Am 19. April kenterte ein Boot etwa 110 km vor der Küste Lybiens. Auf dem Boot waren über 700 Personen. Ihr Ziel war Europa. Vermutlich waren auch sie auf der Flucht vor Krieg und Leid in ihren Herkunftsländern – genauso wie die meisten Geflüchteten, die auf dem Seeweg nach Europa gelangen wollen. Ihre Flucht endete jedoch im Tod. Lediglich 28 Personen konnten nach dem Bootsunglück gerettet werden. Nur eine Woche zuvor starben mindestens 400 Menschen beim Untergang eines anderen Bootes ebenfalls vor der lybischen Küste. Erst nach dem zweiten Unglück gab es soetwas wie Empörung in der europäischen Öffentlichkeit. EU-Politiker*innen mahnten, ergingen sich ein paar Tage im Mitleid und sprachen von einer‚Tragödie ungekannten Ausmaßes‘. Das ist Unsinn. Zum einen, weil das massenhafte Sterben an den EU-Außengrenze keine Neuigkeit ist: Fast 30.000 Menschen kamen seit dem Jahr 2000 beim Versuch das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren ums Leben. Zum anderen, weil die Unfälle keine Tragödie sind. Sie sind nicht schicksalhaft oder unabwendbar, nicht Unglück, sondern vielmehr Ergebnis politischer Entscheidungen, die in Europa getroffen wurden und seit Jahren mit erheblichem Aufwand umgesetzt werden.
Ihr erklärtes Ziel ist es, unerwünschte Einwanderung zu verhindern. Eine dieser Entscheidungen war, schon vor ein paar Jahren, die Gründung der europäischen Grenzschutzagentur FRONTEX. Seit ihrer Gründung im Jahr 2003 ist FRONTEX dafür verantwortlich den „Schutz“ der EU-Außengrenzen zu koordinieren und zu organisieren. Ziel dieser Kooperation ist es von Beginn an, deutsche Effizienz und Gründlichkeit und das geballte technische Potential europäischer Sicherheitsarchitektur an den Außengrenzen in Stellung zu bringen und so den Grenzschutz, der in aller erster Linie eine Verhinderung illegaler Einreise bedeutet, zu perfektionieren. Die Toten im Mittelmeer sind eine Folge dieser Perfektionierung, denn über den Landweg ist es mittlerweile schier unmöglich nach Europa zu kommen.
Damit das auch so bleibt und damit auch bald die Grenzen auf See noch sicherer sind, überschreiten die unter FRONTEX eingesetzten Grenzschützer*innen auch schon mal Grenzen ganz anderer Art. Dass FRONTEX an sogenannten push-backs, also Abschiebungen ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen, oder dem Aufbringen und Abdrängen von Schiffen auf hoher See beteiligt ist, geben die FRONTEX-Offiziellen freimütig zu. Dass an der türkischen-griechischen Grenzescharf auf Gummiboote geschossen wird, darüber redet man allerdings nicht so gern.Der Aufgabenbereich von FRONTEX geht aber weit über die eigentliche Verhinderung von Grenzübertritten hinaus. Auch die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden sogenannter Drittstaaten wird von der Agentur koordiniert. Und ist ein Land der EU einmal nicht in der Lage eine größere Zahl von Geflüchteten ordnungsgemäß abzuschieben, steht FRONTEX bereit und unterstützt tatkräftig.
Wenn also irgend eine Scheiße in Europa passiert, die etwas mit Geflüchteten zu tun hat, stehen die Chancen bestens, dass FRONTEX ihre Finger im Spiel hat. Paul Voß, Experte für Risikoanalyse, ist Mitarbeiter von FRONTEX. Er soll am 24. Juni im Rahmen einer Ringvorlesung der HTWK einen Vortrag unter dem Motto „Europäische Kooperation an gemeinsamen Grenzen“ halten…
So richtig passt uns das nicht in den Kram…
Kein Mensch ist illegal.
Kundgebung: PUSH BACK FRONTEX // 24. Juni 2015 / 16 Uhr / HTWK (Karl-Liebknecht-Straße/Richard-Lehmann-Straße)