Wohnen mit Kakerlaken: Stadt schlug kontaminierte Appartements vor

Erstveröffentlicht: 
13.11.2013

Kas­sel-​Bet­ten­hau­sen. Am Abend hat Thors­ten Sül­ter auf sei­nem Tep­pich Kle­be­band aus­ge­legt. Am Mor­gen hin­gen sie dut­zend­wei­se an der Kle­be­flä­che – Ka­ker­la­ken. „Sie kom­men aus allen Rit­zen“, sagt Sül­ter. „Sogar über mein Bett krab­beln die Vie­cher“.

 

Seit 1. No­vem­ber wohnt der Hartz-​IV-​Emp­fän­ger in einem Ap­par­te­ment an der Ja­kobs­gas­se 10 in Bet­ten­hau­sen. Die Stadt, ge­nau­er die Zen­tra­le Fach­stel­le für Woh­nen, hatte ihm zuvor via Lauf­zet­tel die Adres­se in die Hand ge­drückt. Sül­ter rief beim Ver­mie­ter an und mach­te einen Miet­ver­trag klar: 315 Euro warm für 24 Qua­drat­me­ter – in­klu­si­ve der Ka­ker­la­ken. „Doch wuss­te ich vor­her nichts“, sagt Sül­ter. Er ging zum Ge­sund­heits­amt, Ab­tei­lung Woh­nungs­hy­gie­ne. Dort trau­te er sei­nen Ohren nicht. Es sei be­kannt, dass es dort Un­ge­zie­fer gebe. Und man rate daher drin­gend ab, dort ein­zu­zie­hen. Für Sül­ter ein Skan­dal. „Die Stadt be­wirbt wis­sent­lich mit Ka­ker­la­ken ver­seuch­te Woh­nun­gen – an so­zi­al Schwa­che. Als ob die­ser Wohn­raum ge­ra­de gut genug für sie wäre“.

 

Er stehe nicht al­lein. Auch an­de­re Mie­ter des Hau­ses be­klag­ten sich über Un­ge­zie­fer in ihren Woh­nun­gen. Stadt schlug Woh­nung mit Ka­ker­la­ken vor Auch dem Ver­mie­ter, der seit 1975 die ins­ge­samt 38 Ap­par­te­ments im Haus Ja­kobs­gas­se 10 vor allem an so­zi­al Schwa­che ver­mie­tet, ist das Un­ge­zie­fer-​Pro­blem be­kannt. „Wir haben hier seit zwei Jah­ren Ka­ker­la­ken“, sagt er. Be­trof­fen seien aber nur ein­zel­ne Ap­par­te­ments. „Ir­gend­wer hat sie halt ein­mal ein­ge­schleppt. Ich bin aber nicht der ein­zi­ge Ver­mie­ter, der mit Un­ge­zie­fer Pro­ble­me hat“, sagt er. Etwa vier­tel­jähr­lich be­auf­tra­ge er einen Kam­mer­jä­ger zur Be­kämp­fung der In­sek­ten. Auch der Ver­mie­ter be­stä­tigt, die Ver­wal­tung wisse um die Kon­ta­mi­na­ti­on mit Ka­ker­la­ken. Die Stadt sagt dazu nichts. Doch gibt sie zu, eine Liste mög­li­cher Ver­mie­ter als „In­stru­ment zur Ver­mei­dung von Ob­dach­lo­sig­keit“ an Be­trof­fe­ne aus­zu­ge­ben. Auch der Ver­mie­ter des Hau­ses Ja­kobs­gas­se 10 ist hier ver­merkt. „Aber wir ver­mit­teln nicht“, sagt Stadt­pres­se­spre­cher Ingo Hap­pel-​Em­rich.

 

Die Be­sich­ti­gung und Ver­mie­tung er­fol­ge aus­schließ­lich über den Mie­ter und Ver­mie­ter. Den­noch scheint der Stadt der Fall pein­lich zu sein: „Soll­ten wir ver­mehrt Kennt­nis über einen schlech­ten Zu­stand eines Wohn­raums er­hal­ten, wer­den wir den ent­spre­chen­den Ver­mie­ter von der Liste neh­men“, sagt Hap­pel-​Em­rich. Sül­ter ist der Mei­nung, dass das schon längst hätte pas­sie­ren sol­len. In­zwi­schen ist er aus sei­ner Ka­ker­la­ken-​Woh­nung in Bet­ten­hau­sen aus­ge­zo­gen. Eine Nacht ver­brach­te er bei der Heils­ar­mee, dann sprach er er­neut bei der Zen­tra­len Fach­stel­le für Woh­nen vor. Und siehe da: Seit ges­tern hat er ein neues Zim­mer, mö­bliert – und ohne Ka­ker­la­ken. [Anm.: siehe auch http://fpd.blogsport.de/2013/11/14/kakerlakenwohnungen/ ]