Berlin. Mit aller Kraft wollen die Partner in der Großen Koalition einen parteipolitischen öffentlichen Streit bei allen Themen vermeiden, die im Zusammenhang mit der momentanen Flüchtlingsbewegung stehen. Der am Sonntag stattfindende Koalitionsgipfel soll deshalb, nach übereinstimmenden Bekundungen aus den Parteizentralen, die Voraussetzungen schaffen, damit es bei der Flüchtlingsthematik "eine Konsensfindung aller großen demokratischen Parteien gibt, und zwar ohne parteipolitisches Siegesgeheul", hieß es in Berlin. Wohl auch deshalb sind innerhalb der Union Pläne zu einschneidenderen Veränderungen beim grundgesetzlich geschützten Asylrecht wieder beiseitegelegt worden.
Von Dieter Wonka
"Es gibt null Veränderungen am Asylrecht im Grundgesetz", versicherte
gestern Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Gedacht wird aber an eine
Absichtserklärung für ein umfassendes Einwanderungsgesetz, bei dem auch
grundgesetzliche Aspekte eine Rolle spielen. Allerdings werde dies erst
für die nächste Legislaturperiode angestrebt, hieß es aus
Koalitionskreisen. Zuvor hatte es Überlegungen gegeben, Länder mit
äußerst geringer Anerkennungsquote aus den Asylverfahren grundsätzlich
herauszunehmen. Dies hatten Vertreter der Opposition, aber auch der SPD,
teils scharf kritisiert.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte nach einer
Strategieberatung in der CDU-Spitze die Debatte um eine
Grundgesetzänderung nach außen getragen. Dabei geht es auch um die
grundgesetzliche Möglichkeit, dass der Bund Direktzuweisungen an
Kommunen leisten kann, damit diese gegenüber Flüchtlingen handlungsfähig
bleiben. Außerdem wird daran gedacht, gesetzliche Vorschriften
zeitweilig zu entschlacken, um schnell auf die Flüchtlingssituation
reagieren zu können. Dies betrifft unter anderem Brandschutz, Baurecht
und die Anerkennung ausländischer Qualifikationsnachweise. Diskutiert
wird aber auch die Möglichkeit für den Bund, Erstaufnahmeeinrichtungen
für Flüchtlinge komplett zu organisieren. Erwogen wird zudem, dass die
Bundespolizei nicht anerkannte Flüchtlinge abschiebt.
Mit einem abgespeckten Baurecht will Berlin auch dafür sorgen, dass in
den nächsten Monaten Investoren in den einfachen Wohnungsbau einsteigen,
um neue preiswerte Unterkünfte auch, aber nicht nur für Flüchtlinge zu
schaffen. Angesichts des Drucks bei den benötigten Plätzen in
Erstaufnahmeeinrichtungen soll in den kommenden drei bis vier Monaten
der Bestand von jetzt 50000 auf mindestens 100000 steigen.