzen für von Gewalt bedrohte Flüchtingsfrauen und Kinder zu erhalten. „Ich denke, dass kriegen wir hin“, sagte sie. Schwieriger gestalte sich da für sie momentan ein anderes Problem. „Unser Frauenhaus selbst – insgesamt 33 Plätze für Frauen und Kinder – ist ziemlich marode, wir suchen dringend ein neues Objekt, kamen aber bislang damit nicht recht voran.“ Indes: Aus dem Blick zurück und der Menge, was da geschafft wurde, ziehen Sonntag und ihre zwölf Vereinsmitglieder nebst zwölf treuen Ehrenamtlerinnen auch Kraft für die jetzigen Herausforderungen.

 

Sie haben seit 1990 immerhin neben dem Frauenhaus einen 24-Stunden-Frauennotruf, eine Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking, eine Frauenberatungsstelle sowie eine Gewaltopferambulanz und mit Girlz*Space eine „Offene Jugendarbeit für Mädchen und junge Frauen“ etabliert. Und – weil ihrer Ansicht nach „Gewalt im sozialen Nahraum gesellschaftliche Ursachen hat“ – agiert der gut vernetzte Verein auf verschiedenen Ebenen, „um diese Tatsache gesellschaftlich bewusst zu machen und einer weiteren Tradierung von Gewalt im Geschlechterverhältnis entgegenzuwirken“. Bei all dem bescheinigte eine langjährige Verbündete – die Chefin desRathaus-Gleichstellungsreferates Genka Lapön – dem Verein „ein hohes Maß an Professionalität, viel Eigeninitiative und Beharrlichkeit“.