Urteil im Prozess gegen die Legion 47 in Duisburg

Erstveröffentlicht: 
07.11.2015

DUISBURG - Vor dem Landgericht Duisburg endete am 29. Oktober 2015 nach einem halben Jahr Dauer und 22 Verhandlungstagen der Prozess gegen drei Gründungsmitglieder der „Legion 47“. Diese Gruppierung war zwischen 2012 und 2014 vor allem in den Stadtteilen Hüttenheim und Huckingen im Duisburger Süden aktiv. Sie verstand sich selbst als Kameradschaft, ihr Erkennungszeichen war das Nazi-Symbol Schwarze Sonne.

 

Die Mitglieder trugen einheitliche schwarze Kleidung mit diesem Symbol und dem Schriftzug „Legion 47“. Die Gruppe, der bis zu 37 Personen angehört haben sollen, verbreitete massiv Aufkleber, Flugblätter und Plakate der NPD sowie der Neonazi-Kameradschaft „Nationaler Widerstand Duisburg“. Auch heute noch sind im Stadtteil Hüttenheim die Graffiti der Legion zu sehen. Die drei Angeklagten kandidierten zudem bei der Kommunalwahl 2014 für die NPD zu Duisburger Bezirksvertretungen.

Als die Polizei  im August 2014 Hausdurchsuchungen durchführte, fand man bei den Angeklagten neben einer umfangreichen Sammlung an Diebesgut und einem halben Kilo Amphetamin zirka 600 Patronen scharfer Munition, scharfe Waffen und funktionsfähige selbstgebaute Schussapparate sowie ein Chemielabor, illegale Pyrotechnik, Totschläger, Gaspistolen, Schlagstöcke und diverse NS-Devotionalien.

 

Politischer Hintergrund vor Gericht nebensächlich

Von den 37 Anklagepunkten werteten Staatsanwaltschaft und Gericht nur den Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Duisburg-Huckingen am 26. Oktober 2013 als politische Tat. Im Treppenhaus war eine illegale Rauchbombe abgebrannt und hochbrennbares Lösungsmittel verschüttet worden, das sich durch einen glücklichen Zufall nicht entzündete. Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Gericht sprechen zwar eine Reihe von Indizien für die Täterschaft der Angeklagten, es sei ihnen aber nicht mit ausreichender Sicherheit nachzuweisen. Deshalb seien sie in diesem Anklagepunkt freizusprechen.

Ausschlaggebend dürfte dabei gewesen sein, dass Feuerwehr und Polizei trotz eindeutiger Sachlage am Tatort keine Spurensicherung veranlassten. Die Reste der Rauchbombe und der Lösungsmittelkanister wurden erst nach drei Tagen auf Drängen der Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsunterkunft gesichert. Die vorhandenen DNA-Spuren waren in der Zwischenzeit so stark verunreinigt, dass sie nicht mehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit den Angeklagten zugeordnet werden konnten. Dennoch dankte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer der Duisburger Polizei für ihre hervorragende Arbeit.

Das Gericht vertrat die Auffassung, bei sämtlichen nachgewiesenen Straftaten gebe es keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass die politische Gesinnung der Angeklagten ausschlaggebend gewesen sei. Dieses Ergebnis ist auch nicht verwunderlich, da der politische Hintergrund und die Motive der Täter im gesamten Verfahren fast vollständig ausgeblendet wurden.

Die Motivation für einen weiteren Brandanschlag auf einen türkischen Imbiss am 4.Oktober 2013, der einem der Angeklagten nachgewiesen werden konnte, wird nach Ansicht des Gerichts für immer unbegreiflich bleiben, da der Angeklagte, in dessen Wohnung auch ein mit Sprengmittel und Zünder gefülltes „Überraschungsei“ mit der Aufschrift „Neger-Ei“ gefunden wurde, sich zu seinen Motiven nicht äußerte.

