Bizarr: Weißrussland umwirbt und warnt LGBT-Touristen

Erstveröffentlicht: 
16.08.2015

Die "letzte Diktatur Europas" lobt ihre Toleranz gegenüber Schwulen und Lesben. Homosexuelle Paare sollten aber besser Einzelbetten nehmen.

Von Norbert Blech

 

Dass sich immer mehr Länder und Städte dafür entscheiden, LGBT-Touristen und vor allem die Schwulen unter ihnen, zu umwerben, ist nichts Neues: Die Szene verspricht Umsatz, zugleich einen erwünschten internationalen Austausch und die Möglichkeit, als modern und tolerant dazustehen.

 

Wenn das hält, was es verspricht – eine lebendige Szene in einer tatsächlich Vielfalt akzeptierenden Stadt in einem Land, das sich aktiv für LGBT-Rechte einsetzt – ist dagegen nichts zu sagen, es fördert die lokale Szene ebenso wie deren internationale Vernetzung und deren Stärke. Und die ein oder andere Liebschaft. Und es zeigt nebenbei auch schön auf, in welchen Ländern noch Probleme bestehen.

 

Womit wir bei einem Web-Fundstück wären, das russische LGBT-Blogger ausgegraben haben. Ausgerechnet der Tourismus-Bereich der offiziellen Webseite Weißrusslands kümmert sich auf einer Unterseite um "Gay Travellers", in einer bemerkenswerten Mischung aus einem höflichen Willkommen und einer klaren Reisewarnung.

 

Bitte kein "öffentliches Zurschaustellen von Zuneigung"

Weißrussland sehe sich selbst als tolerante Kultur, heißt es in der Einleitung, "die jüngere Generation des Landes entwickelt eine offenere und tolerantere Sicht auf Homosexualität."

 

Dann ändert sich allerdings der Ton: "Aber viele Weißrussen bewahren eine traditionellere Haltung gegenüber Homosexualität. Du wirst hier noch nicht die gleiche entspannte Haltung gegenüber schwulen und lesbischen Reisenden finden, wie du sie vielleicht in Westeuropa erwartest. Schwulen und lesbischen Paaren wird daher geraten, öffentliches Zurschaustellen von Zuneigung zu vermeiden und Zimmer mit Einzelbetten statt Doppelbetten zu buchen."

 

Der Ratgeber verweist darauf, dass Homosexualität 1994 legalisiert wurde, es aber noch einige Homophobie und manches Vorurteil gebe. Bemerkenswert offen wird berichtet, dass es keine "staatliche Unterstützung für schwul-lesbische Organisationen oder Gruppen" gebe und die russisch-orthodoxe Kirche einen starken Einfluss auf die Bevölkerung habe.

Eines der homophobsten Länder der Welt

Minsk verweigert LGBT-Organisationen übrigens nicht nur Unterstützung, sondern bereits eine Anerkennung als Verein – deswegen taucht das Land in Listen homofeindlicher Staaten oft noch vor Russland auf. 2013 ging Weißrussland mit Razzien gegen einen Homo-Club vor (queer.de berichtete); einzelne LGBT-Aktivisten wurden in den letzten Jahren mit Willkür verfolgt, flogen etwa von der Uni oder mussten ihre Reisepässe abgeben. Der erste CSD 2010 endete in Festnahmen durch die Polizei, die die Teilnehmer zwei Tage lang festhielt.

2011 hielten Aktivisten einen Mini-CSD ab, indem sie einen Sarg durch die Gegend trugen, als Symbol für den Zustand der Demokratie des Landes (queer.de berichtete). 2012 gab es eine Regenbogenfahrt mit einer Straßenbahn, im Folgejahr hielt man trotz enormen staatlichen Drucks eine internationale LGBT-Konferenz ab. Seitdem hörte man nicht mehr viel von den Aktivisten.

Weißrusslands "Präsident" Alexander Lukaschenko hingegen fiel weiter durch abfällige Äußerungen über Schwule auf. 2013 sagte er: "Den Frauen vergebe ich ihr Lesbentum, aber Männern nie im Leben ihr Schwulsein. Die Frauen werden lesbisch, wenn wir Männer erbärmlich sind." Von ihm stammt auch die Bemerkung: "Lieber Diktator sein als schwul" (queer.de berichtete).

Die Reisehinweise für Homosexuelle bietet die Webseite seines Landes übrigens nur in der englischsprachigen Version an, nicht in der Landessprache und auch nicht auf russisch. (nb)