EU und USA schü­ren den Um­sturz – Russ­land be­setzt die Krim: Wem ge­hört die Ukrai­ne?

Wann: Diens­tag, 29. April 2014, 19.​30 Uhr
Wo: Karls­ru­he, Plan­wirt­schaft, Wer­der­str. 28

 

Es funk­tio­niert auf An­sa­ge: In ihren fei­er­li­chen Reden zum Jah­res­wech­sel haben die deut­sche Bun­des­kanz­le­rin und der deut­sche Bun­des­prä­si­dent fest­ge­stellt, Deutsch­land sei ein­fach zu groß, um bei in­ter­na­tio­na­len Kri­sen eine un­ter­ge­ord­ne­te Rolle zu spie­len, und sie haben „mehr deut­sche Ver­ant­wor­tung“ und ak­ti­ve­res Ein­grei­fen an­ge­kün­digt. We­ni­ge Mo­na­te spä­ter hat Deutsch­land zu­sam­men mit sei­nen EU-​Part­nern in der Ukrai­ne die – nach ei­ge­ner Aus­kunft – schlimms­te Krise in Eu­ro­pa seit dem Mau­er­fall vom Zaun ge­bro­chen; so schlimm, dass man­che vor einem neuen kal­ten oder gar hei­ßen Krieg war­nen.

Schuld daran ist, wie stets, die an­de­re Seite: Erst der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Ja­nu­ko­witsch, der seine Un­ter­schrift unter das As­so­zia­ti­ons­ab­kom­men mit der EU ver­wei­gert hat, dann die rus­sisch­spra­chi­gen Lan­des­tei­le im Süden und Osten der Ukrai­ne, schließ­lich und vor allem Pu­tins Russ­land.

Was Mer­kel und ihre EU-​Kol­le­gen als ihr selbst­ver­ständ­li­ches Recht be­an­spru­chen, das ent­de­cken und ver­ur­tei­len sie am rus­si­schen Prä­si­den­ten: Ihm sagen sie Groß­macht-​Al­lü­ren und im­pe­ria­le Ab­sich­ten nach. Er wolle den Raum der So­wjet­uni­on als rus­si­sche Ein­fluss­sphä­re be­wah­ren, ob­wohl „die Zeit der Ein­fluss­zo­nen end­gül­tig vor­bei ist!“ Das sagt ihm aus­ge­rech­net Mer­kel, die die Ukrai­ne jetzt „umso schnel­ler in die EU ein­bin­den“, also deren Ein­fluss­zo­ne er­wei­tern will.

Mer­kel wirft Putin vor, er de­sta­bi­li­sie­re die Ukrai­ne, weil er An­trä­ge aus der Krim und viel­leicht auch aus der Ost­ukrai­ne, das Ge­biet in die rus­si­sche Fö­de­ra­ti­on auf­zu­neh­men, er­mu­tigt. Der Vor­wurf kommt von einer deut­schen Kanz­le­rin, die nichts un­ver­sucht ge­las­sen hat, den Staat des ka­put­ten, zwi­schen sei­nen öst­li­chen und west­li­chen Ab­hän­gig­kei­ten hin- und her­ge­ris­se­nen Lan­des zu de­sta­bi­li­sie­ren, so­lan­ge ein nicht will­fäh­ri­ger Prä­si­dent dort an der Macht war. Deut­sche Po­lit­pro­mi­nenz hat den Um­sturz in Kiew er­mu­tigt, zum Durch­hal­ten auf­ge­ru­fen und ihm die Un­ter­stüt­zung ganz West­eu­ro­pas zu­ge­si­chert – und damit das Land end­gül­tig zer­ris­sen.

