Flüchtlings-Drehkreuz: Dresden pfeift Jung zurück

Erstveröffentlicht: 
11.09.2015

Deutsche Bahn hält Angebot aufrecht / Kommune hat Bedenken, steht aber für Hilfe bereit

 

Die Stadt Leipzig konkretisierte gestern ihre Haltung zu einem möglichen Flüchtlings-Drehkreuz am Güterbahnhof am Flughafen Leipzig/Halle. "Die Entscheidung liegt nicht bei uns, sondern beim Bund und bei der Bahn", sagte Stadtsprecher Matthias Hasberg. Wie die Entscheidung auch ausfalle, Leipzig werde helfen und stehe bereit. Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) könne aber Bedenken gegen das Gelände nachvollziehen.


So hätten die Innenministerien von Land und Bund sowie die Bahn seit Tagen mehrere Standorte im Norden geprüft. Zum fraglichen Bahngelände sagte Hasberg: "Wegen der Nähe zum Flughafen gab es im vorläufigen Ergebnis der Prüfung zum einen Sicherheitsbedenken." Zum anderen fehle dort jede Infrastruktur. Dass Flüchtlinge dort ankämen und über Stunden oder länger ohne Schutz und Unterkunft ausharren müssten, sei nicht wünschenswert. Auf die Prüfungsergebnisse von Bahn und Behörden habe sich Jung bei seinen Äußerungen auf einem Unternehmerforum am Mittwochabend bezogen. Dort hatte Jung geäußert: "Es wird keinen Verteilbahnhof für Flüchtlinge in Leipzig geben." Er widersprach damit Informationen des Freistaates, wonach Leipzig zum Drehkreuz einer Aufteilung von Flüchtlingen für Ostdeutschland werden solle.


Gestern Morgen betonte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU), dass noch keine Entscheidung zum Drehkreuz gefallen sei. Er habe sich mit seinen Ressortkollegen aus Bund und Ländern in einer Telefonkonferenz abgestimmt. Die Äußerung von Leipzigs Oberbürgermeister Jung vom Mittwoch kommentierte Ulbig mit den Worten: "Solange nichts wirklich entschieden sei, halte ich es für nicht geboten, das zu kommentieren; egal ob von Kommunal- oder Landesebene." Beim Bundesinnenministerium sei der Vorschlag noch nicht endgültig vom Tisch. "Die Gespräche laufen nach wie vor", verlautete aus dem sächsischen Innenministerium.


Von Seiten der Deutschen Bahn hieß es am Donnerstag, das Unternehmen habe am vergangenen Wochenende den zuständigen Behörden ein Drehkreuz für Flüchtlinge auf dem Luftfracht-Umschlag-Bahnhof des Flughafen Leipzig/Halle angeboten. "Hier können Züge direkt auf das geschützte Gelände des Flughafens einfahren und die nötige Infrastruktur kann errichtet werden", so ein Bahnsprecher. Er stellte fest: "Dieses Angebot steht nach wie vor."


In München versucht ein Krisenstab seit Tagen, Städte zur Einrichtung von Drehkreuzen für die Verteilung der Flüchtlinge zu finden. Dabei war am Montag auch der hiesige Airport ins Spiel gebracht worden.


Währendessen müssen Sachsens Städte und Gemeinden angesichts steigender Flüchtlingszahlen mehr Kapazitäten zur Unterbringung schaffen. Seien bislang pro Monat rund 2000 Asylbewerber vom Land auf Städte und Landkreise verteilt worden, seien es nun etwa 5000 , erläuterte Innenminister Ulbig nach einer Sitzung des Lenkungsausschusses Asyl in Dresden.


Die Erstaufnahmekapazität des Freistaates liege derzeit bei 8845 Plätzen, hieß es. Noch im Juli sei man von nur 5000 Plätzen ausgegangen. Derzeit müssten jeden Tag zwischen 500 und 750 neue Flüchtlinge untergebracht werden, sagte Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD). "Die kommunale Ebene steht in dem gleichen Dilemma, in dem wir stehen", meinte Innenressortchef Ulbig. Beide Staatsminister betonten, die Herausforderungen seien nur gemeinsam zu meistern. Sie sprachen sich für eine schnelle Entscheidung über das Schicksal von Bürgerkriegsflüchtlingen etwa aus Syrien aus. "Die, die hierbleiben, sollen sofort eine Entscheidung kriegen", kündigte Ulbig an. Dann könnten sie aus dem System herausgenommen und in normale Wohnungen untergebracht werden. Dies könne sich auch positiv auf die Akzeptanz in der Bevölkerung auswirken. Laut Köpping gibt es bei der Zusammenarbeit mit den Kommunen kein einheitliches Bild. A. T./chk/nöß/lyn/jv