Bochum/Kriegerdenkmal – „Im Westen Nichts Neues?“

Im Westen Nichts Neues ?    (Foto Azzoncao)

Gestern und heute haben wir im Bochumer Stadtteil Langendreer, sowie in Kneipen Langendreers und der Bochumer City folgenden öffentlichen Brief verteilt. Dem Denkmals-Verein haben wir die Kritik an seinem Verhalten persönlich zugestellt.

Wir haben die Auseinandersetzung um das Langendreer Kriegerdenkmal mit großem Interesse verfolgt und wollen mit diesem öffentlichen Brief unsere Sichtweise der Vorgänge und unsere Meinung zu dem Geschehen äußern.


(Flugblatt-Text hängt als PDF an.)

 

 

Öffentlicher Brief:

"Im Westen Nichts Neues ?“

 

Im November des letzten Jahres wurde dem Kriegerdenkmal in Bochum-Langendreer zum zweiten Mal der steinerne Kopf entfernt. Schon 1987 kam es das erste Mal dazu, dass Unbekannte dem Denkmal den Kopf abtrennten. 2004 ließ die Ehrenmal-Vereinigung unter Dieter Maiweg dem steinernen Korpus einen neuerlichen Kopf aufsetzen, der dann kurz vor dem Volkstrauertag 2010 erneut entwendet wurde.

 

Wie wir erfahren konnten, will die Ehrenmal-Vereinigung ein wiederholtes Mal dem steinernen Korpus einen Kopf aufsetzen und dem Denkmal somit sein „altes Bild“ wiedergeben. Zudem spricht die Ehrenmal-Vereinigung in einer Erklärung von einem „Gewaltakt“gegen ein „Mahnmal für Frieden und Gewaltfreiheit“. Einem „Anschlag von blinder Aggression,... der jeden Respekt vor der Geschichte und jegliche Toleranz vermissen lasse“ gegen ein Bauwerk, dass „1929 zu Ehren und Gedenken der Gefallenen des ersten Weltkrieges errichtet worden sei, die Opfer eines imperialistischen Wahns in Europa“ gewesen seien. In ihrem „stillen Zorn“ setzte die Ehrenmal-Vereinigung als Eigentümer auch eine Belohnung von 2000 Euro für Hinweise aus, die zur Ergreifung der Täter führen würde. (WAZ 14.12.2010)

 

 

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Wir können uns nur verwundert zeigen über eine derartige Darstellung durch die Ehrenmal-Vereinigung.

 

Das Ehrenmal als „Mahnmal für Frieden und Gewaltfreiheit“

 

Das Ehrenmal an der Unterstraße/Alte Bahnhofsstraße (damals Poststraße, Ecke Kaiserstraße) wurde durch die örtlichen „Krieger- und Landwehrvereine“ nach dem 1. Weltkrieg angedacht. Die Planungen aber erst nach der Besetzung der Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen konkretisiert und umgesetzt. Am 28.7.1929 wurde das von dem Professor und Bildhauer Dammann aus Berlin entworfene Soldatenmal eingeweiht. Der Zeitablauf verwundert nicht, wenn man bedenkt, was die französisch-belgischen Besatzer zu einem Denkmal gesagt hätten, auf denen fast 1000 deutschen Soldaten gedacht wird, die im Namen des deutschen Kaiserreichs ihre Länder überfallen hatten.

Nach vorne hin zeigt das Denkmal einen Soldaten mit abgesetzten Gewehr und abgenommenen Helm. Eine Geste des Nachdenkens und der Besinnung. Hinten am Denkmal steht aber „Einst kommt der Tag da alle Welt euren Ruhm verkünden wird!“. Mit Stolz, Uneinsichtigkeit und voller Hochmut wird hier auf die Kriegstaten deutscher Soldaten des 1. Weltkriegs verwiesen, deren Ruhm in Zukunft verkündet werden soll. Diesen Text hätten sich die damals überfallenen Länder erst Recht nicht gefallen lassen. In diesem revanchistischen Sinne agierten aber die „Krieger- und Landwehrvereine“ aus Langendreer.

 

Das öffentliche Bild, das das Denkmal abgibt, gleicht einem Janus-Kopf. Es ist nach vorne hin nachdenklich, nach hinten kriegsverherrlichend und revanchistisch. Diese Inschrift konterkariert den ersten Eindruck, den das Denkmal durch die hohe Steinfigur vermittelt. Von einem „Mahnmal für Frieden und Gewaltfreiheit“ kann hier nicht die Rede sein. Ebenso nicht von einem Bauwerk gegen „imperialistischen Wahn“.

