Autonome Nationalisten Göppingen: 13 weitere Angeklagte

Erstveröffentlicht: 
05.05.2015

Der Prozess gegen vier mutmaßliche Rädelsführer der Autonomen Nationalisten Göppingen plätschert vor sich hin. Jetzt sieht die Stuttgarter Staatsanwaltschaft genug Gründe, um noch zwei Prozesse gegen Göppinger Neonazis zu führen.


Göppingen/Stuttgart - Es hatte sich bereits angekündigt im zurzeit laufenden Prozess gegen Mitglieder der Autonomen Nationalisten Göppingen (ANGP) vor dem Stuttgarter Landgericht. Immer wieder hatte die Vorsitzende Richterin Manuela Haußmann Zeugen aus dem Umfeld der rechtsextremen Gruppe darauf hingewiesen, dass die Polizei gegen sie ermittle und dass sie deshalb die Aussage verweigern könnten. Inzwischen habe die Staatsanwaltschaft so viele Verdachtsmomente gesammelt, dass sie nun zwei weitere Anklagen rausgeschickt habe, sagte eine Sprecherin auf Nachfrage der Stuttgarter Zeitung.

 

Zwei Anklagen, 13 Beschuldigte

 

Die erste Anklage richte sich gegen sechs weitere Beschuldigte, die andere gegen sieben, hieß es. Der Vorwurf gleiche dem gegen die ersten vier Angeklagten, die zurzeit vor Gericht stehen: Es gehe um „mitgliedschaftliche Beteiligung“ an einer kriminellen Vereinigung, ferner um Delikte wie Körperverletzung und Beleidigung.

 

Der erste Prozess hat im Januar begonnen und ist zunächst für rund ein Jahr terminiert. Im Fokus stehen darin vier mutmaßlich führende Köpfe der rechtsextremen Gruppe, zwei von ihnen sitzen in Untersuchungshaft. Mitglieder der ANGP hatten mit Demonstrationen, Schmierereien, Aufklebern und Gewalt über Jahre hinweg Unruhe in Göppingen und in der Umgebung der Stadt geschürt. Gegen Ende des vergangenen Jahres hat der Innenminister des Landes, Reinhold Gall (SPD), die Gruppe schließich verboten.

 

„Riesenberge“ von Akten sind zu sichten

 

Die beiden neuen Anklagen bearbeitet nach Auskunft der Staatsanwaltschaft die 18. Kammer des Landgerichts – ebenso wie das laufende Verfahren. Da von den neuen Beschuldigten keiner in Untersuchungshaft sitze, könne es noch eine ganze Weile dauern, bis es einen Termin für die weiteren Prozesse vor der Staatsschutzkammer gebe. Die Juristen hätten „Riesenberge“ von Akten zu sichten.

 

Mit den beiden neuen Anklagen seien die Ermittlungen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft zur ANGP vorerst abgeschlossen, sagte die Sprecherin. Ermittelt wurde gegen 22 Verdächtige. Anklagen gibt es gegen 17 Beschuldigte, die vier, die zurzeit schon vor Gericht stehen, und die 13 neuen. Die Ermittlungen zu den restlichen fünf Verdächtigen wurden teilweise an andere Staatsanwaltschaften abgegeben, teilweise wurden sie aus unterschiedlichen Gründen eingestellt – in zwei Fällen allerdings nur gegen eine Auflage.

 

Wer schlecht über Nazis redet, wird angegriffen

 

Der Stuttgarter Prozess plätschert unterdessen vor sich hin. Am Montag wurde ein Zeuge zu einer Party befragt, die vor knapp fünf Jahren stattgefunden hat. Dabei soll ein Besucher angegriffen worden sein, weil er sich negativ über Nazis geäußert hatte. Der Zeuge beteuerte mehrfach, sich an nichts zu erinnern – nicht einmal an den Angeklagten Daniel R., über den er mit der Polizei noch gesprochen hatte. Haußmann machte klar, dass sie dem 19-Jährigen sein schlechtes Gedächtnis nicht abkaufe, und ordnete an, dass er demnächst mit einem Anwalt noch mal vor Gericht zu erscheinen hat.

 

Am vergangenen Donnerstag waren mehrere Ermittler gehört worden. Sie beantworteten unter anderem die Frage, wie viele ANGP-Aufkleber wo verklebt worden waren und wie leicht oder schwer sie sich entfernen ließen. Ein 60 Jahre alter Polizist aus Esslingen nannte den Angeklagten Manuel G. als Betreiber der ANGP-Homepage. Auf Nachfrage konnte er allerdings nicht mehr klar sagen, woraus er diesen Schluss gezogen hat. Die Gruppe ANGP klassifizierte er als „eine Gruppe Rechtsextremer, die sich zusammengeschlossen haben, um gegen die demokratische Grundordnung vorzugehen und die Auseinandersetzung mit der Antifa zu suchen“.

 

Lästereien, Demopläne und Kochrezepte

 

Zwischen den Zeugenvernehmungen werden immer wieder Mitschnitte von Telefonaten gehört, die der Angeklagte Daniel R. geführt hat. Aussagekräftig sind manchmal nur wenige Sätze aus den zum Teil langen und belanglosen Gesprächen. Mal geht es um Planungen von Demonstrationen, mal um Querelen innerhalb der Gruppe. Dabei wird nicht selten gelästert. Dazwischen tauschen die Gesprächspartner aber auch hin und wieder mal Kochrezepte aus.

 

Der Prozess wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt.