Extremismusforscher: Legidas Forderungen sind ausdrücklich rechtsextreme Inhalte

Erstveröffentlicht: 
28.01.2015

Leipzig. Die islamkritische Bewegung Legida will an diesem Freitag zum dritten Mal in Leipzig marschieren. Sie wird politisch als deutlich weiter rechts eingeschätzt als das Dresdner Vorbild Pegida. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur sagt der Vorstandssprecher des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig, Oliver Decker, wo er die Bewegungen verortet. 

 

Kann die Pegida-Bewegung mit ihren verschiedenen Ablegern unserer Demokratie gefährlich werden?

Oliver Decker: Aktuell besteht die Gefahr für Andersdenkende oder Migranten auf der Straße. Die weitere Gefahr, die von diesen Bewegungen ausgeht, ist mittelfristig und besteht in der Übernahme der entsprechenden Haltungen durch demokratische Parteien, um Wähler an sich zu binden. Das bedroht das politische Klima dann insgesamt, etwa wenn eine Pflicht gefordert wird, auch in den eigenen vier Wänden deutsch zu sprechen. Die Gefahr geht von der Mitte aus, nicht von den Rändern. Insgesamt ist zu beobachten, dass die Wellen rechtsextremer Wortmeldungen in den letzten Jahren kürzer aufeinanderfolgten und auch an Präsenz gewonnen haben. Wir müssen überlegen, wie die demokratische Gesellschaft auf entsprechende Herausforderungen in Zukunft reagieren will.

Zwei Demonstrationen und sehr viel Aggressivität. Wohin wird sich Ihrer Ansicht nach die Legida entwickeln?  

 

Oliver Decker: Es zeigt sich, dass Legida bisher stärker als Pegida Zulauf von ausdrücklich rechtsextremen Gruppen erhält. Wir haben in den letzten Jahren eine Entwicklung in der rechtsextremen Szene beobachten können, die von den Parteien weg, hin auf Organisierung ohne Organisation zielte: Junge Erwachsene organisieren sich nicht mehr in Parteien. In der extrem rechten Szene sind Gruppen auf dem Vormarsch, die sich „Freie Kameradschaften“, „Freie“ oder „Autonome Nationalisten“ nennen. Diese sind bei Legida sichtbarer beteiligt, als bei Pegida. Und sie gehören zu dem Spektrum der extremen Rechten, die Gewalt nicht nur billigt, sondern für notwendig hält.

Wie bewerten sie die Zusammensetzung der Demonstranten?

 

Oliver Decker: Bei bei den Demonstrationen sieht man, dass es eine hohe Bereitschaft gibt, auf rechte Parolen einzusteigen. Legidas Forderungen sind ausdrücklich rechtsextreme Inhalte, die denen im Nazi-Reich ähneln. Man will zweierlei Recht, eins für die Deutschen und eins für die Ausländer. Das ähnelt der Trennung des Rechts zwischen Deutschen und Ausländern in Nazi-Deutschland. Dahinter steckt die Frage, wer darf deutsch sein in Deutschland. Eine Gesellschaft, die sich vor allem über Abstammung definiert, hat eine lange und ungute Tradition in Deutschland. Das war auch im Nazi-Reich so. Es hat lange gebraucht, bis eine republikanische Idee mehr Raum bekam. Das soll nun wieder zurückgedreht werden.

Bei Legida ist die rechtsextreme Szene deutlicher vertreten als etwa bei Pegida. Das zeigt sich etwa am Auftreten der Ordner, aber auch in der Zusammensetzung: die in Leipzig deutlich vertretenen Freien Kräfte werden auch vom Verfassungsschutz als neonazistische Gruppen geführt. Mir scheint, beide Bewegungen sind im Kern eine autoritär strukturierte Bewegung, aber in Dresden waren lange Zeit noch mehr Menschen mit einem konventionellen Weltbild vertreten. Sie sind älter, befürworten möglicherweise Gewalt, würden sie aber selbst nicht anwenden. Denen sind trotz einer ähnlichen politischen Überzeugung die Gewaltbereiten nicht ganz geheuer. Die Dynamik, die dahinter steckt, nennt man autoritäre Aggression. Das sieht man an der Kehrseite, dem Wunsch nach einem starken Führer. Beispiel ist die Hinwendung zum russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin, der sein Land mit harter Hand führt. Dahinter steckt der Wunsch auf Unterwerfung unter eine Autorität, man will wieder den „starken Mann“ an der Spitze.

Zur Person: Oliver Decker arbeitet seit 1997 an der selbstständigen Abteilung für Medizinische Psychologie und medizinische Soziologie der Universität Leipzig. Der Promotion 2003 folgte 2010 die Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Seit 2002 leitet Decker die „Mitte“-Studien zur rechtsextremen Einstellung in Deutschland. Seit 2013 ist Vorstandssprecher des Kompetenzzentrums Rechtsextremismus- und Demokratieforschung.