Wann der Zusatz „1939 -1945“ an dem Denkmal angebracht wurde, ist unklar. Dieser Verweis auf den 2. Weltkrieg steht gut sichtbar zur Unterstraße auf der Steinsäule. Dieser Zusatz verweist auf die Zeit der Angriffs- und Vernichtungskriege durch die deutsche Wehrmacht Auf die Armee, die für die Nationalsozialistische Diktatur den Rest Europas versuchte zu unterwerfen und half den Holocaust vorzubereiten und umzusetzen. So normal dem Verein die Deutungserweiterung um die deutschen Soldaten des 2. Weltkriegs erschien. So normal schien es ihm aber auch den Spruch „Einst kommt der Tag da alle Welt euren Ruhm verkünden wird!“ stehen zu lassen.

 

Schon in den 20ziger Jahren des letzten Jahrhunderts wollte die Gemeindeverwaltung Langendreers nicht, dass dies Denkmal an einer solch exponierten Stelle steht. Vielmehr war der lokale Friedhof für das Kriegerdenkmal angedacht. Allein die Bereitstellung eines Grundstücks aus der Familie des derzeitigen Vorsitzenden machte die Aufstellung des Kriegerdenkmals möglich. Ende der 60ziger sollte das Denkmal einer neuen Straßenführung weichen. Damals war es Herr Maiweg persönlich, der sich für den Erhalt der Steinskultur an dieser Stelle einsetzte, einen Verein gründete und den Erhalt des Denkmals erwirkte. Wie in den 20ziger, so auch in den 60ziger Jahren, beide Male setzte sich die Ehrenmal-Vereinigung mit ihrem Kriegerdenkmal gegen kommunale Interessen durch. Heute wird dies private Ehrenmal sogar mittels öffentlicher Gelder gepflegt.

 

Für DemokratInnen und AntimilitaristInnen aus Langendreer muss dieses Denkmal in seiner Doppelzüngigkeit und mit seinem positiven Bezug auf das Militär Kaiser Wilhelms und die antidemokratischen, feudalen Gesellschaftsstrukturen, für das es stand, schon zur Zeit der Einweihung eine Zumutung gewesen sein. Die Ergänzung um die Wehrmacht ( „1939 – 1945“) und deren Angriffs- und Vernichtungskrieg für das NS-System toppte das Ganze noch. Nun galt der Spruch um Ruhm und Ehre auch noch diesen Soldaten.

Sieht die Ehrenmal-Vereinigung die Wehrmacht als „Opfer eines imperialen Wahns“?

 

1987 – 2004

 

Es ist wohl eher das Produkt eines langgehegten „stillen Zorns“ Bochumer DemokratInnen, AntimilitaristInnen und AntifaschistInnen über soviel in Stein gehauene Doppelmoral, dass sie nicht mehr „blind“ einer solchen Respektlosigkeit vor den Toten und der Geschichte an der Unterstraße zusehen wollten. Die Toleranz gegenüber der Intoleranz war erschöpft. Voila, die Umgestaltung der Kriegers 1987.

 

Der kopflose Steinsoldat schien auch 17 Jahre niemand anders als den Ehrenmal-Verein zu interessieren. Dieser finanzierte mit viel Geld einen neuen Kopf und setzte ihn am 15. März 2004 dem Korpus auf. Die Tafel, die dort 1987 angebracht worden war und an die Demontage des Kopfes erinnerte, montierte man ab. Vorsorglich wollte man jeglichen Hinweis auf diese Form direkter Demokratie entfernen, um einer Nachahmung zuvorzukommen. Somit war das Denkmal (fast) in seinem ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden. Fast, weil der Verein den Zusatz um „1939 -1945“ dort mit konservierte. Erst nach der Restauration 2004 wurde diese private Steinskulptur auch von Behörden als Denkmal anerkannt und unter Denkmalschutz gestellt.

Zu einer Reflexion über den Doppelcharakter des Kriegerdenkmal schien es nicht gekommen zu sein. Aus der Geschichte zweier von Deutschland begonnener Weltkriege schien Nichts gelernt worden zu sein. Der Spruch „Einst kommt der Tag da alle Welt euren Ruhm verkünden wird!“ wurde erhalten. Es wurde gehandelt wie ein revanchistischer Landwehrverein der 20ziger Jahre.

