Kommunikationsguerilla gegen Konzerne?

Maqui

Heute in der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „Neues Deutschland“ findet sich unter dem Titel „Kommunikationsguerilla gegen Konzerne“ ein Bericht über die von Umweltverbänden am Wochenende in der Humboldt-Uni veranstaltete Tagung „Konzernprotest“. Unter dem Untertitel „Wenn Konzerne den Protest managen...“ luden verschiedene Umwelt-NGOs dazu ein, sich über „subversive Konzernstrategien“ und die „Unterwanderung“ von BürgerInnen-Initiativen auszutauschen. Darüber, wie ironisch es ist, dass die deutschen Umweltverbände erst durch ihre GegnerInnen dazu gezwungen werden müssen, sich mit Subversion wurde bereits geschrieben. Wie hilflos die Umwelt-NGOs dem Phänomen gegenüber stehen zu scheinen, zeigt nun auch die Berichterstattung des „Neuen Deutschlands“.

Hype um Kommunikationsguerilla?

Bereit am Freitag hatte das ND das Konzept „Kommunikationsguerilla“ gehyped. Und nun dominiert ein kurzer Workshop die Berichterstattung über die Veranstaltung zu einem eigentlich ganz anderem Thema völlig, wie bereits die Überschrift zeigt. Auch im Artikel hinterlässt der Workshop es Peng-Kollektives deutlich überproportional Spuren. So heißt es: „Besonders großen Anklang fand ein Workshop des Berliner Peng-Kollektivs, auf dem die selbst ernannte Kommunikationsguerilla ihre Projekte gegen große Konzerne vorstellte(...)“ Den Grund für diese Gewichtung erfährt man beim Weiterlesen: „Die Tagungsteilnehmer waren mehrheitlich begeistert: »Hier wird nicht darüber geklagt, wie schlimm die Konzerne sind. Hier drehen wir den Spieß um und stellen sie in der Öffentlichkeit bloß.«“. Das Zitat zeigt deutlich, was Grund für die Begeisterung sein dürfte: Deutsche NGOs stehen kreativen Politik-Strategien relativ hilflos gegenüber.

 

Kritische Betrachtung auf telepolis

Interessanter Weise hat der Autor des nd-Textes auch auf telepolis publiziert. Unter dem Titel „Wenn Konzerne zu Protestberatern werden“ finden sich dort deutlich kritischere Töne als im nd: „So wirft die Präsentation des Peng-Kollektivs und die große Zustimmung des Tagungspublikums auch Fragen hinsichtlich der Perspektive von außerparlamentarischen Protesten auf.“

 

Gewerkschaften ignoriert

So wird das Ignorieren der Gewerkschaften durch die Umwelt-NGOs kritisiert. Zwar seien die großen Gewerkschaften dem Lobbyismus ebenfalls ausgeliefert, aber es gäbe durchaus kritische KollegInnen, die sich mit kreativen Konzernstrategien auseinandersetzen würden (so hätten z.B. die KollegInnen der GDL einiges zum Thema „Kreative Konzernstrategien“ zu erzählen gehabt...

 

Vermittlungsprobleme?

Darüber hinaus muss sich auch der vom Peng-Kollektiv vorgestellte Aktions-Werkzeugkasten Kritik gefallen lassen: „Dabei muss man sich doch tatsächlich fragen, ob der Aufwand für die Aktion bei Shell die reale Wirkung lohnt. Schließlich kommt für viele Zeitungsleser nur rüber, hier wäre ein Motor explodiert und die Wissenschaftler waren gar nicht echt. Wird hier wirklich für größere Teile der Bevölkerung Aufklärung über das Agieren des Konzern betrieben oder ist die Aktion so voraussetzungsvoll, dass nur Menschen, die sich beispielsweise mit Green-Washing-Strategien von Konzernen befasst haben, die Motivation verstehen, eine Veranstaltung zu chaotisieren, mit dem ein Konzern vorgeblich Forschung prämiert, die umweltfreundliche Produkte produzieren soll?“

 

Eurozentrische Perspektiven?

Darüber hinaus thematisiert der Autor die Frage, ob die globale neokoloniale Perspektive des heutigen Wirtschaftshandels mit „Kommunikationsguerilla“ in den Metropolen überhaupt sinnvoll sein kann: „Schließlich könnte sich auch die Frage stellen, ob die außerparlamentarische Kampagne "Shell to Hell", mit der in den 80er und 90er Jahren mit unterschiedlichen Aktionen gegen die Politik von Shell vor allem in Ländern des globalen Südens agiert wurde, durchaus auch Erfolge zeigte und auch von Menschen praktiziert werden konnte, die eben nicht gleich Wissenschaftler und eingebettete Journalisten auftreiben können.“

 

Empowerment mit Hochglanz-Aktionen?

Eine interessante Frage ist auch die Frage der Reproduzierbarkeit der Aktionen. Irgendwelche Hochglanzaktionen, die im Falle der Fälle sogar den eigenen künstlerischen Lebenslauf aufhübschen, bringen für emanzipatorische Kämpfe wenig. Statt HeldInnengeschichten müsste Empowerment her, dass Menschen ermutigt, das Potential vom Taktiken und Strategien der Kommunikationsguerilla auch in alltäglichen Kämpfen zu nutzen: „Allerdings machten die Aktivisten auch klar, dass eine zeitaufwendige Vorarbeit für diese Aktionen nötig gewesen sei. (…) Wenn der Aufwand so groß wird, braucht der auch Sponsoren und Förderer und ist daher auf solidarische Strukturen angewiesen.

 

Friede, Freude, (...)?

Letztlich findet der Autor aber doch wieder zu einer versöhnlichen Perspektive: „Allerdings zeigte das Peng-Kollektiv mit einer gefakten Vattenfall-Erklärung und noch mehr mit ihrer jüngsten sehr erfolgreichen Aktion Fluchthelfer.in, dass es auch Möglichkeiten gibt für Einzelpersonen oder keine Gruppen, sich an Aktionen zu beteiligen“.

 

Mehr Infos:

 

Der Hype „Kommunikationsguerilla“:

http://maqui.blogsport.eu/2015/09/14/die-woche-der-kommunikationsguerilla/

 

Homepage der Tagung „Konzernprotest:

http://www.konzernprotest.de/

 

Das Peng-Kollektiv:

https://www.pen.gg/

 

Bericht zur Tagung auf telepolis:

http://www.heise.de/tp/news/Wenn-Konzerne-zu-Protestberatern-werden-2826954.html

 

Bericht zur Tagung im nd:

http://www.neues-deutschland.de/artikel/985911.kommunikationsguerilla-gegen-konzerne.html

 

Analyse zum professionellen „Union Busting“ gegen die GDL:

http://arbeitsunrecht.de/deutsche-bahn-im-gdl-streik_bewusst-eine-sackgasse-herbeifuehren/

 

Mehr Kommunikationsguerilla-Aktions-Analysen:

http://maqui.blogsport.eu/kommunikationsguerilla-analyse/ ‎