„Sturm 18“ mit Vereinsstatus

Erstveröffentlicht: 
22.07.2014

Der Kasseler Neonazi Bernd T. hat seine Neonazi-Gruppierung offiziell als Verein angemeldet, der auch der „Gefangenenhilfe“ dienen soll. Aktuell sitzt der Gründer in U-Haft. Politiker fordern ein Verbot von „Sturm 18 e.V.“.

 

Von Julian Feldmann

 

Im vergangenen Jahr hatte Bernd T. (Jg. 1974) für bundesweite Schlagzeilen gesorgt, weil er ein braunes „Netzwerk“ im Knast aufbauen wollte. Nun ist er frei, die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt und er hat ganz offiziell einen entsprechenden Verein gegründet. Der Neonazi, der bereits wegen Körperverletzung mit Todesfolge im Knast saß, hatte während des Absitzens einer erneuten Haftstrafe im Oktober 2012 in dem Rocker-Magazin „Biker News“ in einer Anzeige für seine „AD Jail Crew“ geworben, wobei das Kürzel „AD“ für „Aryan Defense“, also „Arische Verteidigung“ stehen soll. Ein Fachjournalist fragte daraufhin beim hessischen Justizministerium an, ob der Behörde eine solche Gruppierung bekannt sei. Das Ministerium erfuhr so von dem „Netzwerk“ und ließ die Zellen von T. und weiteren Rechtsextremisten durchsuchen. Mit diesem „Schlag“ gegen ein rechtes, vermeintlich konspirativ agierendes Gefängnis-Netzwerk ging der Justizminister an die Öffentlichkeit.

Die hessische Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am Main ermittelte dann bis Mitte April dieses Jahres wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen ein Vereinigungsverbot. Die Behörde vermutete, dass T. und weitere Neonazis mit dem „Knast-Netzwerk“ die Aktivitäten der verbotenen „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ (HNG) fortsetzte. Die HNG war die größte Neonazi-Organisation in der Bundesrepublik Deutschland und unterstützte inhaftierte Gesinnungsgenossen ideologisch und materiell. Im September 2011 wurde die Organisation durch das Bundesinnenministerium verboten. Laut Staatsanwaltschaft erhärtete sich der Verdacht nicht, die Ermittlungen wurden eingestellt. Zuvor war T. nach Verbüßen seiner Haftstrafe seit Januar auf freiem Fuß.

Drei Tage nach der Einstellung des Verfahrens gründete er, just am 20. April, dem Geburtsdatum Hitlers, „Sturm 18 e.V.“ mit dem Beinamen „Kultur-, Sport-, Familien-, Gefangenenhilfe- und Förderverein“. Dieser wurde vom zuständigen Gericht inzwischen anerkannt. Seit knapp einem Monat ist der Verein mit Sitz im nordhessischen Kassel offiziell eingetragen. Als „Präsident“ fungiert der mehrfach verurteilte Gewalttäter T. höchstselbst. Sein Stellvertreter ist der wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilte René Sparbier (Jg. 1988), ebenfalls aus Kassel. Im Nacken des Vereinsvizes ist weithin sichtbar eine „88“ tätowiert, der Szenecode für „Heil Hitler“.

 

Mitglieder tragen bei Versammlungen Uniformen

Neben dem Vereinsnamen mit der „18“ für die Initialen Adolf Hitlers lässt auch die Satzung keinen Zweifel an der (neo-) nationalsozialistischen Ausrichtung der Truppe aufkommen. Vereinssymbol ist der Reichsadler, wie er 1935 von den Nationalsozialisten als Wappen des Deutschen Reiches eingeführt wurde. Lediglich das Hakenkreuz wich der „18“. Brisant könnte ein weiterer Passus in der Satzung von „Sturm 18 e.V.“ sein: Demnach müssen die Mitglieder bei Versammlungen und anderen Veranstaltungen Uniformen tragen. Laut Versammlungsgesetz steht das Tragen einer einheitlichen Montur unter Strafe.

T. strebt mit seinem „Sturm 18“ offenbar an, eine bundesweite Struktur aufzubauen: „Verbände und Ortsgruppen“ will die Vereinigung unterhalten. Zumindest auf der virtuellen Plattform tummeln sich bereits Nutzer, die augenscheinlich nicht aus Nordhessen stammen. Im Internetforum der Gruppe heißt es etwa von einem Kommentatoren aus Baden-Württemberg zum Thema Einwanderer: „Diese Parasieten gehören in den Zug nach Osten gesteckt!“ (Fehler im Original)

Gegründet wurde „Sturm 18“ bereits als nicht-eingetragener Verein 1999, ebenfalls am 20. April, im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg, dem Geburtsort T.s. Seit 2001 lebt T. in Nordhessen. Sogar die Gemeinnützigkeit strebt er mit seinem Verein an. Zurzeit wird sich der Neonazi darum jedoch nicht kümmern können. Seit vergangener Woche sitzt er wegen des Verdachts der Vergewaltigung und gefährlichen Körperverletzung in Untersuchungshaft. Er soll nach Angaben der Staatsanwaltschaft Kassel eine 16-Jährige zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben.

 

Innenministerium prüft Verbot des Vereins

Inzwischen fordern Politiker der Opposition im hessischen Landtag. „Sturm 18 muss verboten werden“, sagt die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Nancy Faeser. T. mache „gerade dort weiter, wo er im vergangenen Jahr aufgehört hat“. Auch die Linkspartei sieht die Landesregierung in der Handlungspflicht. Inzwischen prüft das Innenministerium ein Verbot des Vereins. Man habe das Landeskriminalamt vor der Eintragung in das Vereinsregister mit „vereinsrechtlichen Vorermittlungen“ beauftragt, sagte ein Sprecher am Montag.

Bernd T. ist Initiator diverser rechtsextremer Gruppierungen. Neben der „AD Jail Crew“ wird T. auch als Kontakt einer Gruppierung namens „White Boys 88“ geführt, die im Januar 2010 gegründet wurde. Auf der Internetseite der „Weißen Jungs“ wird T. mit der Anschrift der Justizvollzugsanstalt Hünfeld in Osthessen gelistet, in der der Gewalttäter bis zum Auffliegen des rechtsextremen „Knast-Netzwerks“ einsaß. „Präsident“ der Eigenangaben zufolge 272 Mitglieder zählenden „White Boys 88“ ist Denny Poethke aus Bützow bei Rostock. Als Adresse wird jedoch die der Haftanstalt im thüringischen Tonna (Kreis Gotha) angegeben, in der auch der mutmaßliche NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft saß. Die Gruppe soll zum „Sturm 18 Netzwerk“ gehören.

Auch in Zusammenhang mit der Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) taucht T.s Name auf: Er hatte sich den Behörden selbst als Zeuge angeboten. Im Dezember 2011 schrieb er einen Brief an das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen, in dem er Informationen bot – im Gegenzug zu einer Entlassung aus der Haft. Das Bundeskriminalamt stufte seine Aussagen jedoch als unglaubwürdig ein.