Polizei mahnt: Für eine komplette Kontrolle ist die Infrastruktur zu mangelhaft
Von Dieter Wonka
Berlin. Wie sollen die deutschen Außengrenzen besser geschützt werden, damit der Zustrom an Flüchtlingen zumindest etwas eingeschränkt wird? Die Bundesregierung denkt über ein sogenanntes modernes Grenzsicherungsregime nach, also eine bessere Überwachung und Kontrolle der Grenzübergänge. Das bestätigten mit der Sache befasste Mitarbeiter des Berliner Arbeitsstabes gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die Rufe nach einer Schließung oder zumindest strikteren Überwachung der
Grenzen waren vor allem aus der CSU laut geworden. Kanzlerin Angela
Merkel hatte das bisher nicht befürwortet. Nun gibt es Hinweise darauf,
dass die Bundesregierung tatsächlich überlegt, wie die Sicherung
verstärkt werden kann. Das ist ein wesentlicher Punkt, über den derzeit
intern diskutiert wird. Der andere wird mit reichlich öffentlicher
Begleitmusik untermalt, nämlich die Frage, ob Transitzonen in Grenznähe
eingerichtet werden sollen, in denen Asylbewerber ihre erste
Anlaufstation haben und auf eine rasche Entscheidung über ihr Begehren
hoffen können. Die SPD steht diesen Transitzonen ablehnend gegenüber,
die Union befürwortet sie.
Bei der Frage, wie die Grenzsicherung verbessert werden kann, stützt
sich die Regierung vor allem auf den Rat der Fachleute. Eine erste
Abfrage bei der Bundespolizei hatte ergeben, dass Pläne für eine
komplette Grenzkontrolle nicht realisierbar seien - die vorhandene
Infrastruktur gebe das nicht her, heißt es. Bei den derzeitigen
Grenzkontrollen, insbesondere beim Übergang von Österreich zu
Deutschland, solle es aber bleiben - auf jeden Fall bis Weihnachten.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte in einem Schreiben an die
EU mitgeteilt, dass die Grenzkontrollen um mindestens zwei Wochen,
möglicherweise aber auch bis zu zwei Jahre verlängert werden sollen.
"Die derzeitige Situation des weiterhin ungesteuerten, immensen und
nahezu ungebrochenen Zustroms von Drittstaatenangehörigen über die
Außengrenzen und deren Weiterreise innerhalb des Schengen-Raumes ist
nicht hinnehmbar", steht in dem Brief.
Nach Erkenntnissen der Bundesregierung befinden sich derzeit bereits
"zwischen 50000 und 100000 illegale Zuwanderer" in der Bundesrepublik.
Intern hat es auch Kritik an der Aufklärungsarbeit des
Bundesnachrichtendienstes gegeben. "Die hatten keine Ahnung über die
sich abzeichnende Flüchtlingswelle", kritisierte ein zuständiges
Regierungsmitglied gegenüber dem RND.
Was aber würde ein modernes Grenzschutzsystem kosten? Die Gewerkschaft
der Polizei veranschlagt dafür einen Milliardenbetrag. Schon jetzt
fehlten 300 Millionen Euro für moderne Grenzanlagen, sagt GdP-Vize Jörg
Radek. Er verwies darauf, dass mit der Öffnung der EU-Binnengrenzen
beispielsweise die gesamte IT-Technik von der Sammlung der
Fingerabdrücke bis zur Übermittlungstechnik neu aufgebaut werden müsse.
Hinzu komme eine "höhere fünfstellige Zahl an Planstellen" für den
Grenzkontrolldienst. Die derzeit laufenden Grenzkontrollen ließen sich
nur durch die zeitweilige Abordnung von 1500 Bundespolizisten aus
anderen Regionen und Abteilungen sichern. "Wer stärkere Kontrollen will,
muss für eine erhebliche personelle Aufstockung sorgen." Zugleich
verwies er darauf, dass durch die momentane Grenzarbeit bereits Lücken
bei der Kontrolle von Flughäfen und Bahnhöfen eingetreten seien.
Kritisch äußerte sich der GdP-Vize zu den Plänen für die Einrichtung von
Transitzonen. "Wer das will, muss nicht nur Zäune als Sicherung
aufbauen, sondern auch die Frage klären, wer diese Einrichtungen
schützt." Die Bundespolizei sei aufgrund der grundgesetzlichen Situation
dazu nicht in der Lage.