VON ULRIKE WITT
Zwenkau. Der Ratssaal war Donnerstagabend so voll wie noch nie, die Stimmung aufgeheizt und Bürgermeister Holger Schulz (CDU) angespannt. Von den fünf Punkten der Stadtratssitzung interessierte die 40 anwesenden Bürger, darunter viele Jüngere, nur einer: der Pachtvertrag für die geplante Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet Am Wasserwerk.
„Laut Verteilerschlüssel muss Zwenkau 125 Asylsuchende aufnehmen. Wir verfügen als Stadt aber nicht über eigenen Wohnraum und die Ausbeute nach unserem Aufruf bei privaten Vermietern war mager. Ich weiß nur, wir kommen um die Zuweisung nicht herum. Und ich kann Ihnen nicht sagen, wer, wann und vor allem wie viele kommen“, machte Schulz seine Not deutlich. Der Pachtvertrag mit Gerd Ellinghaus, vom Kreis verpflichteter Betreiber aus Berlin, sei ein Anfang, um nicht irgendwann eine Zeltstadt aus dem Boden stampfen zu müssen.
Vor Februar/März werde das Containerdorf mit einer Option für fünf Jahre und bis zu 150 Menschen nicht in Betrieb gehen, betonte Schulz. Vorausgesetzt: Der Stadtrat stimme dem Pachtvertrag zu und der Kreistag im November dem Betreibervertrag. Schulz wartet zudem auf Post von der Landesdirektion. „Ich bestehe auf einer schriftlichen Bestätigung der Förderunschädlichkeit. Das Gewerbegebiet wurde mit Mitteln zur regionalen Wirtschaftsförderung erschlossen und es wäre nicht das erste Mal, dass Bund und Land bei Notlagen alles versprechen, sich später aber nicht mehr erinnern können“, sagte er und versprach: „Sobald ich Konkretes weiß, werde ich eine Bürgerversammlung einberufen, wahrscheinlich Anfang Dezember.“
Stadtrat Uwe Penz (Freie Wähler) meinte: „Wir können uns nicht verwehren, wenn die Sache noch irgendwie steuerbar sein soll.“ Fraktionsvorsitzender Alexander Wagner (CDU) beschwor Einigkeit, es wolle doch keiner, dass die Stadthalle und andere öffentliche Gebäude in Beschlag genommen werden. Er schlug vor, Vereine und Kirchen in die Integration einzubinden. „Zwenkau soll eine offene Stadt bleiben“, so Wagner.
Sein Fraktionskollege Horst Kalis scherte aus. „Am Kap entsteht ein Luxus-Wohngebiet und am anderen Ende der Stadt ein Ghetto für Flüchtlinge mit Wachschutz. So kann man Menschen nicht integrieren“, schimpfte der Zitzschener. Für ihn sei der Pachtvertrag ein Schnellschuss. „Und der Bürgermeister ist ein armes Schwein, weil er von der großen Politik allein gelassen wird“, sagte Kalis und forderte Bundes- und Landespolitiker auf, vor Ort Rede und Antwort zu stehen. Dafür erntete er Applaus vom Publikum und Kritik aus den eigenen Reihen. Bernd Heerklotz (CDU) warf ihm vor, polemisch um Beifall zu heischen.
Adalbert Rösch (Freie Wähler) erinnerte daran, dass die Situation für alle Beteiligten – Flüchtlinge wie Einheimische – schwierig sei. „Meine Generation ist in der glücklichen Lage, nie Krieg und Vertreibung erlebt zu haben. Unsere Großeltern schon. Die Flüchtlinge werden auch nicht gefragt, ob sie ausgerechnet nach Zwenkau wollen“, appellierte der Arzt eindringlich an seine Mitbürger. Er könne nachvollziehen, dass viele Angst vor den Massen haben, die derzeit nach Deutschland drängen. „Aber gemeinsam können wir helfen, dass die Integration gelingt“, so Rösch.
Letztlich stimmten elf Stadträte und der Bürgermeister für den Pachtvertrag, ein Abgeordneter dagegen, drei enthielten sich. Nach dem Votum brach der mühsam zurückgehaltene Frust der Bürger heraus, die sich übergangen fühlten. Eine Frau rief: „Das heißt, wir schauen fünf Jahre aus der Firma auf einen Knast.“ Ein anderer: „Wer garantiert uns, dass es bei 150 Flüchtlingen bleibt?“ Wieder andere glaubten, dass sich bei 4000 Euro Pacht pro Monat der Betreiber eine „goldene Nase verdienen will“. Bürgermeister Schulz versicherte noch einmal, die Zwenkauer über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden zu halten.