Plötzlich war eine von uns verhaftet.... Erklärung des 8. März-Bündnisses Nürnberg

Freiheit für Banu

Banu, unsere Freundin und Mitstreiterin im 8. März-Bündnis Nürnberg, wurde am 15. April 2015 völlig unerwartet verhaftet. Sie ist Mitglied von ATIK, der „Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa“ und Yeni Kadin (= neue Frau), der Frauenkommission von ATIK. Seit Jahren engagiert sich Banu im 8. März-Bündnis und kämpft mit uns gemeinsam gegen die Unterdrückung von Frauen. Sie unterstützte im Sommer 2014 die Proteste von Flüchtlingen in Nürnberg. Als Referentin sprach sie in den letzten Jahren bei Veranstaltungen zu den Themen „Gewalt an Frauen“, „Traumatisierung“ und „Unbezahlte Hausarbeit“. Beruflich ist ihr als Ärztin vor allem die Unterstützung von gewaltbetroffenen und traumatisierten Frauen ein Anliegen. Ihr persönlicher Kontakt mit Freund_innen und Familie, ihr politisches Engagement und ihre Arbeit als Ärztin wurden am 15 April schlagartig unterbrochen, als sie verhaftet wurde:

 

Am Nachmittag des 15. April wurden in Deutschland im Zuge von Razzien Fenster zerschlagen, Türen aufgebrochen, Privatwohnungen verwüstet. 7 linke Aktivist_innen wurden verhaftet – darunter auch Mitglieder von ATIK, der „Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa“. Banu ist eine davon. Auf Betreiben des deutschen Bundeskriminalamts (BKA) wurden am 15. und am 18. April außerdem in der Schweiz, Frankreich und Griechenland 4 weitere Aktivist_innen verhaftet, die nach Deutschland bzw. Frankreich ausgeliefert werden sollen. 10 Aktivist_innen sitzen seitdem in verschiedenen Gefängnissen, 7 davon in Deutschland. 


Seit Jahrzehnten kämpfen in ATIK, der „Konföderation der ArbeiterInnen aus der Türkei in Europa“, Migrant_innen für ihre demokratischen und wirtschaftlichen Rechte. Die Tradition von ATIK geht auf die Organisierung von sogenannten Gastarbeiter_innen zurück. ATIK hat mehr als 20 eingetragene Vereine in Deutschland.

Den Verhafteten wird nun im Rahmen eines Verfahrens nach §§129 a und b StGB die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in In- oder Ausland vorgeworfen. Das klingt, als wären sie sehr gefährliche Menschen. Allerdings wird keinem/r der Verhafteten vorgeworfen, an konkreten strafbaren Aktionen beteiligt gewesen zu sein, oder Menschen geschädigt oder ermordet zu haben. Für Verurteilungen nach § 129a und b muss eine direkte Beteiligung an konkreten Handlungen nicht nachgewiesen werden: Für eine Anklage kann allein die vermutete Mitgliedschaft in einer Gruppe oder die Öffentlichkeitsarbeit, die positiv auf eine kriminalisierte Gruppierungen Bezug nimmt, Anlass sein. Auch die finanzielle Unterstützung von Aktivitäten, die einer Gruppe in irgendeiner Form zugute kommen können, können für eine Anklage nach §§129a/b ausreichen. Immer wieder standen und stehen die §§ 129 a und b deshalb als Paragraphen in der Kritik, die nicht auf strafbare Handlungen abzielen, sondern politisch unliebsame Aktivität kriminalisieren.

Unterstellt wird den Verhafteten nun konkret, Mitglieder der TKP/ML zu sein („Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch“), die in der Türkei aktiv ist. Die TKP/ML ist in der Bundesrepublik allerdings weder verboten, noch wird sie auf der EU-Terrorliste aufgeführt. Tatsächlich wurden mehrere der Verhafteten bereits in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der TKP/ML inhaftiert und gefoltert. In Deutschland haben einige von ihnen eben deshalb schon vor vielen Jahren Asyl bekommen. Damals gab es für die BRD offensichtlich keinen Anlass, sie zu kriminalisieren. Jetzt gerieten sie plötzlich ins Visier der Justiz. Wir fragen uns natürlich warum.

Die Türkische Regierung unter Erdogan warf den EU-Staaten – insbesondere der BRD – in der Vergangenheit immer wieder vor, nicht konsequent genug gegen linke und fortschrittliche (Exil-) Organisationen aus der Türkei vorzugehen. In der Türkei waren im November 2013 etwa 10 000 politische Aktivist_innen und Oppositionelle in Haft. Außerdem sind 72 Journalist_innen im Gefängnis (Stand Mai 2015). Im Juli und August 2015 gab es massenhafte Festnahmen linker Aktivist_innen in der Türkei. Wiederholt verlangte die türkische Regierung in den letzten Jahren die Auslieferung von Menschen, die in EU-Ländern im politischen Exil lebten. Bei den Ermittlungen gegen die Aktivst_innen, die Mitte April 2015 verhaftet wurden, gibt es eine eine enge Zusammenarbeit zwischen türkischen und deutschen Ermittlungsbehörden. Uns drängt sich der Eindruck auf, dass deutsche Gerichte in diesem Fall die repressive Politik fortsetzen, die die türkische Regierung gegen Oppositionelle anwendet. Die deutsche Justiz macht sich so zum verlängerten Arm der türkischen Regierung und sperrt Menschen ein, die die Regierung Erdogans gerne hinter Gittern sehen möchte!

Banu und die anderen Verhafteten befinden sich im Moment in Untersuchungshaft in verschiedenen bayerischen Gefängnissen. Bis Mitte August waren die meisten von ihnen 24 Stunden am Tag in Isolationshaft. Mittlerweile haben sie während Aufschluss-Zeiten Kontakt mit anderen Gefangenen. Ein Gerichtsverfahren wird voraussichtlich erst in einigen Monaten beginnen.

Als 8. März‐Bündnis Nürnberg rufen wir alle Frauenorganisationen und ‐projekte, alle Feminist_innen und alle die sich gegen die Unterdrückung von Frauen engagieren dazu auf, sich insbesondere für Freiheit und Gerechtigkeit für unsere Mitstreiterin Banu einzusetzen. Wir fordern auch Freiheit und Gerechtigkeit für die anderen linken Aktivist_innen, die im Rahmen des gleichen
Verfahrens verhaftet wurden. Wir fordern die Abschaffung der weißen Folter Isolationshaft! Wir freuen uns, wenn möglichst viele Einzelpersonen, Initiativen und Gruppen diese Forderungen unterstützen.

Was ihr tun könnt:

Diese Erklärung oder eine eigene Erklärung auf die eigene Homepage stellen oder auf andere Art weiter verbreiteten.


Diese Erklärung als Projekt, Gruppe oder Einrichtung unterstützen - schickt uns eine Mail: 8.maerz-buendnis-nuernberg@riseup.net


Postkarten an Banu schreiben. Schreibt an: „Dialog der Kulturen – z.H. Banu – Fürther Str. 40a – 90429 Nürnberg“. Die Post wird dann weitergeleitet.


Beteiligt euch an Solidaritäts-Aktionen – Infos hierzu findet ihr z.B. auf der Homepage von ATIK: http://www.atik-online.net/deutsch/category/europa/


Für die Verhafteten spenden: Spendekonto : Rote Hilfe Regionalgruppe Nbg – Fü – Er, GLS-Bank Iban: DE85 4306 0967 4007 2383 59; BIC: GENODEM1 GLS Kennwort: ATIK

8. März‐Bündnis Nürnberg – September 2015
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