Sachsens Agenten im Stress

Erstveröffentlicht: 
11.08.2015

Der oberste Verfassungsschützer will mehr Personal. Grund sind die Anti-Asyl-Proteste und ihre Folgen.

 

Er ist kein Mann, der öffentlich jammert oder lamentiert. Dass Sachsens Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath eine Forderung erhebt, kommt höchst selten vor – selbst in Zeiten immer höherer Arbeitsbelastung für sein Haus.

 

Jetzt ist es so weit. Zwar formuliert er es diplomatisch und greift niemanden an. Aber die Absicht ist klar. „Wenn die Aufgabenbelastung (...) weiter zunimmt, sollte perspektivisch auch im Bereich Verfassungsschutz über Personalzuwachs nachgedacht werden“, teilt er mit. Gemeint sind damit vor allem Herausforderungen, die die Anti-Asyl-Proteste mit sich bringen.

 

„Die hohe Arbeitsbelastung für den Verfassungsschutz in Sachsen resultiert aus den zunehmenden Versuchen von Rechtsextremisten, die Asyldebatte für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“, betont Präsident Meyer-Plath. Parallel dazu unternehme das in Dresden ansässige Landesamt „gegenwärtig vielfältige Anstrengungen, um weitere Straftaten durch Übergriffe von Rechtsextremisten auf Asylbewerberunterkünfte zu verhindern“.

 

Im Klartext heißt das: Durch die Anti-Asyl-Proteste sehen sich Neonazis im Aufwind. Und offenbar besteht die Gefahr weiterer Angriffe auf Heime. Um wirkungsvoll gegenzusteuern, will der Geheimdienst mehr Personal.

 

Das Amt hat 187 Stellen und zählt damit im Osten zu den großen Verfassungsschutzbehörden. Zum Vergleich: Der Berliner Geheimdienst hat knapp 200 Stellen. Der Großteil der sächsischen Mitarbeiter analysiert den politischen Extremismus, Schwerpunkt Rechtsextremismus.

 

Doch das Asylthema hat auch andere Facetten. Meyer-Plath verweist auf „zahlreiche militante Aktionen“, hauptsächlich in Leipzig aus dem linksextremistischen Spektrum. Diese hätten sich etwa gegen Ausländerbehörden als Vertreter des Staates, gegen Rechtsextremisten oder gegen asylkritische Gruppen gerichtet. Zudem fügt der Verfassungsschutzchef in einem schriftlichen Statement hinzu: „Darüber hinaus müssen wir aktuell Einzelhinweisen nachgehen, dass sich unter den zahlreichen nach Deutschland kommenden Flüchtlingen möglicherweise auch Islamisten und/oder sogar Dschihadisten befinden könnten.“ Kurzum: Für den Dienst gibt es viel zu tun. Zwar hat der Verfassungsschutz keine Polizeibefugnisse. Doch kann er Strafverfolgern wichtige Hinweise geben.

 

Die Bedrohung von rechts ist offenbar die größte. Organisierte Neonazis versuchen, sich an asylkritische, aber eben nicht offen extremistische Demonstrationen anzudocken. „Dazu bieten sich Rechtsextremisten gerne als Unterstützer bei der Organisation und Durchführung asylkritischer Veranstaltungen an und beabsichtigen dadurch, Einfluss auf Ziel und Art des asylkritischen Protestes zu gewinnen“, heißt es in einer Lageeinschätzung des Dienstes.

 

Brandanschläge und Beleidigung

 

Dazu kommt: Allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres hat sich die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte in Sachsen drastisch erhöht. Das Dresdner Innenministerium registrierte 31 Straftaten – darunter Brand- und Sprengstoffanschläge, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Volksverhetzung. Im gesamten Vorjahr gab es 44 solcher Fälle. 2012 waren es acht. Der Verfassungsschutz ist bislang allerdings nicht im großen Stil aufgestockt worden. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es neben den punktuellen Verstärkungen als Ergebnis der Empfehlungen der Expertenkommission keine konkreten Planungen zur Personalaufstockung“, teilt das Amt mit.

 

Im Zuge der Kritik nach dem Auffliegen der NSU-Rechtsterroristen, die in Sachsen untergetaucht waren, hatte ein Dreier-Gremium den Landesverfassungsschutz untersucht. Zu den vor zwei Jahren abgegebenen Empfehlungen zählte, den Anteil an Stellen des gehobenen Dienstes zu erhöhen – das jedoch unter Beachtung genereller Abbaupläne.

 

Details nennt Meyer-Plath nicht. So bleibt offen, wie viele Stellen er konkret fordert. Der Vorstoß kommt jedenfalls in einer Phase, in der auch in anderen Bereichen mehr Stellen verlangt oder sogar geschaffen werden und Sachsen vom Personalabbau abrückt. Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat unlängst zusätzliche Einstellungen bei Polizeianwärtern ins Gespräch gebracht. Und Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) lässt Richter für Asylverfahren einstellen.