Naziszene: In Söllingen treffen sich Neonazis aus ganz Deutschland

Erstveröffentlicht: 
17.11.2013

Das Söllinger Gasthaus "Rössle" hat sich zu einem wichtigen Treffpunkt der Naziszene entwickelt. Immer wieder finden südlich von Rastatt Konzerte rechter Bands statt. Dem Wirt ist das egal.

 

Wer von Karlsruhe aus auf der B 36 Richtung Straßburg fährt, muss sich abends konzentrieren, um wach zu bleiben – es ist stockfinster, denn das Gebiet ist dünnbesiedelt. Irgendwo südlich von Rastatt geht es dann rechts ab, die Kirchstraße liegt nach wenigen Metern linkerhand – ein ungewohnter Weg für all die Autos mit Kennzeichen aus Nordrhein-Westfalen, Brandenburg oder Hessen, die am Samstagabend das "Rössle" angesteuert haben. Zumal die Besucher erst wenige Stunden zuvor per Telefon erfahren hatten, dass das Nazikonzert, das die Dortmunder Polizei am Freitagabend untersagt hatte, nun in Rheinmünster-Söllingen stattfinden würde.

Nazi-Ikone aus dem Ruhrpott


In einem großen Dorfgasthof, der der lokalen Antifa seit Jahren als Basis der lokalen Naziszene bekannt ist, hing dann hinterm Schlagzeug das Transparent, das den Jubilar ehrte: Eine Zeichnung von Siegfried Borchardt, besser bekannt als "SS Siggi" – mit Lorbeerkranz und dem Schriftzug "Alles für Dortmund". Zu Ehren der Nazi-Ikone aus dem Ruhrpott waren die Nazibands "Sachsonia", "Words of Anger" und "Klänge des Blutes" angekündigt, kurz vor halb eins betrat dann der Star des Abends die Bühne: Michael "Luni" Regener, Ex-Sänger der als "kriminelle Vereinigung" verbotenen Band "Landser".

Zwei Tage zuvor, am 14. November, hatte Borchardt Geburtstag, Deutschlands wohl bekanntester Nazi-Hooligan, der als Gründer der Dortmunder "Borussenfront" schon in den Achtzigern traurige Berühmtheit erlangte. "SS Siggi" ist eine Ikone der deutschen Nazi-Szene, schon in der Vergangenheit waren seine Geburtstage ein nationales Ereignis mit Anwesenheitspflicht für alle, die in der Szene etwas auf sich halten.

Radikale Bands auf der Bühne


Da verwundert es nicht, dass zur diesjährigen Geburtstagsfeier ein Barde aufspielt, der überall, wo er auftritt, die Hallen füllt. "Luni" gilt der deutschen Naziszene als "Märtyrer", seit er – im Gegensatz zu seinen Bandkollegen – 2005 lieber für fast drei Jahre ins Gefängnis ging, als gegenüber der Staatsanwaltschaft auszusagen. Die "Terroristen mit E-Gitarre" hatten unter anderem "Bomben auf Israel" gefordert. Die Nachfolgeband "Lunikoff-Verschwörung" ist kaum weniger radikal. Regener selbst wirbt auf seiner Homepage für die NPD und nennt die Bundesregierung "ZOG" ("zionist occupied governement", zionistisch besetzte Regierung"). 4000 Nazis strömten 2009 zum ersten Konzert nach seiner Haftentlassung nach Gera.

So viele sind am Samstag nicht nach Söllingen gekommen – die Polizei zählte 120 Teilnehmer. Die Mobilisierung war wohl doch zu kurzfristig. Borchardt selbst war indes offenbar nicht vor Ort, zumindest beklagen das einige seiner Fans im Internet. Doch auch in Abwesenheit des Dortmunder Kreisvorsitzenden der Partei "Die Rechte", einem Auffangbecken für Mitglieder verbotener Neonazikameradschaften, hatte seine Partei einen Infostand im "Rössle" aufgebaut.

Das Konzert am Samstagabend war das fünfte Nazikonzert, das seit Juni im "Rössle" stattfindet. Wirt Günter S. hat gegenüber Gewerkschaftern mehrfach betont, er überlasse den Rechten seine Wirtschaft nicht aus Sympathie, ihm sei vielmehr "egal, woher das Geld komme". S. hat die Gemnehmigung für zwölf Musikveranstaltungen pro Jahr. Gut möglich also, dass Söllingen an den verbleibenden sechs Wochenenden des Jahres wieder Besuch bekommt.