Kürzlich berichtete ich über ein Verbot der JVA Freiburg, mit dem ARD-Politmagazin KONTRASTE ein Interview zum Thema „Isolationshaft“ führen zu dürfen. Nunmehr liegt die Stellungnahme der Haftanstalt vor.
Begründung der JVA vom 26.03.2014
Gegen das erwähnte Verbot hatte ich beim Landgericht Freiburg (Az. 13 StVK 158/14) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die zuständige Richterin am Landgericht, Frau M., prüft nun meine Klage gegen das Verbot. Hierzu holte sie erst mal eine Stellungnahme der Anstalt ein (das Original ist als pdf-Datei diesem Artikel unten beigefügt).
Laut Oberregierungsrat R. sei zu befürchten, ein Interview könne mich „zu weiteren Straftaten anregen“, da bei mir eine „schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung“ vorliege. Ich könne mir, so der Jurist der Haftanstalt, „nicht eingestehen, viele Jahre (meines) Lebens durch Straftaten und anschließende Freiheitsentziehungen vergeudet zu haben“. Jeder Zuspruch von außen stille mein (angebliches) Verlangen „nach ständiger Aufmerksamkeit“ und im übrigen würde ich mich „hinter der grandiosen Vorstellung einer Märtyrerexistenz“ verstecken, anstatt mich als „therapiebedürftigen Untergebrachten“ zu sehen.
Weiterer Verfahrensgang
Diese Spekulationen des Vertreters der JVA habe ich pauschal bestritten. Nun bleibt abzuwarten, wie die Richterin den Sachverhalt weiter aufklärt, ob sie Zeugen vernehmen oder weitere Stellungnahmen einholen wird. Angesichts der Arbeitsüberlastung der Kammer wird mit einer Entscheidung erst in vielen Monaten gerechnet werden können.
Bewertung der Äußerungen des JVA-Vertreters
An anderer Stelle thematisierte ich, aus welchen Gründen ich mich dem Therapiediktat nicht unterwerfe; die – nicht nur in meinem Fall, sondern bei nahezu allen Verwahrten – zu beobachtende Vorgehensweise der Pathologisierung nicht nur einzelner Facetten der Betroffenen, sondern ihres gesamten Verhaltens, dient einerseits der Abwertung und Abwehr ihrer (berechtigten) Forderungen. Denn schließlich sind es nur die Ansprüche psychisch auffälliger, ja kranker und abnormer Persönlichkeiten, so dass man sich nicht ernsthaft damit auseinander zu setzen braucht.
Die Instrumentalisierung psychiatrischer Kategorien und Diagnosen zur Ausschließung missliebiger Personen ist aus der Geschichte bekannt, trifft aber auch heute keineswegs nur Inhaftierte, sondern durchdringt weite Teile der Gesellschaft, des Arbeitslebens, ja sogar der Nachbarschaft. Wer sich nicht den sozialen „Normen“ gemäß verhält, gerät schnell in den Verdacht „psychisch krank“ zu sein.
Zum anderen dient speziell bei Sicherungsverwahrten die permanente Pathologisierung dazu, für künftige Entscheidungen über Freilassungsbegehren der Betroffenen genügend Material zu sammeln, um eine solche Haftentlassung ablehnen zu können. In meinem eigenen Fall, die eigentlich zwingende Haftentlassung nach 10 Jahren Sicherungsverwahrung, mit Hinweis auf die angeblich „schwerst gestörte“ Persönlichkeit, auf Grund derer weitere schwerste Straftaten zu erwarten seien, verwehren zu können.
Denn hier zählt nicht die Wahrnehmung, hier zählen nicht die Erfahrungen, die langjährige Freundinnen und Freunde mit den Betroffenen gemacht haben, sondern die konstruierte Realität der Akten. GutachterInnen stützen sich auf besagte Gefangenenakten, deren Inhalt die Vollzugsanstalt bestimmt hat, durch Verfügungen und Schriftsätze wie vorliegend besprochen.
Legitimer Widerstand, Protest, politische Motivation, politische Argumente gegen Strukturen, ob in den Knästen oder außerhalb von diesen, die es zu überwinden gilt, werden durch die Einordnung in psychiatrische Kategorien versucht zu delegitimieren.
Je mehr ein Mensch dann gegen diese offiziösen „Diagnosen“ ankämpft, um so nachdrücklicher stellen staatliche Stellen solche Diagnosen und definieren den Widerstand hiergegen seinerseits als „Ausdruck krankheitsbedingter Unfähigkeit zur Einsicht“ in die angeblich vorhandene „Störung“.
Isolationshaft wird in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert; in den 70'ern und 80'ern vielfach in Zusammenhang mit den RAF-Gefangenen und anderen linken kämpfenden Gruppen, heute im Zusammenhang mit § 129 b-Gefangenen und auch gegen Insassinnen und Insassen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen ihre Inhaftierung auflehnen (http://community.beck.de/gruppen/forum/17-jahre-isolationshaft-in-deutschland).
In diesem Kontext dann kritische Berichterstattung zumindest stellenweise zu steuern zu versuchen, in dem man ein TV-Interview verbietet, ist eine politische Aussage der Justiz und entsprechend zu kritisieren.
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de