Heute wurde in der Wallrißstraße 2 in Wien Währing ein Haus besetzt. Eine Erklärung der Squater_innen zur Besetzung ist hier zu finden. An der Fassade wurden mehrere Transparente angebracht, die auf die vielfältigen Kämpfe, die wir führen, hinweisen. Die Polizei belagerte das Haus, das im Erdgeschoss ein Restaurant sowie ein weiteres Stockwerk mit Wohnraum umfasst, für mehrere Stunden. Neben Bereitschaftspolizei und Verfassungsschutz waren auch Hundestaffel und WEGA vor Ort. Letztere begann gegen 19:00 dann mit der Räumung. Die Besetzer_innen erhielten zeitweise stimmkräftigen Support von einer Spontankundgebung an der Kreuzung vor dem Haus. Es kam noch während der Besetzung zu mehreren Identitäsfeststellungen von Passant_innen, Festnahmen sind uns aktuell keine bekannt.
Diese Besetzung wird sicher nicht die letzte sein. - Bleibt informiert, bleibt solidarisch. Let's squat!
Unsere Solidaritätserklärung mit der Besetzung:
KÄMPFE IN DEN ALLTAG TRAGEN
In Wien, Frankfurt und überall
Gentrifizierung, Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit trotz gleichzeitigem Leerstand und das in einer Stadt, die sich rühmt, jene mit der weltweit höchsten Lebensqualität zu sein? Willkommen in Wien. Willkommen im Kapitalismus. Um dem eigenen Bedürfnis nach Wohnraum nachzukommen, um ein soziales Zentrum zu schaffen und um Widerstand gegen die kapitalistische Stadtentwicklung zu zeigen, wird jetzt wieder besetzt...
Weltweite Hungerprobleme bei einer Produktivkraft, die problemlos alle Menschen dieses Planeten versorgen könnte oder Obdachlosigkeit inmitten von Städten, in denen massenweise Häuser leer stehen, sind nur besonders plakative Beispiele für eine viel grundsätzlichere Irrationalität der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist eine historische Eigenheit des Kapitalismus, dass potentiell alle Dinge Warenform annehmen. Dinge wie Nahrungsmittel, Wohnraum oder Smartphones sind demnach nicht nur Gebrauchsgegenstände, die produziert werden, um ihren Benutzer_innen das leben zu erleichtern, sondern in erster Linie Waren. Waren charakterisieren sich dadurch, dass ihnen neben den sinnlich wahrnehmbaren und für die Bedürfnisbefriedigung unmittelbar relevanten Gebrauchswerten auch ein Tauschwert zukommt. Wer also ein Produkt nutzen möchte, muss es erst durch Tausch gegen eine andere gleichwertige Ware bzw. deren Geldäquivalent Eigentum daran erwerben. Alle anderen sind von der Nutzung prinzipiell ausgeschlossen, ganz gleich wie dringend ihr Bedarf ist. Für die Produktion in kapitalistischen Verhältnissen zählt nur ein Bedürfnis: das zahlungskräftige.
Um zahlungsfähig zu sein, muss die Mehrheit der Menschen die einzige Ware verkaufen, die sie von sich aus produzieren können: die Ware Arbeitskraft. Gerade in Zeiten ökonomischer Krise und interkontinentaler Fluchtbewegungen ist es für viele Menschen allerdings gar nicht möglich, diese zu verkaufen. Entweder weil sie schlicht keine Abnehmer finden oder weil durch rassistische Gesetze dafür gesorgt wird, dass sie es nicht einmal versuchen dürfen. Demzufolge können immer mehr Menschen immer grundlegendere Bedürfnisse wie Nahrung, Wohnen und Gesundheitsversorgung nicht mehr stillen und das obwohl die dafür nötigen Produkte und Leistungen eigentlich massenhaft bereitstehen würden. Es scheint als ob mit dieser Welt etwas nicht stimmen würde.
Das besetzen von Häusern hebt diese fatale Logik kapitalistischer Verhältnisse nun keineswegs auf und auch wer noch so alternativ und widerständig lebt, kann sich dem gewaltsamen Einfluss dieser Gesellschaft nicht entziehen. Was so ein besetztes Haus allerdings sehrwohl kann, ist verdrängten Individuen einen Raum zu geben, in dem sie leben können. Im Kampf für solche Häuser handelt es sich also erst einmal um einen Abwehrkampf gegen die Folgen kapitalistischer Stadtentwicklung. Gleichzeitig kann ein besetztes Haus Raum für emanzipatorische Bewegungen bieten, die an einer Welt arbeitet, in der Obdachlosigkeit, Verdrängung und Substandard-Wohnungen der Geschichte angehören – einer Welt in der Kapitalismus der Geschichte angehört.
Weil der Kapitalismus aber noch ganz real existiert und seine Überwindung bei den meisten Menschen noch nicht auf der Tagesordnung steht, kommen wir nicht umhin, überall kleine oder größere Abwehrkämpfe zur Verteidigung unserer Bedürfnisse zu führen. Vereinzelt können wir dabei vielleicht die eine oder andere Verschlechterung unserer Lebensbedingungen verhindern, das schöne Leben für alle erreichen wir dadurch aber sicher nicht.
Vielmehr erscheint es uns wichtig, sich gegen die bestehenden Verhältnisse und deren Fortbestand über alle Teilbereiche linker Politik und alle Staatsgrenzen hinweg zu organisieren. Einen Gelegenheit dazu bieten die Blockupy-Proteste am 18. März in Frankfurt. Dort wollen wir mit Genoss*innen aus ganz Europa gegen die Folgen aktueller Krisenpolitik und für die Überwindung des Kapitalverhältnisses streiten. Genau das haben sich unter anderem die Bündnisse Beyond Europe – antiauthoritarian platform against capitalism - und das M18-Netzwerk zum Ziel gesetzt. In Wien, Frankfurt und überall wollen wir all die lokalen Kämpfe zusammenbringen, zusammen führen und zusammen eine neue Welt erschaffen, in der die Produkte den Bedürfnissen der Menschen dienen und nicht die Menschen den blinden Sachzwängen der Produktion. Diese Gesellschaft nennen wir Kommunismus.