Staatskanzlei greift beim Thema Asyl jetzt hart durch

Erstveröffentlicht: 
05.09.2015

Ulbigs Staatssekretär Wilhelm muss Federn lassen

 

Von jürgen kochinke


Dresden. Wegen akuten Behördenversagens beim Thema Asyl zieht die Staatskanzlei jetzt hart durch. Nachdem bereits der Chef des Leitungsstabs bei Innenminister Markus Ulbig (CDU) ins Sozialministerium versetzt wurde, wird nun die Struktur komplett runderneuert - faktische Entmachtung bisher führender Köpfe inklusive. "Anpassung der Zuständigkeiten in der Stabsstelle Asyl" heißt das offiziell und meint: Was nicht funktioniert, wird umgekrempelt und neu sortiert.


Im Mittelpunkt dieser von oben verordneten Aktion steht der Leiter der Stabsstelle höchstselbst. Dirk Diedrichs heißt der, ist ein äußerst erfahrener Finanz- und Verwaltungsfachmann. Den hatte Ulbig schon vor Monaten ins Innenressort geholt, allerdings unter anderen Vorzeichen. So musste sich Diedrichs "nebenbei" auch noch um Recht und Kommunales kümmern - angesichts der Lage eine prekäre Mehrfachfunktion. Das wird sich nun ändern, in Zukunft wird er sich allein ums Asyl-Management kümmern.


Doch damit nicht genug. Diedrichs kann von jetzt ab direkt durchgreifen, denn auch die komplett überforderte Landesdirektion wird umstrukturiert - und der Chef Dietrich Gökelmann auf kaltem Weg entmachtet. Das funktioniert über den neuen Vizepräsidenten Burkhard Kurths. Der wird jetzt mal kurzerhand aus dem Innenministerium, wo er für Verfassungsschutz zuständig war, in die Chemnitzer Mammutbehörde versetzt - ebenfalls ausschließlich fürs Problemfeld Asyl.


Und nicht zuletzt muss auch Ulbigs Staatssekretär Michael Wilhelm Federn lassen. Denn durch die Aufwertung von Diedrichs im Innenressort ist er in entscheidenden Asyl-Fragen praktisch außen vor - ein Schicksal, das er zum Teil mit seinem Minister teilt. Im Fall der Fälle verläuft die Befehlskette ohne viele Umwege: von Staatskanzleiminister Fritz Jaeckel (CDU), der rechten Hand von Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU), über Diedrichs auf den Schreibtisch von Kurths in der Chemnitzer Landesdirektion. Alle anderen sind im Zweifelsfall draußen. Und mit Ulbig und Wilhelm stehen für Tillich und Jaeckel noch zwei Puffer bereit, die sie opfern können für den Fall, dass die Lage in Zukunft extrem eskaliert.


Unabhängig von dieser neuen Entscheidungsstruktur beschäftigt das Thema Asyl auch weiterhin den Landtag. Dabei geht es vor allem um die Reaktionen einzelner CDU-Abgeordneter während jener denkwürdigen Sondersitzung samt Tillich-Erklärung. Dabei hatte AfD-Fraktionschefin Frauke Petry Tillich in ihrer Erwiderung scharf attackiert und dessen Rede eine "Schande" genannt. Begründung: Der Regierungschef spare die entscheidenden Probleme aus. Und genau während dieser Rede hatte Petry immer mal wieder Beifall nicht nur aus eigenen Reihen bekommen, sondern auch von einzelnen aus der CDU - ein klarer Affront gegen CDU-Chef Tillich.


Dabei war der Applaus keineswegs Zufall, denn er kam unter anderem von zwei "üblichen Verdächtigen": Alexander Krauß und Sebastian Fischer. Letzterer ist selbst in CDU-Kreisen umstritten, weil er gern emsig den rechten Rand bespielt - und dazu auch steht. Der CDU-Sozialpolitiker Krauß dagegen hat seine Talente als Populist und Volkstribun erst jetzt entdeckt. Die aber lebt er seit einigen Wochen - "Asylbewerber ohne Ausweis müssen in den Knast" - eifrig aus. Krauß befinde sich im "Rausch der Zustimmung", hat ein CDU-Kollege mal über ihn gesagt - und neuerdings kann man hinzufügen: Den genießt er offensichtlich selbst dann, wenn er Tillich brüskiert.