[FR] 1. Mai im Grün: Fragwürdiger "Erfolg" der Stadtpolitik

gold huhn bewachung

Stellungnahme des akj Freiburg zum Umgang mit den Feierlichkeiten zum 1. Mai im Grün In der Berichterstattung der Badischen-Zeitung über das Straßenfest am 1. Mai im Grün sowie den Tanz in den Mai in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai heißt es:

 

“Am Vorabend hatte die Polizei das Festverbot der Stadt durchgesetzt und Demos aufgelöst. [...] Trotz Festverbot ist am Donnerstag auf den Straßen des Sedanquartiers fest gefeiert worden. [...] Die Polizei stoppte die rund 400 Demonstranten in der Moltkestraße. ‘Damit der Demonstrationszug nicht ,Ins Grün’ einmarschiert’, erklärte Polizeisprecherin Laura Riske. [...] Gegen 18 Uhr zog die Party ab und Laura Riske eine erste Bilanz kurz vor Redaktionsschluss: ‘Das lief sehr entspannt.’”

 

Das Festverbot durchgesetzt. Der Demozug gestoppt. Also voller Erfolg für die Stadt? Doch der Reihe nach.

 

Zunächst entwickelt sich in Freiburg über viele Jahre eine frei bestimmte Festkultur um den 1. Mai. In der Walpurgisnacht wird getanzt, am 1. Mai organisiert sich ein Straßenfest von selbst. Soweit, so wünschenswert für einen lebendigen Stadtteil. Wie in einer Stadt und bei so vielen Beteiligten nicht anders zu erwarten, freut sich nicht jede*r gleichermaßen auf den 1. Mai. Insbesondere am Tanz in den Mai entzünden sich Konflikte. Betroffene und Feiernde finden sich zu einem Runden Tisch zusammen und finden eine Lösung, mit der im Stadtteil gelebt werden kann. Die Tanzfreudigen verpflichten sich, die Musik zu einer vereinbarten Zeit abzudrehen und die Straßen bis zum nächsten Morgen von den Partyresten zu befreien, Kneipenbesitzer*innen bieten ihre Toiletten zur Benutzung an und die Anwohner*innen erklären, unter diesen Umständen mit dem einen Fest im Jahr leben zu können. Seit zwei Jahren halten sich die Beteiligten an die eigenen Selbstverpflichtungen des Runden Tisches. Bereitschaft zur Verhandlung und Fähigkeit zum Kompromiss sind im Stadteil im Grün tatkräftig unter Beweis gestellt worden. Die verbleibenden – nie ganz zu verhindernden – Konflikte könnten ebenfalls verhandelt und gelöst werden.

 

Eigentlich bedüfte dieses kurze Resumee keiner Fortsetzung – wäre nicht irgendwann die Stadt auf den Plan getreten. Eine Allgemeinverfügung also, verboten ist alles, was bisher stattgefunden hat. Pauschal. Das Straßenfest, der Tanz in den Mai. Das Federballspielen, die Würstchenbude, genauso verboten wie die Technoparty um Mitternacht.

 

Methode der Wahl: Alles zurück auf null. Unter Ausblendung von über 20 Jahren Tradition und Festgeschichte. Stattfinden soll nur dürfen, was zuvor den Weg über die Schreibtische der Stadtverwaltung gegangen und den dortigen (Auflagen-)Segen erhalten hat. Gesucht werden keine kreativen, spät entschlossenen Freigeister, sondern Anmelder*innen und Verantwortliche. Personen, denen man Auflagen und Kostenbescheide schicken kann. Individuen also, die man für Lärm & Müll verantwortlich machen kann. Ein Verbot also, mit Ausnahme. Fände sich jemand bereit, sich durch diese niedrige Tür des Ordnungsamts zu bücken, das Fest anzumelden und die entsprechenden Auflagen zu akzeptieren, dann wäre – aus Sicht der Stadt – alles gut.

 

Wer nun aber auch nur einen Hauch an Interesse für das Straßenfest im Grün mitbringt, weiß, dass diese Erwartungshaltung der Stadt mit der gelebten Tradition der letzten 20 Jahre nichts, aber auch gar nichts gemeinsam hat. Oft wiederholt und immer wieder betont, aber nicht verstanden bleibt: Weder der Tanz in den Mai, noch das Straßenfest am 1. Mai werden in einem Sinne organisiert, der eine “Anmeldung” dieser “Veranstaltungen” im Sinne des Straßenrechts erlauben würde.

 

Wenig verwunderlich also, dass sich nicht plötzlich Individuen gefunden haben, die nicht nur ein Puzzleteil des Festes, sondern das ganze Fest “organisieren” wollten. Man kann ein solches selbstorganisiertes Fest nicht “von oben” umdrehen. Man kann auch die Menschen nicht einfach umdrehen.

