Heidenau ist wegen rechter Krawalle deutschlandweit bekannt / Schlägerei in der Notunterkunft
Von Nils Bastek
Heidenau. In Heidenau steht ein Hotel, das Reichskrone heißt.
Der Altbau hat im Internet sehr gute Bewertungen, die Gäste schätzen
Sauberkeit, Ordnung und die Nähe zur Elbe. Gegenüber vom Hotel steht ein
Autohaus, daneben eine Schule. Die Welt ist in der sächsischen
Kleinstadt zwar nicht sonderlich schön, aber sie war aus Sicht von
Einwohnern und Urlaubern zumindest lange in Ordnung.
"Bis das Theater losging", sagt Sylvia Fritzsche,
Vize-Geschäftsführerin des Hotels. Die 29-Jährige meint die
Ausschreitungen rund um eine Flüchtlingsunterkunft vor etwas mehr als
einer Woche. Mehr als 30 Polizisten wurden dabei verletzt. Flüchtlinge
sollten in einen alten Baumarkt einziehen, rechte Krawallmacher wollten
das verhindern. Nur unter massivem Polizeischutz konnten die Flüchtlinge
einziehen. Mittlerweile wohnen knapp 600 in dem alten Baumarkt.
Hotelmanagerin Fritzsche kommt aus Heidenau. Dass ausgerechnet in dem
von rechten Krawallen in die Schlagzeilen geratenen Ort ein Hotel mit
dem Namen Reichskrone steht - Fritzsche seufzt. Der Name sei schon viel
älter als das Dritte Reich, sagt sie. Das Hotel sei weit über 100 Jahre
alt. Vor ein paar Tagen war Comedian Oliver Pocher im Ort. "Wo ist wohl
das Pack?", fragt er in seinem Internet-Video. "Natürlich in der
Rrreichskrrone." Fritzsche kann über die Szene nur kurz lachen. "Durch
die ganze Geschichte mit den Ausschreitungen haben wir zahlreiche
Stornos." Viele Menschen riefen an und fragten, ob alles sicher sei in
dem 16000-Einwohner-Städtchen. "Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber
wir wurden ja nicht mal gefragt."
Wer in Heidenau über die Straßen geht, sieht nicht viele Menschen.
Einige gehen im Supermarkt gegenüber der Flüchtlingsunterkunft
einkaufen. An zwei nebeneinander platzierten Buden gibt es "echte
Thüringer Rostbratwurst". Nur die Hauptstraße des Ortes trennt die
Rostbratwurst von den Flüchtlingen. "Germany is so beautiful", sagt
Mohammad Gomah. Deutschland ist so schön. Mohammad ist 19 Jahre alt und
innerhalb von zwei Jahren aus seiner Heimatstadt Herat in Afghanistan
nach Deutschland gelaufen. Mehr als 5000 Kilometer zu Fuß. Dass es in
Heidenau viele Gegner der Unterkunft gibt, störe ihn nicht. Da wo
Mohammad herkommt, gibt es schlimmere Dinge. "Germany is so beautiful."
In Heidenau sehen das viele mittlerweile anders. Nach der Wende haben
sie ihren Ort zu dem aufgebaut, was er jetzt ist. Heidenau ist nicht
schön, aber auch nicht hässlich. Es gibt einige Hotels, ein Freibad und
ein Erlebnisrestaurant. Auf der Radrennbahn haben schon
Weltklassesportler ihre Runden gedreht. Einer, der mitgeholfen hat, das
aufzubauen, steht vor dem Vereinsheim des SSV Heidenau. Frank Müller
(68) ist Präsident des größten Sportvereins der Stadt. Die Radrennbahn
sei das Aushängeschild, sagt er. Nach der Wende habe alles in dem
kleinen Ort brach gelegen. Heidenau sei "ein Moloch" gewesen. Es habe
Jahre gedauert, bis die Stadt zu dem werden konnte, was sie nun sei.
"Und innerhalb eines Tages ist der ganze Ruf im Eimer."
Mittlerweile ist Heidenau deutschlandweit bekannt. Nicht wegen der
Radrennbahn. "Auf jeden Fall schämen wir uns für die Leute", sagt Müller
über die rechten Krawallmacher. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) nannte
sie "Pack". Als Müller gefragt wird, warum das "Pack" ausgerechnet in
Heidenau vertreten ist, spricht er von seiner Zeit als Biologie-Lehrer.
Man könne sich die Entwicklung der rechten Szene in seinem Ort wie ein
Pilzgeflecht in der Erde vorstellen. "Das sieht keiner und es kann sich
problemlos im Verborgenen ausbreiten." Deutlich sichtbar wurde es
erstmals im Oktober 2014, als die Facebook-Gruppe "Heidenau-Hört-Zu"
gegründet wurde. Damals gab es erstmals Gerüchte, dass Asylbewerber in
der Stadt untergebracht werden sollen. Beiträge wie "Nein zum Heim"
werden in der Gruppe geteilt.
Bei der Kommunalwahl am 24. Mai zog Rico Rentzsch (27) als einziger
NPD-Kandidat in den Stadtrat ein. "Solchen Leuten", sagt Müller,
"begegnet man hier im täglichen Leben nicht." Mit Blick auf die fast 600
Flüchtlinge sagt Müller aber auch: "Man braucht sich nicht wundern,
dass die Leute Angst haben. Ich habe nichts gegen Flüchtlinge, aber man
kann die Grenze nicht abschätzen, wo es aufhört." Keiner weiß, was
kommt. Aber fast alle haben Angst davor. Erst am Montagabend gab es in
der Notunterkunft eine Schlägerei. Der Streit begann an der
Essensausgabe, wo sich ein Inder (37) vordrängelte und dabei eine
schwangere Syrerin (29) abdrängte. Als deren Ehemann ihr zur Seite
stand, eskalierte die Situation. Die Polizei beendete die
Auseinandersetzung, gegen sechs Tatverdächtige wird ermittelt.