Gewaltausbruch in Asyl-Messehalle - Polizei reagiert mit verstärkten Streifen

Erstveröffentlicht: 
26.09.2015

Bisher schwerster Vorfall / Zahl der Verletzten nach Massenschlägerei zwischen Syrern und Afghanen unklar

 

VON FRANK DöRING


Leipzig. Sie prügelten mit Tischbeinen, Latten und Bettgestellen aufeinander ein, griffen Soldaten der Bundeswehr an, zwangen DRK-Mitarbeiterinnen zur panischen Flucht: Der Gewaltausbruch von 200 Flüchtlingen in der Notunterkunft auf der Neuen Messe am Donnerstagabend hat auch bei den zuständigen Behörden für Entsetzen und Ratlosigkeit gesorgt. Doch wie kam es dazu? Nach LVZ-Informationen geht die Polizei auch dem schlimmen Verdacht nach, dass ein elfjähriges syrisches Mädchen beinahe Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden wäre.


Demnach soll ein 17-jähriger Afghane versucht haben, das Kind in der Asylunterkunft zu vergewaltigen. "Es gibt dazu widersprüchliche Angaben und bisher keine konkreten Anhaltspunkte", so ein Ermittler gegenüber der LVZ. Der Afghane streite die Tat ab. Seiner Aussage nach habe ihn das Mädchen einfach nur genervt, weil es mit einem Roller in der Halle herumfuhr. Daraufhin soll er die Kleine mit einem Messer bedroht haben. Sie wurde verletzt, rannte zu ihrem Onkel, der aufgebracht den 17-Jährigen zur Rede stellte. Es kam zu einer Rangelei, bei der auch ein afghanisches Mädchen getreten wurde. Kurz darauf gingen rund 200 Syrer und Afghanen mit allerhand Schlagwerkzeugen und massiver Gewalt aufeinander los.


Zu regelrechten Jagdszenen soll es in der Messehalle gekommen sein. Dabei griffen die wütenden Flüchtlinge auch Angehörige des Wachschutzes an und attackierten Bundeswehrsoldaten, die in der Unterkunft bei der Essensausgabe halfen. Sie konnten sich in Sicherheit bringen, blieben unverletzt. Zwei Mitarbeiterinnen des DRK hatten weniger Glück. Bei der Flucht vor dem aufgebrachten Mob stürzte eine 27-Jährige und brach sich die Kniescheibe. Eine Kollegin erlitt einen Schock. Beide Helferinnen sind derzeit dienstunfähig.


Um der Lage Herr zu werden, mussten Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei vom zeitgleich stattfindenden Bundesligaspiel in der Red-Bull-Arena abgezogen werden. Die Beamten stürmten die Halle, trennten die verfeindeten Lager. Gegen 23.45 Uhr war die Lage so weit unter Kontrolle, dass die Polizei einen Großteil der Kräfte wieder abziehen konnte. Einige Beamte blieben zur Absicherung über Nacht an der Messehalle. Allerdings weigerten sich einige Afghanen, darunter Familien mit Kindern, nach der Auseinandersetzung wieder in die Halle zurückzukehren. Sie verbrachten deshalb die Nacht im Freien.


Sechs Afghanen, darunter auch den 17-Jährigen, nahm die Polizei in sogenannten Präventivgewahrsam, um "die eingetretene erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen und weitere Auseinandersetzungen zu verhindern". Gegen sie wird wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs ermittelt. Eine weitere Strafanzeige liegt vor wegen Nötigung im Zusammenhang mit der Drohung gegenüber dem elfjährigen Mädchen. Ermittlungsverfahren richten sich auch gegen vier unbekannte Syrer wegen gefährlicher Körperverletzung sowie gegen Unbekannt wegen Körperverletzung und Diebstahls eines Handys. Allerdings dürften noch einige Verfahren hinzu kommen. Denn noch immer ist der Polizei nicht bekannt, wie viele Personen bei den massiven Auseinandersetzungen verletzt wurden.


Der Konflikt zwischen den Syrern und Afghanen in der Messehalle 4 schwelt schon länger, so die Polizei. Die Landesdirektion will nun mit Gesprächen und strikter Trennung der Nationalitäten die Lage beruhigen, wie Sprecherin Jana Klein gegenüber der LVZ sagte. Geprüft werde auch, wie ein Insider-Video von der Massenschlägerei Legida zugespielt werden konnte. Über mögliche Konsequenzen sei aber noch nicht entschieden, so Klein.


Noch am Donnerstagmittag hatte Campmanagerin Doreen Rößler vom DRK bei einem Rundgang die Stimmung in der Halle als "sehr gut" beschrieben. Demnach hatte es zwar kleinere Streitereien, aber keine größeren Vorfälle gegeben.


Die Polizei wertete den Gewaltexzess als bisher schwersten Zwischenfall in einer Leipziger Flüchtlingsunterkunft. Erst Ende August hatten sich 90 Syrer und Marokkaner in der Erstaufnahmeeinrichtung in der Friederikenstraße eine Schlägerei geliefert. Zuletzt waren Marokkanern und Iraner in der Messehalle 4 aneinander geraten, bei dem Streit ging es um Alkoholkonsum. Mit verstärkten Streifen an Flüchtlingsunterkünften will die Polizei bei Konflikten schneller vor Ort sein. Kaum Möglichkeiten sieht die Behörde, womöglich gut gemeinte, aber als fragwürdig angesehene Aktionen von Flüchtlingsunterstützern zu unterbinden. So soll beispielsweise vor der Messehalle 4 an Flüchtlinge Alkohol verteilt worden sein, bestätigte die Polizei auf Anfrage.