Ulbigs Staatssekretär Wilhelm muss Federn lassen
Von jürgen kochinke
Dresden. Wegen akuten Behördenversagens beim Thema Asyl zieht
die Staatskanzlei jetzt hart durch. Nachdem bereits der Chef des
Leitungsstabs bei Innenminister Markus Ulbig (CDU) ins Sozialministerium
versetzt wurde, wird nun die Struktur komplett runderneuert - faktische
Entmachtung bisher führender Köpfe inklusive. "Anpassung der
Zuständigkeiten in der Stabsstelle Asyl" heißt das offiziell und meint:
Was nicht funktioniert, wird umgekrempelt und neu sortiert.
Im Mittelpunkt dieser von oben verordneten Aktion steht der Leiter der
Stabsstelle höchstselbst. Dirk Diedrichs heißt der, ist ein äußerst
erfahrener Finanz- und Verwaltungsfachmann. Den hatte Ulbig schon vor
Monaten ins Innenressort geholt, allerdings unter anderen Vorzeichen. So
musste sich Diedrichs "nebenbei" auch noch um Recht und Kommunales
kümmern - angesichts der Lage eine prekäre Mehrfachfunktion. Das wird
sich nun ändern, in Zukunft wird er sich allein ums Asyl-Management
kümmern.
Doch damit nicht genug. Diedrichs kann von jetzt ab direkt durchgreifen,
denn auch die komplett überforderte Landesdirektion wird umstrukturiert
- und der Chef Dietrich Gökelmann auf kaltem Weg entmachtet. Das
funktioniert über den neuen Vizepräsidenten Burkhard Kurths. Der wird
jetzt mal kurzerhand aus dem Innenministerium, wo er für
Verfassungsschutz zuständig war, in die Chemnitzer Mammutbehörde
versetzt - ebenfalls ausschließlich fürs Problemfeld Asyl.
Und nicht zuletzt muss auch Ulbigs Staatssekretär Michael Wilhelm Federn
lassen. Denn durch die Aufwertung von Diedrichs im Innenressort ist er
in entscheidenden Asyl-Fragen praktisch außen vor - ein Schicksal, das
er zum Teil mit seinem Minister teilt. Im Fall der Fälle verläuft die
Befehlskette ohne viele Umwege: von Staatskanzleiminister Fritz Jaeckel
(CDU), der rechten Hand von Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), über
Diedrichs auf den Schreibtisch von Kurths in der Chemnitzer
Landesdirektion. Alle anderen sind im Zweifelsfall draußen. Und mit
Ulbig und Wilhelm stehen für Tillich und Jaeckel noch zwei Puffer
bereit, die sie opfern können für den Fall, dass die Lage in Zukunft
extrem eskaliert.
Unabhängig von dieser neuen Entscheidungsstruktur beschäftigt das Thema
Asyl auch weiterhin den Landtag. Dabei geht es vor allem um die
Reaktionen einzelner CDU-Abgeordneter während jener denkwürdigen
Sondersitzung samt Tillich-Erklärung. Dabei hatte AfD-Fraktionschefin
Frauke Petry Tillich in ihrer Erwiderung scharf attackiert und dessen
Rede eine "Schande" genannt. Begründung: Der Regierungschef spare die
entscheidenden Probleme aus. Und genau während dieser Rede hatte Petry
immer mal wieder Beifall nicht nur aus eigenen Reihen bekommen, sondern
auch von einzelnen aus der CDU - ein klarer Affront gegen CDU-Chef
Tillich.
Dabei war der Applaus keineswegs Zufall, denn er kam unter anderem von
zwei "üblichen Verdächtigen": Alexander Krauß und Sebastian Fischer.
Letzterer ist selbst in CDU-Kreisen umstritten, weil er gern emsig den
rechten Rand bespielt - und dazu auch steht. Der CDU-Sozialpolitiker
Krauß dagegen hat seine Talente als Populist und Volkstribun erst jetzt
entdeckt. Die aber lebt er seit einigen Wochen - "Asylbewerber ohne
Ausweis müssen in den Knast" - eifrig aus. Krauß befinde sich im "Rausch
der Zustimmung", hat ein CDU-Kollege mal über ihn gesagt - und
neuerdings kann man hinzufügen: Den genießt er offensichtlich selbst
dann, wenn er Tillich brüskiert.