 

Neonazis bildeten Diebesbande

Richter, Staatsanwälte und Anwälte waren erleichtert, ein vollkommen unpolitisches Verfahren zum Abschluss gebracht zu haben. Verurteilt wurden die Angeklagten vor allem wegen der zahlreichen Eigentumsdelikte. Es liege eine Bandenstruktur zur Begehung von Einbruchsdiebstählen vor, so das Gericht. Außerdem sah die Kammer Drogendelikte, Verstöße gegen das Waffengesetz und Körperverletzungsdelikte einzelner Legionsmitglieder als erwiesen an.

Auffällig war, dass fast alle diese Straftaten im unmittelbaren Wohnumfeld der Beschuldigten begangen wurden. Geschädigt wurden vor allem Schulen, Sportvereine und Betreiber von Baustellen. Es wurde hochwertiges Werkzeug entwendet, in zwei Fällen aber auch auch brisante Chemikalien. Auf dem Video einer Überwachungskamera vom August 2013 ist dokumentiert, dass die Täter zumindest bei einem Diebstahl das „Legion 47“-T-Shirt trugen. Bei mehreren Delikten transportierten die Täter die Beute mit einem Fahrrad, das mit dem Schriftzug „Legion 47“ versehen war.

Am 1. Dezember 2013 setzten sie nach einem Einbruch eine Waldorfschule in Brand. Am 20. Februar 2014 wurden alle drei Angeklagten in einem PKW auf Diebestour von der Polizei gestellt. Sie führten Einbruchswerkzeug und einen funktionsfähigen selbstgebauten Schussapparat inklusiver scharfer Munition mit sich. Auf der Rückbank lagen die Unterschriftenlisten für die NPD-Kandidatur. Doch erst am 27. Augsut 014, nach einem erneuten versuchten Brandanschlag, diesmal auf einen Getränkemarkt, bereitete die Polizei dem Treiben der „Legion“ ein vorläufiges Ende.

 

Hohe Haftstrafen für die Angeklagten

Aufgrund der Vielzahl der Delikte fiel das Urteil relativ hoch aus. Der Angeklagte Patrick K. Erhielt eine Haftstrafe von 8 Jahre und 2 Monate, der Angeklagte Daniel N. muss für 6 Jahre und 6 Monate und der Angeklagte Manuel M. für 6 Jahre in Haft. Bei K. und M. wurden Haftstrafen für eine in einem getrennten Verfahren abgeurteilte schwere Körperverletzung verrechnet, die ebenfalls im Zusammenhang mit der „Legion 47“ begangen wurde (2 Jahre und 9 Monate bzw. 1 Jahr und 9 Monate). Für alle Angeklagten wurde eine zweijährige Suchttherapie (Alkohol und Amphetamin) angeordnet. Die U-Haft seit August 2014 wird ihnen angerechnet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen: AZ 93 KLs 1/15).

Ist damit das Kapitel „Legion 47“ abgeschlossen? Im Juli 2015 saß ihr Anführer, der Angeklagte K,  isoliert in strenger Einzelhaft. Trotzdem postete er am 23. Juli 2015 in seinem öffentlichen Facebook-Profil ein Foto, das ihn in seiner Zelle und in einem T-Shirt mit einem Aufdruck in Form eines Eisernen Kreuzes zeigt. Mehrere auf freiem Fuß befindliche Legionsmitglieder reagierten sofort. Zumindest für sie existiert die „Legion 47“ weiter:  „wir vermissen dich..!! bleib weiterhin so tapfer bisher und trage den kopf immer hoch. in gedanken sind wir bei dir, alter freund und kämpfer !! es lebe die legion !!“, schrieben sie ihrem Anführer.

 

Vom Autor dieses Textes, Stefan Jacoby, erschien in LOTTA #60 ein Bericht zum Prozess gegen die „Legion 47“, in dem der Anschlag auf die Flüchtlingsunterkunft ausführlich behandelt wird.

In LOTTA #59 haben sich Torben Heine, Rainer Brahms und Christian Hummer mit der Frage befasst, warum die Taten der „Legion 47“ nicht als Rechtsterror eingeordnet werden.