Policing the Protest - Eine Chronik der NOWKR-Proteste & der Polizeiaktionen dagegen

Symbolbild Polizei

Um die jetzige Polizeitaktik zu verstehen, macht es Sinn, sich die Geschichte der NOWKR - Proteste sowie die Versuche der Polizei, ihrer Herr zu werden ,anzusehen.

Die ersten Proteste gegen den WKR - Ball gab es 2008. Eine Spontandemo(anfangs ca. 500 Menschen) startete von einem antifaschistischen Fest und zog direkt zur Hofburg, wo ein Fenster zu Bruch ging. Im Anschluss gab es Lagerfeuer am Ring und eine weitere Demo, die zur Burschenschaft der Olympia ging. Dabei gab es Barrikadenbau und weitere Fensterscheiben gingen zu Bruch. Die Polizei war von den Aktionen überrascht und war die meiste Zeit nicht zu sehen. Erst kurz vor der Olympia-Bude gelang es ihr, die Demo zu zerstreuen.


Ein Jahr später gab es eine angemeldete Demo, an der ca. 1000 Menschen teilnahmen. Das Ende der Demo war von Chaos innerhalb der Polizeiführung gekennzeichnet. Ein Polizist verletzte sich beim hektischen Versuch, das Burgtor zu schließen, schwer. Andere PolizistInnen als passive Zielscheiben für eine Schneeballschlacht. die mehr und mehr in einen Steinhagel überging, der DemonstrantInnen aufgestellt. Am Ring brannte wieder ein Lagerfeuer. Erst mit dem Wechsel der Polizeiführung wurde die Demonstration aufgelöst, wobei es zu mehreren Verhaftungen kam. Ein Aktivist musste für mehrere Monate in U-Haft und erfuhr leider wenig Solidarität.

 

Als Reaktion auf die Riots wurden 2010 und 2011 alle Demonstrationen verboten. Zum ersten Mal kam es in diesem Zusammenhang auch zu Platzverboten. 2010 wurden viele AntifaschistInnen und 700 Menschen, darunter auch AnrainerInnen und PassantInnen landeten in einem Kessel beim Westbahnhof. Eine Solidemo später in der Nacht wurde ebenfalls brutal aufgelöst, indem Menschen die U-Bahn-Treppen runtergestossen wurden etc. Dennoch gelang es einer Gruppe RadfahrerInnen, Ballgäste zu "begrüßen". Das Jahr danach gab es eine unangemeldete, wütende Vorabenddemo und mehrere Spontandemos während der Ballnacht. Die Polizei reagierte wieder mit Kesselungen und Prügelorgien. Aber wieder gelang es AntifaschistInnen zu Fuß und zu Rad , an die Absperrungen zu kommen und Ballgäste zu "begrüßen".

 

2012 nahmen die Proteste die heutige Form an. Aufgrund von medialen Druck und der Erfolglosigkeit ihrer Verbotstaktik nahm die Polizei "Deeskalation" in ihr Programm auf. Keine Demo wurde verboten. Neben dem klassischen NOWKR- Bündnis bildete sich ein bürgerliches Bündnis, dass eine Kundgebung am Heldenplatz abhielt, und ein zivilgesellschaftliches Bündnis, die "Offensive gegen Rechts", dass Blockaden nach Vorbild von Dresden Nazifrei durchführte. Aus antifaschistischer Sicht war der Abend ein Erfolg. Insgesamt beteiligten sich zwischen 6000 und 8000 an den Protesten, viele Blockaden gelangen, die Eröffnung des Balles musste um 1 bis 2 Stunden verschoben werden, die Polizei war überfordert und das Platzverbot wurde ignoriert. Je später der Abend wurde, desto brutaler wurde die Polizei, die Unterstützung in Form von 2 Bussen inkl. Fahrer vom Bundesheer erhielt, und desto mehr Verhaftungen gab es. Trauriger Höhepunkt war ein Naziangriff auf einen SPÖ - Politiker vor den Augen einer untätigen Polizei.

 

2013 war aus aktionistischer Sicht eine Wiederholung von 2012, an der etwas weniger Menschen teilnahmen. Die Polizei hatte jedoch dazugelernt, und auf eine konsequente Verteidigung der Sperrzone gesetzt. Dadurch wurden die Blockaden ineffektiver. Medialer Höhepunkt war ein Farbbeutel, der den rassistischen und antisemitischen Hetzer Andreas Mölzer traf, und das erste Mal für eine breitere Gewaltdiskussion sorgte.

