Diakonie-Chef fordert mehr Psychologen für Flüchtlinge
Von Petra Buch
Halle. Angesichts des Zustroms an Flüchtlingen nach Deutschland müssen
nach Ansicht der Diakonie Mitteldeutschland mehr Erstaufnahmestellen als
bisher eingerichtet werden. Man könne in einem Haus mit einer Kapazität
von 600 Menschen nicht die doppelte Anzahl unterbringen, sagte
Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg in Halle. Zudem sei es dringend nötig,
Menschen in Erstaufnahmestellen intensiv und kontinuierlich
psychologisch zu betreuen. "Viele Flüchtlinge sind traumatisiert. Sie
waren sehr lange unterwegs, haben unvorstellbar Schlimmes erlebt, ihre
Heimat und Familie verloren", sagte Grüneberg. Wochen, Monate, mitunter
sogar Jahre seien Flüchtlinge unterwegs, um eine sichere Heimat zu
finden. Ein Dach über dem Kopf allein reiche nicht. Ihre Seele brauche
Hilfe, mahnt die Kirche.
Im Moment gebe es in den Erstaufnahmestellen aber die Situation, dass
viele Menschen körperlich und seelisch überfordert sind. "Das kann man
auch nachvollziehen. Das Personal steht enorm unter Druck", sagte
Grüneberg. Er ist Vorstandsvorsitzender der Diakonie Mitteldeutschland,
der mit 29000 Mitarbeitern und 1700 Einrichtungen der evangelischen
Kirche in Sachsen-Anhalt und Thüringen nach eigenen Angaben größten
ostdeutschen Wohlfahrtsorganisation.
Sachsen-Anhalt hatte Anfang September angekündigt, deutlich mehr
Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge bereitzustellen als bislang geplant.
"Das Problem ist, es gibt im Moment nicht den Königsweg, denn das, was
gestern richtig war, ist heute anders", sagte Grüneberg mit Blick auf
die tägliche Ankunft von Tausenden Flüchtlingen, die zum Beispiel aus
Syrien und Afghanistan nach Europa kommen.
Viele Menschen engagieren sich spontan für Flüchtlinge
Der Oberkirchenrat appellierte an die Gesellschaft, den Zustrom von
Menschen aus unterschiedlichen Kulturen nach Deutschland als Chance für
ein neues Miteinander zu sehen. "Unsere Gesellschaft wird sich
verändern. Wir brauchen dafür jetzt einen neuen Blick, wie wir das
machen wollen", sagte Grüneberg. "Ein gutes Zeichen dafür ist es, dass
sich jetzt viele Menschen spontan für Flüchtlinge engagieren und sie
auch bei sich aufnehmen wollen", sagte er. Deutschland sei bisher eher
kein "Integrationsweltmeister" gewesen, was das gewollte Zusammenleben
mit Ausländern betrifft.
Grüneberg kritisierte zudem, in Deutschland werde noch viel zu wenig mit
den Flüchtlingen darüber gesprochen, "was sie für Vorstellungen von
ihrem Leben in Deutschland haben". Man dürfe nicht davon ausgehen, dass
das Flüchtlingsthema hierzulande bewältigt werden könne, ohne die
Flüchtlinge selbst zu fragen. "Das ist eine schwierige Aufgabe, das
braucht viel Mühe und ein richtiges Konzept."