Im Januar klingelte im Stuttgarter Pressehaus das Telefon. Viel zu sagen hatte der Anrufer am fast 2000 Kilometer entfernten Ende der Leitung nicht. „Wenn ich ihn erwisch’, mach’ ich ihn einen Kopf kürzer!“, zischte der Mann in den Hörer. Gemeint war ein Reporter der Stuttgarter Nachrichten: Alexander Gronbach droht allen, deren Arbeit ihm nicht in den Kram passt. Seit mehr als drei Jahren verschanzt sich der 51-Jährige in der irischen Provinz. An seiner Seite: die frühere V-Frau „Krokus“ des Landesamtes für Verfassungsschutz.
Gronbach suchte die Nähe strammer Neonazis. Das geht aus Nachrichten hervor, die er in einem rechtsextremen Internetforum hinterließ. Sie sind zehn, elf Jahre alt. Die Mitteilungen wurden zwischen den Benutzern versendet, waren also nicht für alle im Forum zu sehen. Gronbach bezeichnete die Neonazis darin als „Kameraden“, lästerte über „Besatzer“ und „scheiss Juden“. Er versuche, einen Weg zu gehen, der „die teilweise guten Punkte bis 1945 nimmt, sei es das militärische System, sei es die eigentliche Idee der Nationalen“, schrieb er am 10. April 2004. NPD-Jungwähler müsse man „weiterführen, anstatt Kasperles im Landtag mit unfähigen Leuten zu spielen“.
Einem Gleichgesinnten mit dem Pseudonym „NAZI-Kochstudio“ versicherte Gronbach, er habe „in Thüringen schon sehr viel für das nationale Lager gemacht“. Er sei in der Bundeswehreliteeinheit „Fernspäher“ gewesen und habe schon seit Monaten eine funktionsfähige Gruppe ehemaliger Kameraden um sich geschart. Das Problem: In der Spezialeinheit mit dem bordeauxroten Barett kennt den Protz niemand.
Übernachtungsangebot an Christian Worch
Engen Kontakt pflegte Gronbach zu Christian Worch. Der Hamburger Rechtsextremist gilt seit den 1970er Jahren als Führungsnazi. Im April 2005 verabredeten beide sich zu einem Treffen im schwäbischen Langenburg. „Wenn Du übernachten müsstest, bist Du selbstverständlich mein Gast“, ließ Gronbach seinen rechten Freund wissen. Der lehnte ab: „Ich fahre am selben Abend noch bis Kassel, um mein Ex-Weib zu treffen und nach meinem kranken Hund zu schauen.“
Zehn Jahre später versuchte Gronbach, ein anderes Bild von sich zu zeichnen. Auf Facebook wettert er gegen „dreckige kleine Neonazis“. Seit dem Auffliegen der Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) inszeniert sich der gebürtige Gerabronner als Aufklärer über den rechten Sumpf. Gemeinsam mit „Krokus“ verbreitet er vermeintliches Insiderwissen. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass auf irgendeinem Behörden-Computer in der Bundesrepublik eine Mail aus Irland eingeht. Auch der NSU-Ausschuss im Stuttgarter Landtag setzt sich immer wieder damit auseinander. Allein für „Herrn Gronbach“ müssten sie eine eigene Ermittlungsgruppe aufstellen, sagte ein LKAler in einer nicht öffentlichen Ausschuss-Sitzung im März.
Der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) erwog, mit einer Delegation auf die Insel zu fliegen, um dort „Krokus“ und ihren Geliebten zu hören. Dazu kam es nicht. Stattdessen luden die Parlamentarier eine rechtsextreme Friseurin. Die habe etwas mit dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn zu tun, behaupten Gronbach und „Krokus“. Die Spur verläuft im Sande. Auch im Fall des in seinem Auto verbrannten NSU-Zeugen Florian Heilig spielte das Pärchen eine Rolle. Die Schwester des Verstorbenen und eine Freundin besuchten das Duo in Irland – und vertrauten ihm Informationen an. Aufgepeppt mit eigenen Fantasien leitete das Paar sie zurück ins „Ländle“.
Zeugenschutzprogramm für ein halbes Jahr
Dort ist Gronbach seit vielen Jahren bekannt – als umtriebiger Krimineller. Über 85 Falldaten spuckt das Polizeisystem aus, wenn Beamte seinen Namen eingeben. Es geht um erpresserischen Menschenraub, Betrug, Waffen, Bedrohung und Diebstahl. Auch wegen Handelns mit Amphetaminen wurde gegen ihn ermittelt. Immer wieder landete Gronbach im Gefängnis.
Bevor er mit Braunen anbandelte, schmückte er sich grün, weiß und orange. Bis in die 1990er Jahre stand die Trikolore Irlands auch für den bewaffneten Kampf der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Im November 1988 ließ ein Richter des Bundesgerichtshofes einen Briefwechsel zwischen Gronbach und dem IRA-Aktivisten Gerard McGeough beschlagnahmen. Gronbach, damals Häftling in Heilbronn, verstand sich offensichtlich als Verbündeter militanter irischer Freiheitskämpfer.
Inhaftierte der linken „Rote Armee Fraktion“ (RAF) vermuteten in Gronbach einen „Agenten des Staates“. Damit lagen sie offensichtlich nicht daneben: Gronbach spitzelte für die Polizei. Deshalb landete er im zweiten Halbjahr 1994 im Zeugenschutzprogramm des LKA. Ein Protokoll der Kriminalen vom 18. Mai 2011 zeigt, dass Gronbach auch 17 Jahre später Informationen an die Behörde lieferte. Er meldete, dass IRA-Terroristen wieder Anschläge begehen wollten: „Er hat in der Küche gesehen, dass die Suppe, mindestens 100 kg, angerührt wird. Er ist bereit, vertrauliche Angaben zu machen.“ Zwar bezeichneten die Beamten Gronbach als „dubiosen Hinweisgeber“.
Heilbronns Polizei will den Informanten Gronbach nicht verlieren
Der Polizei in Heilbronn schien er vertraut. Am 11. November 2011 mailte ein Beamter ans LKA: „Bei uns wird er als Informant geführt. Die Informationen, die er brachte, waren korrekt.“ Einige Dinge seien vielleicht etwas fragwürdig. Aber, so der Heilbronner Polizist, man wolle Gronbach auch in der Zukunft nicht als Informant verlieren. Ähnlich äußerte sich ein LKA-Mann in einer Mail an Kollegen. Gronbach sei „schwer führbar“, aber man habe „einen gemeinsamen Weg“ gefunden. Der dürfte mittlerweile zu Ende sein.