„Sport frei“ mit 44 Verletzten

Erstveröffentlicht: 
27.10.2014

Um die 4000 rechte Hooligans und Neonazis „demonstrierten“ am Sonntagnachmittag in Köln. Am Ende der Veranstaltung, zu der die „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) aufgerufen hatten, werden mehr als 40 Verletzte gezählt.

Man möge doch künftig auf die Bezeichnung „Hooligans gegen Salafisten“ verzichten, meint einer der Redner ganz zu Beginn bei der Auftaktkundgebung am Kölner Hauptbahnhof. Zu martialisch, abschreckend für „Normalbürger“ erscheint ihm der Begriff. Man müsse zur „Bürgerbewegung“ werden, bei der auch Familien mit Kindern mitdemonstrieren würden, schlägt er vor. Doch der Beifall, den er erntet, ist eher flau. Ein anderer Redner widerspricht ihm umgehend.

 

Die Mehrheit der hier Versammelten mag die Ideen des Hooliganismus – falls man denn in diesen Kreisen von Ideen sprechen kann – nicht aufgeweicht sehen. „Sport frei“, liest man auf T-Shirts – man kann es in diesen Kreisen umstandslos als „Ring frei“ zur Gewalt verstehen. Bisher prügelte man sich untereinander. Nicht so bei HoGeSA. Die ansonsten tief verfeindeten Hool-Gruppen haben in islamistischen Gruppen ein gemeinsames Feindbild gefunden. „In den Farben getrennt, in der Sache vereint“, ist einer ihrer Slogans. So ganz stimmt der Spruch mit den trennenden Farben freilich nicht: Zum Tiefbraunen gibt’s keine Abgrenzung.

Zwar ruft einer der Organisatoren ins Mikro: „Nicht alle hier sind Nazis!“ und hat sogar recht: Es sind nicht alle, aber sehr viele. Schon Outfit und Auftreten vieler Teilnehmer der Kölner Demonstration liefert Hinweise auf die dort versammelte Klientel. T-Shirts mit „Stahlgewitter“-Logo oder der Abbildung eines Schlagrings, „Weiße Macht“ steht auf einem anderen Shirt, darunter ist eine Maschinenpistole abgebildet. Eine Reisegruppe, die gerade aus dem Bahnhof kommt, skandiert „Frei, sozial und national!“, wie man es von Neonazi-Demos kennt. Später wird man rufen: „Ausländer raus!“, noch später: „Hier marschiert der Nationale Widerstand!“


„Kategorie C“ auf der Bühne

„Hurra, Hurra, die Deutschen, die sind da!“ und „Deutschland – Hooligans!“, johlt die Menge, darunter so mancher – Polizeiauflage hin oder her – deutlich alkoholisiert. Die Neonazi-Partei „Die Rechte“ ist reichlich vertreten. Siegfried („SS-Siggi“) Borchardt, Alt-Hool und „Die Rechte“-Vorsitzender in Dortmund, ist gekommen, sein Stellvertreter Christoph Drewer ebenfalls. Aus Wuppertal ist der gerade erst wegen einer gefährlichen Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilte Kreisvorsitzende Matthias Drewer erschienen. Michael Brück, Landesvize der Partei, bei dessen Versandhandel man sich Zwille, Stahlkugeln, Reizgas, Sturmhaube und Mundschutz für den Straßenkampf besorgen kann, beobachtet das Geschehen zunächst mehr vom Rande, während Sven Skoda, regelmäßiger Redner bei Neonazi-Demonstrationen, direkt zur Auftaktkundgebung marschiert.

Mittendrin im Geschehen ist auch Dominik Roeseler mit umgehängtem Megaphon. Ohne ihn hätte es die Kölner Veranstaltung nicht gegeben: Der „pro NRW“-Vize war ihr Anmelder. Sein Vorsitzender Markus Beisicht hat sich in Sorge um den ohnehin lädierten Ruf der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei jedoch von der Hool-Aktion distanziert. Versammlungsleiter ist Roeseler nach Beisichts Intervention nicht mehr. Die Anmeldung hat er freilich aufrechterhalten. Rein privat sozusagen eilt er nun durch die Reihen – ab und an zum Bahnhofsausgang, wo neue Teilnehmer eintreffen, dann wieder zum Ort, wo sich die Spitze des Demonstrationszugs formiert.

Wer von den Ankommenden als Vertreter der Medien – „Lügenpresse“ und „Systempresse“ heißt es hier – zu erkennen ist, wird angegangen: Es setzt Schläge gegen die Kameras, einer Journalistin soll der Notizblock entrissen werden. Die rechte Hool-Band „Kategorie C“ heizt derweil die Stimmung weiter an. Ihr Name ist Programm. Zur „Kategorie C“ werden in der Polizeidiktion die „gewaltsuchenden“, angeblichen Fußballfans gezählt.

 

„Köln war der Anfang!“

Vor dem Start des Demo-Zuges detonieren zunächst nur ein paar Böller, Pyrotechnik wird auf dem Platz gezündet. Solange die 4000 auf der Stelle stehen, ist die Lage zwar aggressiv, aber noch kontrollierbar. Das ändert sich schlagartig, nachdem der Demo-Zug gestartet ist. Überraschen kann das angesichts der Melange aus gewaltbereiten Hools und Neonazis, die auf Action aus sind, nicht. Die Veranstaltung läuft auch den Organisatoren, die appelliert hatten, an diesem Tag keine negativen Bilder zu liefern, völlig aus dem Ruder. Flaschen, Dosen, Steine und Böller werden in Richtung von Polizeibeamten und Passanten geworfen, später fliegen ganze Fahrräder. Am Bahnhof wird ein Polizeifahrzeug umgekippt. Dortmunds „Rechte“ verbreitet per Facebook ein Bild des auf der Seite liegenden Wagens und höhnt: „Polizei ist müde... Polizeiwagen will schlafen.“ Mühsam bekommt die Polizei die Lage mit Wasserwerfern, Schlagstock- und Pfeffersprayeinsätzen am frühen Abend endlich unter Kontrolle.

Es habe 44 verletzte Beamte gegeben, berichtet das Kölner Präsidium nachher. In Neonazikreisen sieht man derweil „eine deutsche Volksfront“ heraufziehen, bestehend aus „ehemals verfeindeten Fußballfans, wütenden Normalbürgern und rechten Zusammenhängen verschiedenster Art“. Und gedroht wird: „Köln war nicht das Ende, Köln war der Anfang!“