Dass es zu Silvester knallt und kracht ist nichts Neues. Böller und Raketen sollen Glück bringen. Dieses Jahr könnte das in Leipzig aber noch in einem ganz anderen Kontext stehen. Anonyme User drohen im Internet mit Gewalt auf 50 Ziele in der gesamten Stadt.
von Karoline Scheer, MDR INFO
Zum Jahreswechsel steigen Raketen in die Luft und Böller knallen. In Leipzig könnten aber auch andere Töne, zum Beispiel splitterndes Glas, zu hören sein. Scheiben könnten bersten, weil sie zerschlagen werden.
Auf einem Internetportal der linken Szene kursiert seit dem 17. Dezember eine Drohung vor Anschlägen auf 50 Ziele in der Stadt. Darunter Arbeitsämter, Banken und Versicherungen, Polizeistationen, Immobilienmakler, Parteibüros und Privatwohnungen.
"Wir haben uns für Leipzig fünfzig von hundert Firmen, Ämtern und Menschen ausgesucht, deren Aufgabe es ist, den Reichtum der Welt ungerecht zu verteilen – wenn nötig mit Gewalt. Diese Gewalt wird jetzt zurückkommen", heißt es in dem Beitrag.
Polizei nimmt Aufruf ernst
Die Polizei nimmt das ernst, denn schon der Aufruf zur Gewalt gilt als Straftatbestand. Polizeisprecher Andreas Loepki erklärt: "Wir können nicht sagen, dass es nur Humbug ist. Wir haben auch schon Straftaten, die darauf hindeuten, dass Leute sehr wohl gewillt sind, dem Aufruf zu folgen. Deshalb nehmen wir das ernst und haben die Öffentlichkeit bemüht, was sicher eine zweischneidige Geschichte ist."
Am Connewitzer Kreuz, wo es in den 90ern und Anfang der 2000er Jahre besonders häufig zu Silvesterkrawallen zwischen Linksextremen und der Polizei gekommen ist, gibt es kaum jemanden, der noch nicht von der Drohung gehört hat. "Ich habe es in der Zeitung gelesen", sagt ein Mann. "Hat sich herumgesprochen unter Freunden, die besorgt waren", ergänzt eine Frau. Und ein anderer Mann hat es von seiner Schwiegermutter erfahren. Sie "hat es mir beim Kaffeetrinken erzählt."
Keine Stellungnahme von der Stadt
Die Stadt Leipzig hat dazu noch keine Stellungnahme veröffentlicht. Die Leipziger selbst sind mit ihrem Urteil schneller: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass hier was passiert. Es wird genug Polizei da sein am Connewitzer Kreuz, wie immer", sagt ein Mann. Eine junge Frau: "Ich bin ehrlich, ich finde es prinzipiell Scheiße. Das ist einfach nicht okay." Und ein Passant meint: "Es ist so 50:50, einerseits um Aufmerksamkeit zu erzeugen, okay. Aber es sind auch Sachen, die anderen gehören und deshalb sollte man es nicht machen."
Eigentum selbst schützen
Das Dezernat "Staatsschutz" hat den Fall übernommen. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft läuft. Die 50 Behörden und Personen, die in der Internetliste als Anschlagsziele genannt sind, wurden kontaktiert. Sie sind selbst verpflichtet, ihr Eigentum zu schützen - beispielsweise durch Rollläden oder Gitter. Polizeisprecher Andreas Loepki: "Wir müssen ganz offensiv sagen, dass es nicht möglich ist, die namentlich genannten 50 Ziele und darüber hinaus, die Liste ist ja nicht abschließend, zu betreuen im Sinne eines Standpostens. Das ist faktisch nicht möglich, die Ressourcen sind nicht da." Das heißt, die Polizei schickt regelmäßig und unregelmäßig Beamte zu den Zielen.
Wie wahrscheinlich es ist, dass es an Silvester zu zerschmissenen Fensterscheiben oder Schlimmerem kommt, kann der Polizeisprecher schlecht prognostizieren. Er rät allen Bürgern Verdächtiges über die 110 zu melden.