"Die Nerven liegen blank, weil viele nicht wissen, was mit ihnen passiert"

Erstveröffentlicht: 
03.08.2015

Innenminister Ulbig will nach Massenschlägerei heute Dresdner Flüchtlingslager besuchen

 

Von Simona Block


Dresden. Eine Massenschlägerei unter 100 Flüchtlingen im Dresdner Zeltlager hat am Wochenende den Ruf nach besseren Lebensbedingungen für die auf engem Raum campierenden Asylbewerber lauter werden lassen. Bei den Tätlichkeiten wurden nach Angaben der Polizei vom Sonntag acht Menschen, darunter eine Frau, verletzt. Rund 80 Beamte waren über Stunden auf dem Areal präsent, um für Ruhe zu sorgen, die sich dann auch einstellte.


Heute wollen Innenminister Markus Ulbig (CDU) und der Vorsitzende des Landtags-Innenausschusses, Mario Pecher (SPD), die Notunterkunft besuchen, die Ulbig nicht als Dauerlösung sieht. Aber angesichts des Flüchtlingsstroms nach Deutschland gehe es akut um Vermeidung von Obdachlosigkeit, hatte er am Freitag gesagt. Das Netzwerk "Dresden für Alle" zeigte sich von den Ereignissen im Lager nicht überrascht. "Die Nerven liegen blank, auch weil viele geflüchtete Menschen nicht wissen, was mit ihnen passiert", sagte Sprecher Erich Hattke. Neben Defiziten bei der Grundversorgung werde auch kaum Rücksicht auf kulturelle Unterschiede zwischen den Bewohnern genommen.


Die Landesdirektion Sachsen bemühte sich unterdessen um eine bessere hygienische Ausstattung der vor gut einer Woche errichteten Notunterkunft und bereitete für 600 neue Flüchtlinge Quartier in Sporthallen der Technischen Universität Dresden vor. Die Hallen können nach Angaben von Behördensprecherin Mandy Taube frühestens heute bezogen werden.


In dem vom DRK betriebenen Zeltlager sind zahlreiche Helfer am Werk, die Situation der aktuell 1026 Bewohner zu verbessern. Dort war am Samstagmittag ein verbaler Streit zwischen Syrern und Afghanen eskaliert. Nach unbestätigten Medienberichten soll ein Ball der Auslöser gewesen sein. Das DRK konnte sich die Eskalation nicht erklären und sprach von "eigentlich guter Stimmung". Am Ende bewarfen sich die jeweils 50-köpfigen Gruppen mit Pflastersteinen, Plastikstühlen und -tischen, Zeltstangen, Teilen von Feldbetten und anderen Gegenständen. Die Polizei trennte schließlich die Streitparteien und hielt sie über Stunden auf Abstand. Erst am Abend war die Situation befriedet und die zusätzlich eingesetzten Beamten wurden abgezogen, wie ein Polizeisprecher am Sonntag berichtete. Gegen die Randalierer wird ermittelt.


Auch Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) hält Zelte nicht für die geeignete Flüchtlingsunterkunft. Asylsuchende, darunter viele Familien und Kinder, in Zelten unterzubringen, "kann und darf kein Dauerzustand sein", sagte Köpping und versprach Verbesserungen. Das geht laut Landesdirektion jedoch nur in kleinen Schritten. Mit der Ankunft weiterer Dusch- und Toilettencontainer sollen zum Beispiel die Dixie-Klos bis nächste Woche komplett verschwinden. "Die hygienischen Bedingungen haben sich schon verbessert", sagte Sprecherin Taube. So müssten die Toiletten nicht mehr geleert werden, und Zeltbewohner könnten auch ihre Sachen reinigen.


"Wir sind dabei, den Not- in einen Regelbetrieb zu überführen", sagte DRK-Sprecher Kai Kranich. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Eva Jähnigen mahnte vor allem eine bessere Gesundheitsversorgung und Ernährung der Menschen an. "Die gesundheitliche Versorgung darf nicht allein auf ehrenamtlichem Engagement fußen", sagte sie. Zudem seien die Essensportionen zu klein, vor allem für Schwangere, Stillende und Heranwachsende. "Hier muss schnell Abhilfe geschaffen werden." Familien mit Kleinkindern und Schwangere sollten zudem schnell in feste Quartiere umziehen.


Die beiden Uni-Sporthallen im Süden der Stadt bieten unter Umständen auch die Möglichkeit für Verlegungen, sagte Taube. Dort bauten Helfer von DRK und Technischem Hilfswerk sowie Freiwillige 605 Feldbetten auf, sortierten Decken und Schlafsäcke - in erster Linie für Frauen und Kinder unter den neuen Asylbewerbern. "Es gibt 52 Duschen, 30 Toiletten und acht Dixie-Klos." Die TU arbeitet nach eigenen Angaben auch an einer Kinderbetreuung.