In der Linken wurde die Änderung des Asylgesetzes 1993 als Abschaffung des Asyls bezeichnet. Die Flüchtlingspolitik in Europa wurde als Festung Europa begriffen, in die kein Flüchtling rein soll. Jetzt gibt es gegenüber den Flüchtlingen aus Syrien einen neuen deutschen Standpunkt: Sie werden nicht abgeschoben und dabei soll es keine Obergrenze geben. Die Kosten dafür werden von der Regierung plötzlich nicht als unerträgliche Last gekennzeichnet, sondern beschlossen: „Wir schaffen das“. Das wirft Fragen auf.
Ist das einfach „positiv hervorzuheben“ (Ulla Jelpke, DIE LINKE), also ein Akt der Humanität? Oder geht es dabei im Kern nur um eine nach „ökonomischen Kriterien orientierte Bevölkerungspolitik“ von wegen „Fachkräftemangel“ (Ums Ganze) und hat damit gar nichts mit Asylgebung im engeren Sinne zu tun?
Auf der Veranstaltung wollen wir gegen solche Erklärungen hervorheben, dass staatliche Asylgewährung an sich nichts gutes ist, sondern eine besondere Art und Weise ist, wie ein Staat seine Unzufriedenheit mit anderen Staaten ausdrückt. Daraus leiten Staaten Verantwortung ab für die Einmischung in andere Staaten. Die Abschreckung und Abschottung ist dann die Kehrseite einer Politik, die sich zuständig fühlt für die Sortierung der Staatenwelt und der Bevölkerungen überall in der Welt nach eigenen nationalen Nutzenplänen.
Sicher ist die neue deutsche Linie eine Reaktion auf politische Umstände und Migrationsbewegungen, die Deutschland so nicht bestellt und erwartet hat. Doch Merkel reagiert nicht einfach, sondern wird aktiv: Sie setzt allen betroffenen Staaten in Europa und im Nahen Osten die Frage nach der Betreuung der Flüchtlingsströme auf die Tagesordnung. Das zeichnet eine Weltmacht aus – allen Staaten eine Frage vorzulegen, die sie nicht ignorieren dürfen. Das ist der materielle Kern dessen, was irriger Weise als „moralische Führungsmacht“ ausgedrückt wird.
B-Lage
Berlin, Neukölln