Grundgesetzänderung ist vom Tisch

Erstveröffentlicht: 
04.09.2015

Berlin. Mit aller Kraft wollen die Partner in der Großen Koalition einen parteipolitischen öffentlichen Streit bei allen Themen vermeiden, die im Zusammenhang mit der momentanen Flüchtlingsbewegung stehen. Der am Sonntag stattfindende Koalitionsgipfel soll deshalb, nach übereinstimmenden Bekundungen aus den Parteizentralen, die Voraussetzungen schaffen, damit es bei der Flüchtlingsthematik "eine Konsensfindung aller großen demokratischen Parteien gibt, und zwar ohne parteipolitisches Siegesgeheul", hieß es in Berlin. Wohl auch deshalb sind innerhalb der Union Pläne zu einschneidenderen Veränderungen beim grundgesetzlich geschützten Asylrecht wieder beiseitegelegt worden.

 

Von Dieter Wonka


"Es gibt null Veränderungen am Asylrecht im Grundgesetz", versicherte gestern Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Gedacht wird aber an eine Absichtserklärung für ein umfassendes Einwanderungsgesetz, bei dem auch grundgesetzliche Aspekte eine Rolle spielen. Allerdings werde dies erst für die nächste Legislaturperiode angestrebt, hieß es aus Koalitionskreisen. Zuvor hatte es Überlegungen gegeben, Länder mit äußerst geringer Anerkennungsquote aus den Asylverfahren grundsätzlich herauszunehmen. Dies hatten Vertreter der Opposition, aber auch der SPD, teils scharf kritisiert.


Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte nach einer Strategieberatung in der CDU-Spitze die Debatte um eine Grundgesetzänderung nach außen getragen. Dabei geht es auch um die grundgesetzliche Möglichkeit, dass der Bund Direktzuweisungen an Kommunen leisten kann, damit diese gegenüber Flüchtlingen handlungsfähig bleiben. Außerdem wird daran gedacht, gesetzliche Vorschriften zeitweilig zu entschlacken, um schnell auf die Flüchtlingssituation reagieren zu können. Dies betrifft unter anderem Brandschutz, Baurecht und die Anerkennung ausländischer Qualifikationsnachweise. Diskutiert wird aber auch die Möglichkeit für den Bund, Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge komplett zu organisieren. Erwogen wird zudem, dass die Bundespolizei nicht anerkannte Flüchtlinge abschiebt.


Mit einem abgespeckten Baurecht will Berlin auch dafür sorgen, dass in den nächsten Monaten Investoren in den einfachen Wohnungsbau einsteigen, um neue preiswerte Unterkünfte auch, aber nicht nur für Flüchtlinge zu schaffen. Angesichts des Drucks bei den benötigten Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen soll in den kommenden drei bis vier Monaten der Bestand von jetzt 50000 auf mindestens 100000 steigen.