Regierung rechnet mit mehr Arbeitslosen, wenn Flüchtlinge bleiben - und sieht die "schwarze Null" in Gefahr
Von Dieter Wonka
Berlin. Mit einem Paket von Sondermaßnahmen will die Bundesregierung das Gespräch mit Ländern und Kommunen auf dem Flüchtlingsgipfel am 24. September voranbringen. Die fachlich Zuständigen und die Verantwortungsträger in der Bundesregierung sprechen von einer "für Deutschland so nicht gekannten Herausforderung". Der Bund stellt sich auf Milliardenzahlungen ein. Jetzt schon zeichnet sich ein Maßnahmenbündel für den Flüchtlingsgipfel im September ab.
Nach Informationen dieser Zeitung denkt die Bundesregierung an die
Errichtung einiger großer und zentraler Erstaufnahmezentren. Diese
könnten unter Umständen auch vom Bund direkt betrieben und für die
Länder verwaltet werden. In solchen Einrichtungen ließen sich die
Asylanträge schnell und mit möglichst geringem Bürokratieaufwand
abarbeiten, heißt es zur Begründung. Infrage kommen dafür große
ehemalige Bundeswehrkasernen. Voraussetzung ist aber, dass sich einige
Kommunen von eigenen Plänen für diese Leerstandsimmobilien
verabschieden. Diese Erstaufnahmezentren sollen aber keine
Dauereinrichtung werden.
Um unbürokratisch winterfeste Unterkünfte in ausreichender Zahl zu
organisieren, auch mit verändertem EU-Vergaberecht, sollen klassische
Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Dies werde vom Brandschutz
über die Bebauungsordnung bis zu Ausschreibepflichten für Aufträge
reichen. Darüber hinaus will man dem Medizinermangel bei der
Gesundheitsuntersuchung von Flüchtlingen begegnen, indem bereits
pensionierte Mediziner attraktive Zeitarbeitsangebote erhalten sollen.
Außerdem könnte der Gesundheitscheck mit Blick auf ansteckende Krankheiten für Fachärzte wie Augen- oder Hautärzte geöffnet werden. "Die Lage übersteigt alles, was wir gedacht haben", lautet die Begründung. Deutschland werde zum Schwerpunktland der Flüchtlinge. Aber niemand solle sich daran beteiligen, Deutschland in eine Katastrophe hineinzureden. Darin seien sich CDU, CSU und SPD bei Verabredungen der Parteispitzen einig gewesen, bestätigen Parteikreise. Es wäre aber auch nicht redlich, den Bürgern in der Bundesrepublik verlässlich klingende Prognosen über die Flüchtlingszahlen in den nächsten Jahren zu nennen. Erwartet werden wegen der instabilen Verhältnisse sehr viel mehr Flüchtlinge aus Afghanistan - während man für Balkan-Flüchtlinge mit abnehmenden Zahlen rechnet.
Sorge bereiten der Bundesregierung die möglichen Auswirkungen der
Flüchtlingsbewegung auf den Arbeitsmarkt. Nach Abschluss der
Asylverfahren werden die Zuwanderer Teil der Arbeitsmarkt- und
Sozialstatistik. So wird im Arbeitsministerium bereits mit einem
Negativtrend bei den Arbeitslosenzahlen auch für das Wahljahr 2017
gerechnet. Es gibt bereits erste Hinweise auf geschätzt 100000
zusätzliche Arbeitslose in den kommenden Monaten.
Auf den Bundeshaushalt kämen dadurch mehr als eine Milliarde Euro an
Kosten zu, auch im Rahmen von Hartz IV. Im Finanzministerium wird darauf
verwiesen, dass die verabredete "schwarze Null" im Bundeshaushalt in
Gefahr geraten dürfte. Folglich müssten alle nicht abgeflossenen und
freien Mittel, darunter eventuell auch die eigentlich für das gekippte
Betreuungsgeld ausgewiesenen Gelder, der einen großen Aufgabe der
Flüchtlingsbetreuung zugeführt werden.
Schon jetzt werden für den laufenden Haushalt 290 Millionen Euro
Zusatzkosten aufgrund der Flüchtlingssituation veranschlagt, für die
noch keine Deckungsvorschläge vorliegen.