Ein Baden-Württemberger unterhielt auffallend viele Kontakte in das Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds NSU. Der Extremsportler aus Marbach am Neckar nennt sich "Eiserner Bulle".
Stuttgart - Manche Kerle wären schon zufrieden, wenn ihre Oberschenkel nur so muskulös wären wie die Oberarme des Mannes, der sich „Eiserner Bulle“ nennt. Videos im Internet zeigen, wie der Extremsportler aus Marbach am Neckar Berge hoch spurtet und dabei Limousinen hinter sich herzieht, als seien es Chihuahua. Bilder, die Jug P. gerne in der Öffentlichkeit von sich zeigt.
Ein anderes Bild findet sich auf zahlreichen Seiten von Ermittlungsakten. Sie gehören alle zu dem Bemühungen von Polizei und Bundesanwaltschaft, die Morde an neun Migranten und der Polizistin Michèle Kiesewetter aufzuhellen. Die Bluttaten schreiben die Ermittler dem rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zu.
Ins Visier der Staatsschützer geriet der Muskelberg erstmals 1996. Baden-Württembergische Fahnder registrierten den Bodybuilder im Januar beim Besuch des damaligen rechten Szenelokals „Hirsch“ in Stuttgart-Rohr. An der Seite P.s: Achim Schmid, ein V-Mann des Verfassungsschutzes, der 2000 in Schwäbisch Hall eine Gruppe des Ku-Klux-Klans gründete. Ihr gehörten zwei Böblinger Bereitschaftspolizisten an, die der 2007 in Heilbronn erschossenen Kiesewetter vorgesetzt waren.
Im Schlepptau des Duos Schmid – P. befand sich auch Hans-Joachim S.. Sein Name findet sich auf jener Liste des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos, die Fahnder in einer Jenaer Garage der drei Rechtsextremisten fanden. Die Ermittler glauben, dass auf dieser Aufstellung die Namen der Menschen verzeichnet sind, zu denen das NSU-Trio vor seinem Abtauchen intensivere Kontakte unterhielt.
Drei Monate nach dem Besuch im Stuttgarter „Hirsch“, nahm Baden-Württemberger Polizisten Muskelprotz P. in Gewahrsam. Darum hatten sie Kollegen des Bundeskriminalamts gebeten. Sie wollten verhindern, dass P. an einer Demonstration zum neunten Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß in Frankfurt teilnahm.
Wenig später zog der Sohn jugoslawischer Eltern nach Thüringen um. Dort interessierten sich die Staats- und Verfassungsschützer weiterhin für den heute 39jährigen, der nach ihren Erkenntnissen zum Thüringer Heimatschutz gehörte. In dieser Gruppe radikalisierten sich Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Der wiederum eine zweite Bezugsperson im Umfeld von Jug P. hatte: Auf der Jenaer Garagenliste findet sich auch der Name einer „Uschi“ aus Ludwigsburg. Hinter diesem Namen verbirgt sich Barbara E., die bis heute die Bilder P.s auf dessen Facebook-Seite gut findet.
Der V-Mann Benjamin G. berichtete dem hessischen Verfassungsschutz von einer Schlägerei zwischen Rechtsextremen im April 2005. Mit von der Partie bei dieser Prügelei am Randes eines Rechtsrockkonzerts der Gruppe „Lunikoff-Verschwörung: das schwäbische Muskelpaket mit den Spitznamen „Okaritsch“ und „Skinhead“. Benjamin G. meldete seine Beobachtungen dem Verfassungsschützer Andreas Temme. Der wiederum war beim mutmaßlich neunten Mord des NSU im April 2006 zur Tatzeit am Tatort, von den Schüssen aber nichts mitbekommen haben will.
P. lebt heute offiziell wieder im Südwesten, nach Erkenntnissen Thüringer Ermittler ist er in die Rotlichtszene verstrickt. Im öffentlichen Teil des Berichtes der Ermittlungsgruppe (EG) „Umfeld“ ist das alles nicht zu lesen. In der Kommission sollten 19 Ermittlerinnen und Ermittler des Landeskriminalamtes die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg aufhellen. Nachdem der Report im Februar vorgestellt wurde, beschlossen die Landtagsfraktionen von CDU, FDP und SPD, keine offenen Fragen mehr zum Thema NSU und seinen Verbindungen nach Baden-Württemberg zu haben. Die Grünen entschieden, darüber nachzudenken, ob sie noch Fragen haben.