"Wollen sie unsere Kinder aus der Stadt verjagen, nur weil der Lebensstil noch sehr unbekannt ist?"

Erstveröffentlicht: 
09.04.2014

Die Mutter einer Wagenburg-Bewohnerin äußert sich zur Lage von "Sand im Getriebe".

 

Als Mutter einer Bewohnerin der Wagengruppe "Sand im Getriebe" möchte ich mich kritisch mahnend an den Gemeinderat, den OB und die Öffentlichkeit wenden. "Diese Kinder" der Stadt Freiburg suchen nun schon seit über einem Jahr nach einem geeigneten Grundstück für das Leben, für das sie sich entschieden haben, eine Bleibe. Bisher wurden ihnen von der Stadt nur Steine in den Weg gelegt. Vielen Dank an den Rektor der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Professor Druwe, für sein Verständnis. Er ließ die Wagengruppe bis zum 31. März in Littenweiler verweilen. Meines Wissens wurde durch die Wagengruppe dort niemand gestört oder behindert.

Kann es denn so schwer sein, diesen jungen Leuten entgegenzukommen, sie haben nicht aus Not oder Wohnungslosigkeit diese Lebensform gewählt. Dahinter steckt ein Lebensformkonzept, das Unabhängigkeit im eigenen Wagen und gleichzeitige Gemeinschaft umsetzen will. Wenn wir uns an unsere eigene Jugend zurückerinnern, hatten auch wir mit unseren WGs ganz ähnliche Wünsche und wie salonfähig sind diese heute geworden. Heute verdient ein Vermieter mehr durch eine WG als durch Familien.

 

Meine Tochter hat ganz freiwillig ihr WG-Zimmer zugunsten des Wagenplatzes aufgegeben. Sie wollte am Kühlschrank keine Zettel mehr finden wie: "Wer hat von meiner Milch getrunken?"

Das Konzept der Wagenburg basiert auf Teilen und Nachhaltigkeit durch Ressourcenschonung. Und genau das sind doch die "Zauberworte" unser aller Zukunft!

Wer sonst in Freiburg hat so einen kleinen ökologischen Fußabdruck wie diese 15 jungen Leute, die jetzt am Straßenrand, neben einer 24-Stunden-Baustelle und Güterverkehr im Minutentakt, stehen müssen. Sie verbrauchen die wenigste Energie und die wenigste Fläche, das müsste doch gerade der "Ökostadt" Freiburg mit modernen und ökologischen Zukunftsideen sehr entsprechen.
Ich gebe zu, dass auch ich anfangs diese Wohnform meiner Tochter nicht nachvollziehen konnte. Aber konnten das früher unsere Eltern? Es werden auch vermutlich nicht allzu viele Menschen mit so viel Verzicht leben wollen, aber soll man nicht denen, die es eben möchten, diese Wohnform ermöglichen, auch in der Stadt Freiburg?

Ich habe besonders Angst davor, dass die Gruppe aus Freiburg vertrieben wird, wenn die Stadt weiter so stur auf ihren Prinzipien bestehen bleibt. Wollen sie unsere Kinder aus der Stadt verjagen? Sollen sie nach Leipzig oder Magdeburg abwandern, weil es dort noch Brachflächen zur Genüge gibt? Ich möchte, dass meine Tochter, die Freiburg liebt und als Lebensmittelpunkt behalten will, bleiben kann und sich nicht "unerwünscht" und "vertrieben" fühlen muss, nur weil sie einen Lebensstil führt, der noch sehr unbekannt ist und nicht so recht zu einer modernen aufstrebenden Einkaufstadt passen will .

Barbara Lindenthal-Sachs, Waldkirch