Die Mutter einer Wagenburg-Bewohnerin äußert sich zur Lage von "Sand im Getriebe".
Als Mutter einer Bewohnerin der Wagengruppe "Sand im Getriebe" möchte
ich mich kritisch mahnend an den Gemeinderat, den OB und die
Öffentlichkeit wenden. "Diese Kinder" der Stadt Freiburg suchen nun
schon seit über einem Jahr nach einem geeigneten Grundstück für das
Leben, für das sie sich entschieden haben, eine Bleibe. Bisher wurden
ihnen von der Stadt nur Steine in den Weg gelegt. Vielen Dank an den
Rektor der Pädagogischen Hochschule Freiburg, Professor Druwe, für sein
Verständnis. Er ließ die Wagengruppe bis zum 31. März in Littenweiler
verweilen. Meines Wissens wurde durch die Wagengruppe dort niemand
gestört oder behindert.
Kann es denn so schwer sein, diesen jungen Leuten entgegenzukommen, sie
haben nicht aus Not oder Wohnungslosigkeit diese Lebensform gewählt.
Dahinter steckt ein Lebensformkonzept, das Unabhängigkeit im eigenen
Wagen und gleichzeitige Gemeinschaft umsetzen will. Wenn wir uns an
unsere eigene Jugend zurückerinnern, hatten auch wir mit unseren WGs
ganz ähnliche Wünsche und wie salonfähig sind diese heute geworden.
Heute verdient ein Vermieter mehr durch eine WG als durch Familien.
Meine Tochter hat ganz freiwillig ihr WG-Zimmer zugunsten des
Wagenplatzes aufgegeben. Sie wollte am Kühlschrank keine Zettel mehr
finden wie: "Wer hat von meiner Milch getrunken?"
Das Konzept der Wagenburg basiert auf Teilen und Nachhaltigkeit durch
Ressourcenschonung. Und genau das sind doch die "Zauberworte" unser
aller Zukunft!
Wer sonst in Freiburg hat so einen kleinen ökologischen Fußabdruck wie
diese 15 jungen Leute, die jetzt am Straßenrand, neben einer
24-Stunden-Baustelle und Güterverkehr im Minutentakt, stehen müssen. Sie
verbrauchen die wenigste Energie und die wenigste Fläche, das müsste
doch gerade der "Ökostadt" Freiburg mit modernen und ökologischen
Zukunftsideen sehr entsprechen.
Ich gebe zu, dass auch ich anfangs diese Wohnform meiner Tochter nicht
nachvollziehen konnte. Aber konnten das früher unsere Eltern? Es werden
auch vermutlich nicht allzu viele Menschen mit so viel Verzicht leben
wollen, aber soll man nicht denen, die es eben möchten, diese Wohnform
ermöglichen, auch in der Stadt Freiburg?
Ich habe besonders Angst davor, dass die Gruppe aus Freiburg vertrieben
wird, wenn die Stadt weiter so stur auf ihren Prinzipien bestehen
bleibt. Wollen sie unsere Kinder aus der Stadt verjagen? Sollen sie nach
Leipzig oder Magdeburg abwandern, weil es dort noch Brachflächen zur
Genüge gibt? Ich möchte, dass meine Tochter, die Freiburg liebt und als
Lebensmittelpunkt behalten will, bleiben kann und sich nicht
"unerwünscht" und "vertrieben" fühlen muss, nur weil sie einen
Lebensstil führt, der noch sehr unbekannt ist und nicht so recht zu
einer modernen aufstrebenden Einkaufstadt passen will .
Barbara Lindenthal-Sachs, Waldkirch