DDR-Bürgerrechtler schreiben Brief an Kanzlerin Merkel

Erstveröffentlicht: 
26.10.2015

Leipzig. 47 ehemalige Bürgerrechtler haben sich in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt und sprechen ihr die Unterstützung für die Politk der offenen Grenzen aus. „Mit größtem Respekt sehen wir Ihre feste Haltung zur Aufnahme asylsuchender Flüchtlinge bei uns in Deutschland“, heißt es in dem Schreiben. Es ist unterzeichnet unter anderem von Ulrike Poppe, Gisela Kallenbach, Stephan Bickhardt, Ehrhart Neubert, Frank Eigenfeld und Christoph Wonneberger.

 

„Ich habe mich sehr gern der Initiative angeschlossen, und das aus mehreren Gründen: Wir verteidigen damit erstens das Grundrecht auf Asyl. Zweitens schlagen wir einen Bogen zu unserer eigenen Geschichte mit den Flucht-Ereignissen im Zweiten Weltkrieg und zum Ende der DDR. Drittens kann ich die ewige Jammerei, was auf uns mit den Flüchtlingen zukommt, nicht mehr hören“, sagte Stephan Bickhardt, heute Pfarrer in Leipzig und Seelsorger für die sächsische Polizei, der LVZ. „ Hut ab vor Angela Merkel, die im Übrigen in ihrem Tun pro Asyl beide große deutsche Kirchen geschlossen hinter sich weiß. Welchem Bundeskanzler ist so etwas schon einmal gelungen?“

 

Initiiert wurde die Initiative von Katrin Hattenhauer. Die heute in Berlin und London lebende bildende Künstlerin gehörte in Leipzig zu den Protagonisten der Friedlichen Revolution und hatte den Mut, offen gegen die SED-Diktatur zu protestieren. Am 4. September 1989 entrollte sie gemeinsam mit Gesine Oltmanns im Nikolaikirchhof ein Plakat mit der Aufschrift „Für ein offenes Land mit freien Menschen“. Eine Woche später wurde Hattenhauer inhaftiert, am 9. Oktober 1989, dem Tag der Entscheidung mit 70 000 Demonstranten auf den Straßen Leipzigs, saß sie noch im Stasi-Gefängnis.

 

Die Unterzeichner berufen sich auf ihre eigene Geschichte und schreiben: „Die großen Demonstrationen in Leipzig haben im September 1989 begonnen mit der Forderung nach einem offenen Land mit freien Menschen. Wir können und wollen heute Menschen, die ihre Freiheit suchen, die ihr Leben und das ihrer Familien retten wollen, nicht an unseren Grenzen ertrinken lassen. ... Wir merken jetzt, dass wir Menschen auf der Welt nicht mehr ganz so einfach wie bisher nach Nationen, in Deutsche, EU-Bürger und Fremde unterteilen können.“

 

Die Ex-Bürgerrechtler distanzieren sich von jeder Form von Gewalt und von Hasstiraden und rufen zu Hilfsbereitschaft und Solidarität auf: „Wir appellieren an Politik, Wirtschaft, Medien, die Zivilgesellschaft – an alle Menschen guten Willens – die derzeitigen Herausforderungen als gesamtgesellschaftliches Anliegen anzunehmen.“

 

Das Schreiben im Wortlaut zum Nachlesen sowie alle Unterzeichner des Briefes: www.lvz.de