Der pro­west­li­che Um­sturz mit all sei­nen glü­hen­den Na­tio­na­lis­ten und teil­wei­se be­waff­ne­ten De­mons­tran­ten, mit sei­ner Lahm­le­gung des na­tio­na­len Le­bens, den Be­set­zun­gen und Ver­wüs­tun­gen von Mi­nis­te­ri­en – ein Auf­ruhr wie ihn sich keine west­li­che De­mo­kra­tie ge­fal­len lässt –: die­ser Um­sturz ist für die EU fried­lich, de­mo­kra­tisch, au­then­ti­scher Aus­druck des ukrai­ni­schen Volks­wil­lens. Der gilt selbst­ver­ständ­lich ver­bind­lich für das ganze Volk ein­schließ­lich der da­ge­gen auf­be­geh­ren­den Ost­ukrai­ner und muss un­be­dingt gegen rus­si­sche Be­dro­hung und Über­grif­fe ge­schützt, also unter die schüt­zen­de west­li­che Vor­mund­schaft von USA, EU und Nato ge­stellt wer­den. Die im Ver­gleich dazu ge­sit­te­te Volks­ab­stim­mung auf der Krim über den Bei­tritt zu Russ­land ist für sie da­ge­gen il­le­gal, un­de­mo­kra­tisch, eine Farce, die nichts gilt. Die eu­ro­päi­schen Schutz­her­ren des Selbst­be­stim­mungs­rechts der Völ­ker neh­men es sich her­aus, auch gleich die Kol­lek­ti­ve zu de­fi­nie­ren, die sie als Völ­ker gel­ten las­sen, denen Selbst­be­stim­mung zu­steht; und die, für die das Ge­gen­teil gilt.

Dabei ist die Quel­le die­ser Un­ter­schei­dung zwi­schen Recht und Un­recht kein Rät­sel: Le­gi­tim sind für die EU in der Ukrai­ne die po­li­ti­schen Kräf­te, die sich als Statt­hal­ter der EU und ihr Land als deren Hin­ter­land an­bie­ten; il­le­gi­tim sind die­je­ni­gen, die sich dem An­schluss an „Eu­ro­pa“ ent­ge­gen­stel­len. Russ­land liest diese Glei­chung von Recht und In­ter­es­se genau an­ders herum. Beide Mäch­te, die EU und Russ­land, be­an­spru­chen das Rich­ter­amt dar­über, wer was darf in und mit der Ukrai­ne. Beide for­dern von­ein­an­der, sich aus der Ukrai­ne her­aus­zu­hal­ten. Die west­li­chen Mäch­te mei­nen und be­trei­ben dabei von An­fang an den An­schluss der Ukrai­ne an und damit deren Un­ter­stel­lung unter die EU und die NATO. So wol­len sie den rus­si­schen Ein­fluss er­le­di­gen. Russ­land ist ent­schlos­sen, den zu ver­tei­di­gen. So steht Recht gegen Recht – und der fried­li­che Ver­kehr der bei­den gro­ßen „Nach­barn“ nimmt den Cha­rak­ter einer Mo­bi­li­sie­rung von Macht-​ und Ge­walt­mit­teln zur Durch­set­zung des je­weils be­an­spruch­ten Rechts an. Dabei ver­si­chert Mer­kel ihren Bür­gern: „Zum Krieg wird es nicht kom­men!“ Damit gibt sie zu Pro­to­koll, dass sie sehr gut weiß, wie weit der Wes­ten die Her­aus­for­de­rung der rus­si­schen Welt­macht be­reits ge­trie­ben hat.

    Warum will die Eu­ro­päi­sche Union die Ukrai­ne – ganz?
    Warum will Russ­land das ver­hin­dern?
    Warum sagen die west­li­chen Staa­ten das Ende des „For­mats“ G 8 an und den G‑8-​Gip­fel von Sot­schi ab?

Vor­trag mit Dis­kus­si­on
Eine Ver­an­stal­tung des Ka­pi­tal-​Le­se­kreis Karls­ru­he

Mehr Infos unter: http://kapitallesekreis.blogsport.de