Armanis Tod schürt Emotionen

Erstveröffentlicht: 
31.07.2014

Freiburg

Zwölf Tage sind vergangen, seitdem der acht Jahre alte Armani in Freiburg tot in einem Bach im Stadtteil Betzenhausen in der Nähe des Polizeipräsidiums Freiburg aufgefunden wurde. Seither ermittelt die 50-köpfige Sonderkommission „Bach“ der Kriminalpolizei, denn der Junge ist offenbar eines gewaltsamen Todes gestorben. Bisher hat die Polizei in mehr als 300 Hinweisen noch keine heiße Spur gefunden. Auch der am Dienstag gefundene Fußball war nicht der gesuchte. „Aus ermittlungstechnischen Gründen“ gibt sich die Polizei äußerst zugeknöpft.

 

Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Freiburg eine Belohnung von 6000 Euro ausgesetzt für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen. Von privater Seite wurden weitere 4000 Euro ausgelobt.   Der gewaltsame Tod des Sohnes einer bekannten Sinti-Familie erschüttert und beschäftigt die ganze Stadt. 2000 Menschen hatten sich am Samstag an einem Trauermarsch beteiligt, die Stadtdekane beider Konfessionen und ein buddhistischer Geistlicher haben die Feier mitgestaltet. Dass nicht einmal ansatzweise preisgegeben wird, wie der Junge ums Leben kam, ob es sich um ein Sexualdelikt handelt oder nicht, schürt die Spekulationen.

Hasserfüllte Kommentare im Internet

Im Internet wird die Stimmung zusätzlich aufgeheizt. In den Netzwerken Facebook und Whats­app tauchen hasserfüllte Kommentare und Falschmeldungen auf.   Da wurde zunächst der angebliche Tod eines zweiten Jungen im Schwarzwald gemeldet und gedroht: „Du Hurensohn, wir finden dich“. Eine schnell aufgedeckte Fälschung. Dann wurde ein angebliches Phantombild der Polizei nachgeschoben – ebenfalls gefälscht und mit der Aufforderung verbunden, „die Fäuste fliegen zu lassen“. Die Polizei hat energisch dementiert, ein Bild verbreitet zu haben. „Das ist nicht nur gefälscht, das ist möglicherweise strafbar“, betont Dirk Klose, der Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit der Freiburger Polizei. Zudem berge so eine Falschmeldung auch die Gefahr, dass versucht wird, eine Person, die der abgebildeten ähnlich sieht, festzuhalten oder dass der Aufforderung, Gewalt anzuwenden, gefolgt wird.   Gegen den oder die Falschmelder muss nun ebenfalls ermittelt werden, denn die öffentliche Androhung von Straftaten ist nach Paragraf 111 Strafgesetzbuch verboten, betont der Oberstaatsanwalt Michael Mächtel. Wenn die Person auf dem angeblichen Phantombild tatsächlich existierte, wäre es auch Verleumdung. „Auch diese Ermittlungen binden zusätzliche Kräfte, die eigentlich für die Aufklärung des Falles selbst gebraucht würden“, klagt Sprecher Klose.

Der Fall Armani ist das sechste Tötungsdelikt im Zeitraum von fünf Monaten für die Freiburger Polizei und da ist noch viel zu tun.   Es ist nun das dritte Mal in kurzer Zeit, dass die örtliche Polizei derart massiv mit den Regungen von Volkes Stimme in den sozialen Medien zu tun hat. Begonnen hat es nach dem Verschwinden der 14-jährigen Maria Henselmann mit einem wesentlich älteren Mann im Mai vorigen Jahres. Die Privatfahndung auf Facebook wurde von der Polizei und von Psychologen als kontraproduktiv eingeschätzt, weil damit möglicherweise eine freiwillige Umkehr erschwert werde. Das Mädchen ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.   Dann wurde in Facebook und Whatsapp im Juni dieses Jahres lebhaft Beifall für die Selbstjustiz einer libanesischstämmigen Familie in Neuenburg (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) gespendet. Nachdem seine Schwester vergewaltigt worden war, hatte ihr Bruder den Täter auf einen Parkplatz an der deutsch-französischen Grenze gelockt und tödliche Rache genommen.

Online-Petition für lebenslange Sicherungsverwahrung

Jetzt taucht auf Facebook nach dem unaufgeklärten Tod eine sogenannte Online-Petition auf, die „Lebenslange Sicherungsverwahrung für Kinderschänder und Kindermörder“ fordert und aus dem Umfeld der Familie lanciert wurde – mit sachlich falschen Behauptungen und krassen Forderungen.   Zwar sind drastische Äußerungen meist noch vom Recht auf freie Meinungsäusserung gedeckt. „Aber etwas Zurückhaltung wäre nicht schlecht“, findet Polizeisprecher Klose, „und das Nachdenken darüber, was hilfreich ist oder nicht.“ Aufregung und Unruhe herrscht auch bei den Bewohnern des Stadtteils Brühl, wo die Eltern des toten Jungen wohnen und wo er zuletzt gesehen wurde. Der Bürgerverein des Quartiers und die Stadt haben Eltern der umliegenden Kindergärten und Schulen zu einer nichtöffentlichen Beratung mit Polizei und Psychologen eingeladen.