 

Gehofft wurde seitens des Vereins wohl auf eine Art Gewohnheitsrecht. Dass man der Langendreer Bevölkerung diese antidemokratische Privatgedenken in Stein auch weiter im Ortsbild zumuten kann. Genauso, wie der Verein dem örtlichen „Kyffhäuser-Sportschützenkameradschaft Bochum-Werne von 1871“ das Recht zu sprach, hier jedes Jahr zum Volkstrauertag Kränze niederzulegen. Vor der Eintragung in das Vereinsregister hieß dieser am 09.09.1871 gegründete Schützenverein „Krieger und Landwehrverein Bochum-Werne“ und kann seit langen schon seine kriegerische Selbstverständnis dort am Ehrenmal zelebrieren.

 

2009 -2010

 

Aber die Geschichte dieses öffentlichen Streitobjekts ging weiter. Fünf Jahre nach dem das Denkmal zum zweiten Mal einen Kopf erhielt, sprayten zum Volkstrauertag 2009 Unbekannte dem Steinsoldaten ein Einschussloch auf die Stirn. Die örtliche NPD säuberte das Denkmal und feierte dort am Volkstrauertag auf ihre Art und Weise das Andenken an die gefallenen deutschen Soldaten der beiden Weltkriege. Mit Fackeln und schwarz-weiß-roten Reichsfahnen hielten sie Reden und verlasen den letzten Wehrmachtsbefehl von 1945.Die NPD erkannte sehr genau den Charakter der in Stein gehauenen Halbwahrheit und des Nutzen, den sie daraus für sich ziehen konnte. Öffentlich erlaubtes Gedenken, mit dem Hintersinn für das NS-Terrorregime zu werben.

 

Auch im letzten November feierten die Bochumer Nazis mit einer Fackelkundgebung die Soldaten der deutschen Angriffskriege. Am 14.11.2010 trafen sie sich zur „Heldengedenkveranstaltung“ am Wattenscheider Ehrenmal und legten dort einen Kranz mit der Aufschrift “Einst kommt der Tag, da alle Welt Euren Ruhm verkünden wird” ab.

 

 

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Unser Fazit

 

Wir haben nichts dagegen, wenn der private Ehrenmal-Verein seinem Soldatenkorpus erneut einen Kopf aufsetzt.

Wenn das aber geschieht, sollte von dem Denkmal ein ehrliches Bild aufrechter Trauer ausgehen.

Der revanchistische und kriegsverherrlichende Spruch müsste entfernt werden. Diese positive Bezugsnahme auf imperiale Kriege darf nicht mehr im öffentlichen Raum stehen. Ein solcher Aufruf zu Wiederholungstaten deutscher Armeen ist absolut indiskutabel.

Würde dieser Spruch entfernt und dem Denkmal der Charakter eines „Mahnmal für Frieden und Gewaltfreiheit“ gegeben, könnte sogar der Zusatz „1939 – 1945“ stehen bleiben.

Der Verein sollte sich an der Stadt Bochum ein Beispiel nehmen, die das Kriegerdenkmal vom Stadtpark, dass im März 1983 ganz „gefällt“ wurde, nicht wieder aufstellte, sondern als Zeitdokument des NS-Systems in das Stadtarchiv verbrachte. So schwer ist ein demokratischer und respektvoller Umgang mit Menschen, ihrer Geschichte und Denkmälern nicht.

 

Sollte hingegen der Spruch weiterhin bestehen bleiben, kann man dies nur als antidemokratische Provokation ansehen und der Langendreerer Verein muss sich, frei nach dem Roman von Erich Maria Remarque, fragen lassen: „Im Westen Nichts Neues?“

 

 

 

Azzoncao, ein Polit-Cafè   (januar – 2011)

 

 

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Café Azzoncao informiert über linksradikales Bochumer Brauchtum

50 Jahre sind genug“ (30.12.2007)


Linksradikales Bochumer Brauchtum geht weiter (04.10.2009)

 

Bochum: NPD - Nationale Putzkolonne Deutschland (16.10.2009 )


Bochum: NPD hält Mahnwache für ihre „Helden“ ab (15.11.2009)

