Über 70 Prozent der Deutschen sehen negative Auswirkungen auf das Image des Freistaates
Von Anita Kecke
Leipzig. Pöbelnde Rechtspopulisten, Steine werfende Krawallmacher vor
Flüchtlingsunterkünften in Sachsen. Heidenau, Freital, Meißen, Dresden
und Bischofswerda. Die Liste der sächsischen Städte, von denen Bilder
gewaltsamer Übergriffe in die Welt gingen, ist immer länger geworden.
Das blieb nicht ohne Folgen für das Image des Freistaates. Bundesweit
ist für mehr als drei Viertel der Deutschen klar, dass diese
ausländerfeindlichen Proteste dem Ansehen Sachsens geschadet haben. Auch
eine große Mehrheit der Befragten im Freistaat selbst sieht einen
herben Imageverlust für das weiß-grüne Bundesland. Das ergab eine
gemeinsame Umfrage der drei großen sächsischen Tageszeitungen Leipziger
Volkszeitung, Freie Presse und Sächsische Zeitung. Im Auftrag der drei
Zeitungshäuser befragte das Leipziger Institut Uniqma für diese Studie
Mitte September bundesweit 1351 repräsentativ ausgewählte Er- wachsene,
darunter 514 aus Sachsen.
Besonders ausländerfeindlich
Ein Ergebnis der Studie ist auch, dass jeder fünfte Befragte in Sachsen
der Meinung ist, dass durch die Proteste gegen Flüchtlinge keinerlei
Imageschaden entstanden sei. Bundesweit sehen das nur 14 Prozent so.
Etwa jeder zehnte Befragte antwortete mit "weiß nicht".
Es fällt auf, dass unter den 20 Prozent der Sachsen, die keine
Rufschädigung sehen, die Altersgruppe der 50- bis 64-Jährigen und
Befragte mit geringem Bildungsabschluss überproportional vertreten sind.
So finden 36 Prozent der weniger Qualifizierten, dass der Ruf Sachsens
durch die Krawalle nicht gelitten hat. Von den Befragten mit einem Stu-
dienabschluss sagen das nur 14 Prozent. Dafür äußern sich über 80
Prozent der Studierten besorgt über den Ansehensverlust. Von denen mit
geringerem Schulabschluss sehen zwar weniger eine Rufschädigung, aber
mit 54 Prozent verbindet auch in dieser Gruppe die Mehrheit mit den
Übergriffen eine fatale Wirkung auf das Renommee.
Für den Chef des Uniqma-Institutes, Dr. Andreas Czaplicki, ist das
Meinungsbild eindeutig, da bundesweit drei Viertel der Überzeugung sind,
dass die gewalttätigen Aktionen dem Ansehen des Freistaates geschadet
haben und die Sachsen das ähnlich kritisch sehen. Allerdings gibt er zu
bedenken: "Derzeit ist noch völlig offen, ob das Ansehen Sachsens
nachhaltig geschädigt wurde, oder ob wir nur von einer kurzzeitigen
Eintrübung in der öffentlichen Meinung sprechen, die sich rasch wieder
normalisiert. Die Erfahrung lehrt jedoch: Irgendetwas bleibt fast immer
hängen." Diese Befürchtung erhält auch Nahrung dadurch, dass die Sachsen
von sich selbst ein anderes, ein viel positiveres, Bild haben als das
übrige Deutschland.
Sachsen halten sich für tolerant
So gehen bei der Antwort auf die Frage, ob in Sachsen die
Ausländerfeindlichkeit stärker ausgeprägt ist als in anderen
Bundesländern die Meinungen weit auseinander. In Sachsen selbst sehen
das nur 29 Prozent so. Deutschlandweit (ohne die Sachsen) ist jedoch
eine Mehrheit von 54 Prozent der Überzeugung, dass im Freistaat die
Fremdenfeindlichkeit vorherrschender ist als im übrigen Bundesgebiet. In
den alten Bundesländern sagen dies 57 Prozent, in den anderen neuen
Ländern (außer Sachsen) 31 Prozent. Außerdem halten sich die Sachsen
selbst für viel weltoffener, toleranter und gastfreundlicher, als sie
deutschlandweit gesehen werden.
Tatsache ist aber auch, dass die Menschen im Freistaat mehrheitlich
Flüchtlinge willkommen heißen. Allerdings liegt der Anteil derer, die
eine Aufnahme von Asylbewerbern befürworten, in Sachsen deutlich unter
dem Bundesdurchschnitt von 78 Prozent.