 

2014 versuchte die Polizei, ihr Erfolgsrezept des letzten Jahres zu wiederholen. Sie vergrößerte das Sperrgebiet, wodurch die Kundgebung des bürgerlichen Bündnisses " Jetzt Zeichen Setzen!" und zeigte bei den Demonstrationen, an denen dieses mal zwischen 8 000 und 10 000 Menschen teilnahmen, wenig Präsenz. Die Lage eskalierte, als nach dem offiziellen Ende der autonomen Demo eine kleine Polizeikette versuchte, den Weg in die Innenstadt abzusperren. Der darauf folgende 5-10 Minuten Riot wurde medial zu einem halben Bürgerkrieg aufgebauscht. Die Polizei setzte daraufhin vermehrt auf Prügel, viele AktivistInnen ließen sich jedoch vom Blockieren nicht abbringen, so dass es an mehreren Stellen zu kleineren und größeren Reibereien kam. Einigen Menschen gelang es,ein Stück weit in die Sperrzone einzudringen. Im Anschluss wurden mehr als 700 Menschen wegen der Reaktivierung mittelalterlicher Paragraphen angezeigt, zumindest 2 Personen saßen monatelang wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Aktionen in U-Haft- In den Medien herrschte tagelang die Gewaltdebatte.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Polizei jedes Jahr eine Zeitlang mehr oder weniger deutlich die Herrschaft über die Proteste verliert. Später am Abend revanchiert sie sich mit Prügelorgien, Kesselungen und Festnahmen. Ein Rezept gegen die dezentralen Proteste mit unterschiedlichen Aktionsformen hat sie noch nicht gefunden. Ein Totalverbot stellte sich als kontraproduktiv heraus, das Platzverbot alleine reicht nicht. Deswegen kommt dieses Jahr ein neues Mittel hinzu: Der Spaltung in gute und böse DemonstrantInnen. Mit einem kleineren Sperrgebiet, dass jedoch Richtung Karlsplatz ausgedehnt wurde, und dem Verbot der NOWKR - Demo versucht sie, 3 Fliegen mit einem Streich zu schlagen: Es wird versucht, die Proteste zu zentralisieren. Durch die Spaltung in gute DemonstrantInnen auf der Uni-Seite und böse DemonstrantInnen auf Karlsplatz - Seite wird die jeweilige Polizeitaktik - "Deeskalation" auf der einen, Härte auf der anderen Seite angepasst. Außerdem wird der Zufahrtsweg zum Ball über die Karlsplatz-Seite großräumig freigehalten. Geholfen wird ihr dabei von JournalistInnen, PolitikerInnen und Social - Media UserInnen, die bereits seit Wochen ein Gewaltdebatte führen. Viele der Distancingstars wünschen sich einen Krawall förmlich herbei, um so ihre eigene Passivität moralisch rechtfertigen zu können oder sie delegieren ihre Gewaltphantasien an die Polizei. ("De soin des Gsindel gscheit aufmischn!")

 

Anzumerken ist noch, dass der Ball selbst seine Bedeutung verändert hat. War er zuerst ein internationales Vernetzungstreffen von Rechtsradikalen inmitten von Wien, dass von der Öffentlichkeit ignoriert wurde, so ist er nun ein ein Prestigeobjekt der FPÖ, der seinen Ruhm daraus bezieht, dass er "trotz allem", also trotz Proteste, ohne großartige internationale Beteiligung und mit deutlich weniger Ballgäste, stattfinden kann.

 

Um auch dieses Jahr den rechtsextremen Gedankengut entgegenzutreten und die Polizeitaktik zu unterlaufen, ist es wichtig, sich in der Bezugsgruppe einen eigenen Kopf zu machen, sich vor keine falschen Karren spannen zu lassen, spontan und kreativ zu bleiben und wichtigsten: Die Spaltungsversuche ins Leere laufen zu lassen! Egal welche Aktionsform ihr wählt, egal, wie schwierig es manchmal ist:

! ! ! B L E I B T S O L I D A R I S C H ! ! !