 

Mach`s noch mal Sam...“ - Linksradikales Bochumer Brauchtum geht weiter (14.11.2010)


Bochum: Langendreer Kriegerdenkmal – der K(r)ampf geht weiter (24.11.2010)

 

 

 

 

Lokalpresse:

Staatsschutz ermittelt nach Diebstahl am Ehrenmal (17.11.2010)

 

Kriminalität : Unbekannte setzen Denkmal Frankenstein-Kopf auf (22.11.2010)

 

 


Nazis in Werne und Langendreer (8.7.2010)

 

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Abschriften aus der  vom WAZ 14.12.2010

 

Ehrenmal: Belohnung für Hinweise

 

Langendreer. Mit Unverständnis und stillem Zorn habe die Ehrenmalvereinigung den zweiten Gewaltakt gegen das Ehrenmal an der Unterstraße am Volkstrauertag sehen müssen, schildert ihr Vorsitzender Dieter Maiweg. Er erinnert, das das Bauwerk 1929 zu Ehren und Gedenken der Gefallenen des ersten Weltkrieges errichtet worden sei, die Opfer eines imperialistischen Wahns in Europa waren. Deshalb habe die Figur als heimkehrender Soldat auch den Helm abgenommen und das Gewehr abgesetzt.

Erneut sei das „Mahnmal für Frieden und Gewaltfreiheit“ Gegenstand eines Anschlages von blinder Aggression geworden, der jeden Respekt vor der Geschichte und jegliche Toleranz vermissen lasse und die Ehrenmal-Vereinigung als Eigentümer mit Abscheu erfülle. „Die Beschädigung des Ehrenmals ist eine Straftat, die zu verfolgen, aufzuklären und zu ahnden ist“, unterstreicht Maiweg. „Die Vereinigung setzt dazu eine Belohnung von 2000 Euro aus.“ Hinweise werden an die Polizei in Langendreer erbeten.

 

 

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Leserecho:

Zeugnis für Moral

Erneut wurde das Kriegerdenkmal an der Unterstraße unmittelbar vor dem Volkstrauertag von Unbekannten geschändet. Die Ursachen für diesen politisch motivierten Vandalismus liegen weiterhin im Dunkeln. Festzustellen bleibt aber, dass das Erinnern an die Gefallenen beider Weltkriege und an die Toten zahlreicher Auslandseinsätze der Bundeswehr vielen Zeitgenossen nicht passt, weil sie das Gedenken mit Kriegsverherrlichung verbinden. Kriegerdenkmale sind aber in Stein geschlagenen Kulturgeschichte. Sie konservieren Vergangenheit, weisen in die Zukunft und geben Zeugnis für Moral und Ethik in einer Gesellschaft. Kriegerdenkmale unterliegen überdies einem Funktions- und Gestaltungswandel. Deshalb können sich die Lützower Jäger die Entfernung der stark beschädigten Soldatenfigur und die Anbringung einer Bronzetafel mit Daten zur Geschichte des Kriegerdenkmals unter Beachtung der ursprünglichen Sinnstiftung gut vorstellen.

 

Horst Jacobsmeyer, Lützower Jäger, Kameradschaft Langendreer-Werne, Traditions- und Sportschützenvereinigung

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(Zu der politischen Ausrichtung der Lützower Jäger siehe den Artikel: http://linksunten.indymedia.org/node/22293)

Liebes Polit-Café,

 

eine gute Aktion habt ihr da in Langendreer gemacht. Ein sauber recherchiertes, ausführliches Flugblatt und gute Vermittlung militanter Aktionen an die Öffentlichkeit.

 

Wieso hättet ihr nichts dagegen, wenn der Soldatenkopf neu aufgesetzt wird, aber eine Tafel gegen Gewalt und Frieden darunterkommt?

Dass die Frage nach Krieg nicht mit der Gewaltfrage beantwortet werden kann, sondern mkan einen Begriff von Nationalismus und Imperialismus braucht, brauche ich euch ja nicht erklären. Denkt ihr, dass ihr mit dieser Forderung die bürgerliche Mitte dazu bekommt zumindest nicht offen militaristisch zu denken?

Aber wieso soll dann der Soldat stehen bleiben? Ein Soldat als Mahnmal für den Frieden - widersinnig.

 

 

Faschistische und imperialistische Kriegsdenkmäler schänden!