 

Bevor die Sache gleich eskalieren wird, noch ein kurzer Moment des Innehaltens. Stellen wir uns einmal vor, das Straßenfest und der Tanz in den Mai würden “angemeldet”. Welche Auflagen müsste man wohl akzeptieren, um die städtische “Erlaubnis/Genehmigung” zu erhalten? Wenn man die Begründung der Allgemeinverfügung liest, geht es vor allem um Lärm & Müll, inklusive der menschlichen “Notdurft”. Dem Runden Tisch dürften diese Probleme bekannt vorkommen. Auch die städtischen Lösungen dürften darin bestehen, dass die Musik zu einer bestimmten Uhrzeit abgeschaltet und die Straße nach der Feier gefegt werden müssen. Wie die städtische Lösung im Detail aussieht? Unbekannt.

 

Es dürfte aber jedenfalls unbestritten sein, dass das erklärte Ziel der Stadt NICHT ist, das Straßenfest und den Tanz in den Mai überhaupt zu verbieten – sonst würden weder das Fest in der Spechtpassage erlaubt noch die Wilhelmstraße für das Straßenfest gesperrt werden.
Ziel der Stadt ist also die Anmeldung der “Veranstaltungen” und deren Kontrolle.

 

Halbwegs an der Wiederwahl interessierter Kommunalpolitiker*innen könnten an dieser Stelle auf die Idee kommen, sich als Stadt am Runden Tisch zu beteiligen. Man könnte zusammen mit den Beteiligten Gruppen und Individuen, Feiernden, Nachbar*innen und Gästen einen äußeren Rahmen abstecken. Ähnlich oder gar identisch zu dem Rahmen, den sich der Runde Tisch bereits gesetzt und eingehalten hat. Man könnte damit im Ergebnis erreichen, was zu erreichen einzig sinnvoll ist: eine engagierte Lösung der Interessenkonflikte um den 1. Mai in Form eines realistischen Kompromisses. Sollte man sich auf Lösungen für Lärm & Müll einigen können, sollten die Fragen der “Anmeldung” und der “Verantwortlichkeiten” im ordnungsrechtlichen Sinne an Bedeutung verlieren und einer Lösung nicht im Wege stehen.

 

Leider verhält es sich nun bereits im dritten Jahr in Folge anders. Statt an der Lösung in der Sache zu arbeiten, arbeitet sich die Stadt an der Frage der “Form” ab. Was nicht angemeldet ist, ist verboten. Was verboten ist, darf nicht stattfinden. Ob das, was stattfindet, überhaupt stört, oder die Störung sich im Rahmen eines vereinbarten Konsenses hält, spielt keine Rolle. Einzuhalten ist die gute Ordnung. Das Straßenrecht zum Beispiel.

 

Zurück also zur Berichterstattung. Das Festverbot durchgesetzt. Der Demozug gestoppt. Nun? Voller Erfolg für die Stadt? Mitnichten. Das Fest hat stattgefunden. Zugegeben, nicht im Kern der Verbotszone, sondern knapp davor, daneben, dahinter. Ist das ein Erfolg? Für das Straßenrecht sicher nicht. Die “Sondernutzung” hat an anderer Stelle stattgefunden (an einer Stelle, an der die Anwohner*innen keine Chance hatten, sich am Runden Tisch zu beteiligen). Sieht so die Lösung aus? Statt zwischen Grether-Gelände und Specht-Passage findet das Fest nun vor dem AStA und in der Moltkestraße statt? Wird demnächst die “Verbotszone” auf die Innenstadt ausgeweitet? Werden dann dreimal so viele Polizist*innen eingesetzt?

 

Bilanzieren wir: die vom Verbot erfassten Straßen waren für Fahrzeuge quasi nicht zu passieren. Von der Polizei dicht gemacht. Selbst Fußgänger*innen konnten viele Straßensperren nicht passieren. Erfolg der Stadt zum Schutz des Straßenverkehrs (nichts anderes bezweckt die Erlaubnispflichtigkeit der Sondernutzung): null. Schutz der Anwohner*innen vor Lärm? Der Tanz in den Mai hat stattgefunden. Die Straßen waren laut und voller feierfreudiger Menschen. Die Polizei hat sich darauf beschränkt, die Verbotszone freizuhalten. Auch das ist ihr nur teilweise gelungen. Erst zur Stunde, die der Runde Tisch vorsah, lösten sich die Soundanlagen auf. Erfolg der Stadtpolitik: die Party von Punkt A nach Punkt B verlagert.

 

Wo es darum ging, die Dimensionen eines bestehenden Festes mit verantwortungsbewussten Personen für die Zukunft zu gestalten, hat man sich für eine neue Runde des immergleichen Wir-gegen-Euch-Spiels zwischen Team Grün und Team Bürger*innen entschieden. Ein Spiel, bei dem es immer nur Verlierer*innen gibt und an dem niemand Interesse haben kann. Welches Kalkül die Stadt zu diesem Vorgehen bringt, wird noch zu diskutieren sein. Am Mangel an Alternativen kann es nicht gelegen haben.

 

Größter Verlierer dieser Tage sind die Bürger*innen dieser Stadt, die bereit und in der Lage sind, ihre Konflikte selbst zu lösen und trotzdem Spaß zu haben. Die Stadtpolitik entzieht ihnen ihre Mündigkeit und ersetzt sie durch die Helme und Schlagstöcke der Bereitschaftspolizei-Armee.

 

Ein voller Erfolg?